Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte recht, und ich hatte sehr unrecht, daß ich ihm
nicht folgte.

Mein Gegner wollte mich zwar ins Hospital
bringen, aber bey dem allen schien es mir doch,
daß er lieber sehen mögte, daß ich mich abführte.
Der Tag zu meiner Abreise wurde also bestimmt.
Der Offizier schenkte mir ein Hemde und ein Paar
Strümpfe: -- die meinigen hatte ich schon längst
in den Gebürgen des Delphinats weggeschmissen,
-- dann nahm er meine Schreibtafel, und steckte
60 Livres Papier hinein. Meinen Namen schrieb
er sich sorgfältig auf, und versicherte mich, daß er,
wo er mich finden würde, alles Mögliche zu mei-
nem Vergnügen thun wollte. Gern, sezte er hinzu,
gäbe er mir mehr Assignate, aber die 60 Livres
seyen alles, was er habe: er habe sie sogar selbst
borgen müssen. -- Ich habe über diesen Mann nie-
mals böse seyn können, und schied mit Thränen
von ihm.

Auf dem Wege sah ich mich oft nach der un-
glücklichen Stadt um, welche noch vor wenig Mo-
naten eine der schönsten und blühendsten in Europa
war, nun aber die fürchterlichsten Spuren des bür-
gerlichen Krieges jedem Auge darbot. Es ging
mir damals, wie vorzeiten dem Servius Sul-
pitius, welcher bey dem Anblick der zerstöhrten
Städte Athen, Korinth, Mägara und Agina sich

hatte recht, und ich hatte ſehr unrecht, daß ich ihm
nicht folgte.

Mein Gegner wollte mich zwar ins Hoſpital
bringen, aber bey dem allen ſchien es mir doch,
daß er lieber ſehen moͤgte, daß ich mich abfuͤhrte.
Der Tag zu meiner Abreiſe wurde alſo beſtimmt.
Der Offizier ſchenkte mir ein Hemde und ein Paar
Struͤmpfe: — die meinigen hatte ich ſchon laͤngſt
in den Gebuͤrgen des Delphinats weggeſchmiſſen,
— dann nahm er meine Schreibtafel, und ſteckte
60 Livres Papier hinein. Meinen Namen ſchrieb
er ſich ſorgfaͤltig auf, und verſicherte mich, daß er,
wo er mich finden wuͤrde, alles Moͤgliche zu mei-
nem Vergnuͤgen thun wollte. Gern, ſezte er hinzu,
gaͤbe er mir mehr Aſſignate, aber die 60 Livres
ſeyen alles, was er habe: er habe ſie ſogar ſelbſt
borgen muͤſſen. — Ich habe uͤber dieſen Mann nie-
mals boͤſe ſeyn koͤnnen, und ſchied mit Thraͤnen
von ihm.

