Levezow, Konrad: Iphigenia in Aulis. Halle, 1805. Iphigenia. Warum, Geliebte Mutter, sollten mir erzürnt Die Götter seyn? Mir, die ich nichts vollbracht, Was ihrem heilgen Willen widerstrebt? Send' ich nicht täglich mein Gebet zu dem Olymp? Bring' ich nicht Opfer dar, zum Dank Für ihre Huld? Wallt nicht mein Hymnus mit Der Weihrauch Wolk', die dem Altar entsteigt, Rein zu des Aethers Höh' empor? - Ach! hätt' Ich je der Menschheit Recht entehrt? - hätt' ich, Was göttlich ist, entweiht? - hätt' ich den Zorn - Klytämnestra. Beruhige dein Herz, mein Kind. Noch sind Dir hold die guten Götter; doch aus des Verhängnisses geheimnißvoller Urne Fällt oft dem Sterblichen ein Loos, dem er Iphigenia. Warum, Geliebte Mutter, sollten mir erzuͤrnt Die Goͤtter seyn? Mir, die ich nichts vollbracht, Was ihrem heilgen Willen widerstrebt? Send' ich nicht taͤglich mein Gebet zu dem Olymp? Bring' ich nicht Opfer dar, zum Dank Fuͤr ihre Huld? Wallt nicht mein Hymnus mit Der Weihrauch Wolk', die dem Altar entsteigt, Rein zu des Aethers Hoͤh' empor? – Ach! haͤtt' Ich je der Menschheit Recht entehrt? – haͤtt' ich, Was goͤttlich ist, entweiht? – haͤtt' ich den Zorn – Klytaͤmnestra. Beruhige dein Herz, mein Kind. Noch sind Dir hold die guten Goͤtter; doch aus des Verhaͤngnisses geheimnißvoller Urne Faͤllt oft dem Sterblichen ein Loos, dem er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0065" n="57"/> <sp who="#IPH"> <speaker><hi rendition="#g">Iphigenia</hi>.</speaker><lb/> <p>Warum,<lb/> Geliebte Mutter, sollten mir erzuͤrnt<lb/> Die Goͤtter seyn? Mir, die ich nichts vollbracht,<lb/> Was ihrem heilgen Willen widerstrebt?<lb/> Send' ich nicht taͤglich mein Gebet zu dem<lb/> Olymp? Bring' ich nicht Opfer dar, zum Dank<lb/> Fuͤr ihre Huld? Wallt nicht mein Hymnus mit<lb/> Der Weihrauch Wolk', die dem Altar entsteigt,<lb/> Rein zu des Aethers Hoͤh' empor? – Ach! haͤtt'<lb/> Ich je der Menschheit Recht entehrt? – haͤtt'<lb/> ich,<lb/> Was goͤttlich ist, entweiht? – haͤtt' ich den<lb/> Zorn –</p> </sp><lb/> <sp who="#KLY"> <speaker><hi rendition="#g">Klytaͤmnestra</hi>.</speaker><lb/> <p>Beruhige dein Herz, mein Kind. <hi rendition="#g">Noch</hi> sind<lb/> Dir hold die guten Goͤtter; doch aus des<lb/> Verhaͤngnisses geheimnißvoller Urne<lb/> Faͤllt oft dem Sterblichen ein Loos, dem er<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [57/0065]
Iphigenia.
Warum,
Geliebte Mutter, sollten mir erzuͤrnt
Die Goͤtter seyn? Mir, die ich nichts vollbracht,
Was ihrem heilgen Willen widerstrebt?
Send' ich nicht taͤglich mein Gebet zu dem
Olymp? Bring' ich nicht Opfer dar, zum Dank
Fuͤr ihre Huld? Wallt nicht mein Hymnus mit
Der Weihrauch Wolk', die dem Altar entsteigt,
Rein zu des Aethers Hoͤh' empor? – Ach! haͤtt'
Ich je der Menschheit Recht entehrt? – haͤtt'
ich,
Was goͤttlich ist, entweiht? – haͤtt' ich den
Zorn –
Klytaͤmnestra.
Beruhige dein Herz, mein Kind. Noch sind
Dir hold die guten Goͤtter; doch aus des
Verhaͤngnisses geheimnißvoller Urne
Faͤllt oft dem Sterblichen ein Loos, dem er
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