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Humboldt, Alexander von: Neue Versuche über den Metallreiz, besonders in Hinsicht auf die verschiedenartige Empfänglichkeit der thierischen Organe. In: Neues Journal der Physik. Bd. 3, H. 2 (1796), S. 165-184.

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der Schenkel auf Glas und dieß auf meiner linken Schul-
ter, so erfolgte, unter sonst gleichen Umständen, kein
Reitz. Wie das Glas, isolirte auch die Oberhaut selbst;
denn weder der Zink, noch der Froschschenkel durften
darauf liegen, wenn der Stimulus vorhanden seyn sollte.
Ueberaus wichtig in diesen Fällen ist der Umstand: daß
ich, wenn meine Cutis dem Frosch zum Leiter nach dem
Zink hin diente, nichts, weder Pochen noch Brennen,
empfand. Eben so zuckt auch ein Froschschenkel b nicht,
dessen Cruralnerv (ohne das Metall zu berühren) auf
einem armirten Cruralnerven a liegt, wenn der zu a
gehörige Schenkel mittelst Silber mit der Armatur ver-
bunden wird. Das galvanische Fluidum ist also in die-
sen Fällen, bey seinem Durchgange, kein specifiker
Reitz für die Bewegungsorgane, wohl aber für
das Geschmacksorgan; denn die Zunge am Eisen-
drathe schmeckte (in meinem oben erzählten Versuche)
deutliche Säure. Noch mehr: legen sie einen Nerv
mit 6-8 Kubiklinien Muskelfleisch L, z. B. den
Nervus radialis, oder den von ihm ausgehenden Nervus
axillaris
an Zink; auf L aber, fern vom Zinke, einen
präparirten Schenkelnerven I sammt den Muskeln, in
die er inserirt ist. Bey sehr lebhaften Fröschen wird I mit
gereitzt, wenn ein Silberdrath L allein und den Zink
verbindet, bey matteren muß das Silber I selbst berüh-
ren, um es zu Zuckungen zu stimuliren. Sind aber
in diesem letzteren Falle die Zuckungen in I vorhanden,
so fehlen sie stets in L, das unbeweglich ruht. Diese
Erfahrung ist unwidersprechlich wahr, man mag die
Stellen der Nerven verwechseln, oder zwey Cruralner-
ven nehmen, die gewiß einerley Bewegungsreitz gehor-
chen. Was folgt daraus? Daß das unbekannte Flui-
dum +/- G, welches durch den Zink, Silber, I, und L
circulirt, bey seinem Durchgange durch L, (noch nicht
oder nicht mehr?) die Eigenschaften besitzt, welche es

