Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668.Das Zehende Buch. Und stürtzte sterbend itzt im feld aus seinem wagen/Dem must Eneas noch verweißlich dieses sagen: Es haben/ Lucage/ nicht etwan faule pferd Verleitet dein geschirr/ noch einige beschwerd Der nächtlichen gespenst hat dich vermocht zu jagen. Nein. Sondern du bist selbst gesprungen von dem wagen/ Und bist gestanden ab von fahren ohne noht/ Drumb rück ich billicher dir auff den herben tod. Darauff hielt er die pferd. Der arme bruder Liger Sprang von dem wagen auch/ erkandte seinen sieger/ Warff sein gewehr hinweg/ und hub die händ empor/ Und fieng an sein gebet zu tragen also vor: O Troer held/ ich bitt mit medrigen gebärden Umb deine gaben/ die an dir gerühmet werden/ Umb deinen vater/ der dich tapffern mann gezeugt/ Umb deine mutter/ die dich frommen sohn gesäugt/ Ach schencke mir nur jtzt mein lieb und junges leben/ Erbarme dich doch mein/ ich kan dir sonst nichts geben/ Als ein demüthig hertz. Da er noch ferner bat/ Redt ihm Eneas ein und näher zu ihm trat: Hättst du mir solche wort für eine weile geben; So wolt ich jtzo dich erhalten bey dem leben: Nun aber stirb und gib dem bruder das geleit/ Weil du auch bist mit ihm gezogen in den streit. Drauff stieß er ihm durchs hertz den degen/ daß der seele Stund offen freyer paß zu fliehn aus ihrer höhle. Solch würgen übet aus Eneas/ solchen mord Auf offenbarem plan/ als sieger hier und dort/ Und
Das Zehende Buch. Und ſtuͤrtzte ſterbend itzt im feld aus ſeinem wagen/Dem muſt Eneas noch verweißlich dieſes ſagen: Es haben/ Lucage/ nicht etwan faule pferd Verleitet dein geſchirr/ noch einige beſchwerd Der naͤchtlichen geſpenſt hat dich vermocht zu jagen. Nein. Sondern du biſt ſelbſt geſprungẽ von dem wagen/ Und biſt geſtanden ab von fahren ohne noht/ Drumb ruͤck ich billicher dir auff den herben tod. Darauff hielt er die pferd. Der arme bruder Liger Sprang von dem wagen auch/ erkandte ſeinen ſieger/ Warff ſein gewehr hinweg/ und hub die haͤnd empor/ Und fieng an ſein gebet zu tragen alſo vor: O Troer held/ ich bitt mit medrigen gebaͤrden Umb deine gaben/ die an dir geruͤhmet werden/ Umb deinen vater/ der dich tapffern mann gezeugt/ Umb deine mutter/ die dich frommen ſohn geſaͤugt/ Ach ſchencke mir nur jtzt mein lieb und junges leben/ Erbarme dich doch mein/ ich kan dir ſonſt nichts geben/ Als ein demuͤthig hertz. Da er noch ferner bat/ Redt ihm Eneas ein und naͤher zu ihm trat: Haͤttſt du mir ſolche wort fuͤr eine weile geben; So wolt ich jtzo dich erhalten bey dem leben: Nun aber ſtirb und gib dem bruder das geleit/ Weil du auch biſt mit ihm gezogen in den ſtreit. Drauff ſtieß er ihm durchs hertz den degen/ daß der ſeele Stund offen freyer paß zu fliehn aus ihrer hoͤhle. Solch wuͤrgen uͤbet aus Eneas/ ſolchen mord Auf offenbarem plan/ als ſieger hier und dort/ Und
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Das Zehende Buch.
Und ſtuͤrtzte ſterbend itzt im feld aus ſeinem wagen/
Dem muſt Eneas noch verweißlich dieſes ſagen:
Es haben/ Lucage/ nicht etwan faule pferd
Verleitet dein geſchirr/ noch einige beſchwerd
Der naͤchtlichen geſpenſt hat dich vermocht zu jagen.
Nein. Sondern du biſt ſelbſt geſprungẽ von dem wagen/
Und biſt geſtanden ab von fahren ohne noht/
Drumb ruͤck ich billicher dir auff den herben tod.
Darauff hielt er die pferd. Der arme bruder Liger
Sprang von dem wagen auch/ erkandte ſeinen ſieger/
Warff ſein gewehr hinweg/ und hub die haͤnd empor/
Und fieng an ſein gebet zu tragen alſo vor:
O Troer held/ ich bitt mit medrigen gebaͤrden
Umb deine gaben/ die an dir geruͤhmet werden/
Umb deinen vater/ der dich tapffern mann gezeugt/
Umb deine mutter/ die dich frommen ſohn geſaͤugt/
Ach ſchencke mir nur jtzt mein lieb und junges leben/
Erbarme dich doch mein/ ich kan dir ſonſt nichts geben/
Als ein demuͤthig hertz. Da er noch ferner bat/
Redt ihm Eneas ein und naͤher zu ihm trat:
Haͤttſt du mir ſolche wort fuͤr eine weile geben;
So wolt ich jtzo dich erhalten bey dem leben:
Nun aber ſtirb und gib dem bruder das geleit/
Weil du auch biſt mit ihm gezogen in den ſtreit.
Drauff ſtieß er ihm durchs hertz den degen/ daß der ſeele
Stund offen freyer paß zu fliehn aus ihrer hoͤhle.
Solch wuͤrgen uͤbet aus Eneas/ ſolchen mord
Auf offenbarem plan/ als ſieger hier und dort/
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Zitationshilfe: | Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/534>, abgerufen am 13.06.2024. |