Auf dem Wege ſah ich mich oft nach der un-
gluͤcklichen Stadt um, welche noch vor wenig Mo-
naten eine der ſchoͤnſten und bluͤhendſten in Europa
war, nun aber die fuͤrchterlichſten Spuren des buͤr-
gerlichen Krieges jedem Auge darbot. Es ging
mir damals, wie vorzeiten dem Servius Sul-
pitius, welcher bey dem Anblick der zerſtoͤhrten
Staͤdte Athen, Korinth, Maͤgara und Agina ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0439" n="435"/>
hatte recht, und ich hatte &#x017F;ehr unrecht, daß ich ihm<lb/>
nicht folgte.</p><lb/>
        <p>Mein Gegner wollte mich zwar ins Ho&#x017F;pital<lb/>
bringen, aber bey dem allen &#x017F;chien es mir doch,<lb/>
daß er lieber &#x017F;ehen mo&#x0364;gte, daß ich mich abfu&#x0364;hrte.<lb/>
Der Tag zu meiner Abrei&#x017F;e wurde al&#x017F;o be&#x017F;timmt.<lb/>
Der Offizier &#x017F;chenkte mir ein Hemde und ein Paar<lb/>
Stru&#x0364;mpfe: &#x2014; die meinigen hatte ich &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
in den Gebu&#x0364;rgen des Delphinats wegge&#x017F;chmi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x2014; dann nahm er meine Schreibtafel, und &#x017F;teckte<lb/>
60 Livres Papier hinein. Meinen Namen &#x017F;chrieb<lb/>
er &#x017F;ich &#x017F;orgfa&#x0364;ltig auf, und ver&#x017F;icherte mich, daß er,<lb/>
wo er mich finden wu&#x0364;rde, alles Mo&#x0364;gliche zu mei-<lb/>
nem Vergnu&#x0364;gen thun wollte. Gern, &#x017F;ezte er hinzu,<lb/>
ga&#x0364;be er mir mehr A&#x017F;&#x017F;ignate, aber die 60 Livres<lb/>
&#x017F;eyen alles, was er habe: er habe &#x017F;ie &#x017F;ogar &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
borgen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Ich habe u&#x0364;ber die&#x017F;en Mann nie-<lb/>
mals bo&#x0364;&#x017F;e &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, und &#x017F;chied mit Thra&#x0364;nen<lb/>
von ihm.</p><lb/>
        <p>Auf dem Wege &#x017F;ah ich mich oft nach der un-<lb/>
glu&#x0364;cklichen Stadt um, welche noch vor wenig Mo-<lb/>
naten eine der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten und blu&#x0364;hend&#x017F;ten in Europa<lb/>
war, nun aber die fu&#x0364;rchterlich&#x017F;ten Spuren des bu&#x0364;r-<lb/>
gerlichen Krieges jedem Auge darbot. Es ging<lb/>
mir damals, wie vorzeiten dem <hi rendition="#g">Servius Sul</hi>-<lb/><hi rendition="#g">pitius</hi>, welcher bey dem Anblick der zer&#x017F;to&#x0364;hrten<lb/>
Sta&#x0364;dte Athen, Korinth, Ma&#x0364;gara und Agina &#x017F;ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[435/0439] hatte recht, und ich hatte ſehr unrecht, daß ich ihm nicht folgte. Mein Gegner wollte mich zwar ins Hoſpital bringen, aber bey dem allen ſchien es mir doch, daß er lieber ſehen moͤgte, daß ich mich abfuͤhrte. Der Tag zu meiner Abreiſe wurde alſo beſtimmt. Der Offizier ſchenkte mir ein Hemde und ein Paar Struͤmpfe: — die meinigen hatte ich ſchon laͤngſt in den Gebuͤrgen des Delphinats weggeſchmiſſen, — dann nahm er meine Schreibtafel, und ſteckte 60 Livres Papier hinein. Meinen Namen ſchrieb er ſich ſorgfaͤltig auf, und verſicherte mich, daß er, wo er mich finden wuͤrde, alles Moͤgliche zu mei- nem Vergnuͤgen thun wollte. Gern, ſezte er hinzu, gaͤbe er mir mehr Aſſignate, aber die 60 Livres ſeyen alles, was er habe: er habe ſie ſogar ſelbſt borgen muͤſſen. — Ich habe uͤber dieſen Mann nie- mals boͤſe ſeyn koͤnnen, und ſchied mit Thraͤnen von ihm. Auf dem Wege ſah ich mich oft nach der un- gluͤcklichen Stadt um, welche noch vor wenig Mo- naten eine der ſchoͤnſten und bluͤhendſten in Europa war, nun aber die fuͤrchterlichſten Spuren des buͤr- gerlichen Krieges jedem Auge darbot. Es ging mir damals, wie vorzeiten dem Servius Sul- pitius, welcher bey dem Anblick der zerſtoͤhrten Staͤdte Athen, Korinth, Maͤgara und Agina ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/439
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/439>, abgerufen am 27.04.2024.