in
M 3

der Schenkel auf Glas und dieß auf meiner linken Schul-
ter, ſo erfolgte, unter ſonſt gleichen Umſtaͤnden, kein
Reitz. Wie das Glas, iſolirte auch die Oberhaut ſelbſt;
denn weder der Zink, noch der Froſchſchenkel durften
darauf liegen, wenn der Stimulus vorhanden ſeyn ſollte.
Ueberaus wichtig in dieſen Faͤllen iſt der Umſtand: daß
ich, wenn meine Cutis dem Froſch zum Leiter nach dem
Zink hin diente, nichts, weder Pochen noch Brennen,
empfand. Eben ſo zuckt auch ein Froſchſchenkel β nicht,
deſſen Cruralnerv (ohne das Metall zu beruͤhren) auf
einem armirten Cruralnerven α liegt, wenn der zu α
gehoͤrige Schenkel mittelſt Silber mit der Armatur ver-
bunden wird. Das galvaniſche Fluidum iſt alſo in die-
ſen Faͤllen, bey ſeinem Durchgange, kein ſpecifiker
Reitz fuͤr die Bewegungsorgane, wohl aber fuͤr
das Geſchmacksorgan; denn die Zunge am Eiſen-
drathe ſchmeckte (in meinem oben erzaͤhlten Verſuche)
deutliche Saͤure. Noch mehr: legen ſie einen Nerv
mit 6–8 Kubiklinien Muskelfleiſch L, z. B. den
Nervus radialis, oder den von ihm ausgehenden Nervus
axillaris
an Zink; auf L aber, fern vom Zinke, einen
praͤparirten Schenkelnerven I ſammt den Muſkeln, in
die er inſerirt iſt. Bey ſehr lebhaften Froͤſchen wird I mit
gereitzt, wenn ein Silberdrath L allein und den Zink
verbindet, bey matteren muß das Silber I ſelbſt beruͤh-
ren, um es zu Zuckungen zu ſtimuliren. Sind aber
in dieſem letzteren Falle die Zuckungen in I vorhanden,
ſo fehlen ſie ſtets in L, das unbeweglich ruht. Dieſe
Erfahrung iſt unwiderſprechlich wahr, man mag die
Stellen der Nerven verwechſeln, oder zwey Cruralner-
ven nehmen, die gewiß einerley Bewegungsreitz gehor-
chen. Was folgt daraus? Daß das unbekannte Flui-
dum ± G, welches durch den Zink, Silber, I, und L
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[169/0006] der Schenkel auf Glas und dieß auf meiner linken Schul- ter, ſo erfolgte, unter ſonſt gleichen Umſtaͤnden, kein Reitz. Wie das Glas, iſolirte auch die Oberhaut ſelbſt; denn weder der Zink, noch der Froſchſchenkel durften darauf liegen, wenn der Stimulus vorhanden ſeyn ſollte. Ueberaus wichtig in dieſen Faͤllen iſt der Umſtand: daß ich, wenn meine Cutis dem Froſch zum Leiter nach dem Zink hin diente, nichts, weder Pochen noch Brennen, empfand. Eben ſo zuckt auch ein Froſchſchenkel β nicht, deſſen Cruralnerv (ohne das Metall zu beruͤhren) auf einem armirten Cruralnerven α liegt, wenn der zu α gehoͤrige Schenkel mittelſt Silber mit der Armatur ver- bunden wird. Das galvaniſche Fluidum iſt alſo in die- ſen Faͤllen, bey ſeinem Durchgange, kein ſpecifiker Reitz fuͤr die Bewegungsorgane, wohl aber fuͤr das Geſchmacksorgan; denn die Zunge am Eiſen- drathe ſchmeckte (in meinem oben erzaͤhlten Verſuche) deutliche Saͤure. Noch mehr: legen ſie einen Nerv mit 6–8 Kubiklinien Muskelfleiſch L, z. B. den Nervus radialis, oder den von ihm ausgehenden Nervus axillaris an Zink; auf L aber, fern vom Zinke, einen praͤparirten Schenkelnerven I ſammt den Muſkeln, in die er inſerirt iſt. Bey ſehr lebhaften Froͤſchen wird I mit gereitzt, wenn ein Silberdrath L allein und den Zink verbindet, bey matteren muß das Silber I ſelbſt beruͤh- ren, um es zu Zuckungen zu ſtimuliren. Sind aber in dieſem letzteren Falle die Zuckungen in I vorhanden, ſo fehlen ſie ſtets in L, das unbeweglich ruht. Dieſe Erfahrung iſt unwiderſprechlich wahr, man mag die Stellen der Nerven verwechſeln, oder zwey Cruralner- ven nehmen, die gewiß einerley Bewegungsreitz gehor- chen. Was folgt daraus? Daß das unbekannte Flui- dum ± G, welches durch den Zink, Silber, I, und L circulirt, bey ſeinem Durchgange durch L, (noch nicht oder nicht mehr?) die Eigenſchaften beſitzt, welche es in M 3

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Neue Versuche über den Metallreiz, besonders in Hinsicht auf die verschiedenartige Empfänglichkeit der thierischen Organe. In: Neues Journal der Physik. Bd. 3, H. 2 (1796), S. 165-184, hier S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_metallreiz_1796/6>, abgerufen am 30.04.2024.