"Du auch nicht, und Selim Agha auch nicht. Hat er etwas erhalten?"
"Siebentausend Piaster in Papier," antwortete er sehr schnell, um dem Agha die Antwort abzuschneiden. Dieser schnitt ein Gesicht, daß ich beinahe in lautes Lachen ausgebrochen wäre.
"Nun, also," sagte ich, "warum willst du mir da meinen Teil vorenthalten?"
"Du bist ein Fremdling und keiner meiner Beamten."
"Du sollst recht behalten; aber dann trete ich meinen Teil an den Padischah ab. Sage also dem Basch Tschausch, daß er nach meiner Wohnung kommen soll, ehe er abreist. Ich werde ihm meinen Bericht an den Anatoli Kasi As- keri mitgeben. -- Lebe wohl, Mutesselim, und erlaube, daß ich dich heute abend besuche."
Ich ging zu der Thüre, hatte diese aber noch nicht erreicht, als er rief:
"Wie viel Geld wirst du angeben?"
"Die runde Summe von fünfundzwanzigtausend Pia- ster, eine Uhr und vier Brillantringe."
"Wie viel willst du davon haben?"
"Meinen vollen Teil. Siebentausend Piaster in Papier, oder fünftausend in Gold oder Silber."
"Effendi, es war wirklich nicht so viel Gold!"
"Ich kann den Klang des Goldes sehr gut von dem des Silbers unterscheiden, und der Beutel hatte einen sehr dicken Bauch."
"Du bist reich, Emir, und wirst mit funfhundert Piaster zufrieden sein!"
"Zweitausend in Gold, das ist mein letztes Wort!"
"Allah kerihm, ich kann es nicht!"
"Lebewohl!"
Wieder ging ich nach der Thüre. Er wartete, bis
„Du auch nicht, und Selim Agha auch nicht. Hat er etwas erhalten?“
„Siebentauſend Piaſter in Papier,“ antwortete er ſehr ſchnell, um dem Agha die Antwort abzuſchneiden. Dieſer ſchnitt ein Geſicht, daß ich beinahe in lautes Lachen ausgebrochen wäre.
„Nun, alſo,“ ſagte ich, „warum willſt du mir da meinen Teil vorenthalten?“
„Du biſt ein Fremdling und keiner meiner Beamten.“
„Du ſollſt recht behalten; aber dann trete ich meinen Teil an den Padiſchah ab. Sage alſo dem Baſch Tſchauſch, daß er nach meiner Wohnung kommen ſoll, ehe er abreiſt. Ich werde ihm meinen Bericht an den Anatoli Kaſi As- keri mitgeben. — Lebe wohl, Muteſſelim, und erlaube, daß ich dich heute abend beſuche.“
Ich ging zu der Thüre, hatte dieſe aber noch nicht erreicht, als er rief:
„Wie viel Geld wirſt du angeben?“
„Die runde Summe von fünfundzwanzigtauſend Pia- ſter, eine Uhr und vier Brillantringe.“
„Wie viel willſt du davon haben?“
„Meinen vollen Teil. Siebentauſend Piaſter in Papier, oder fünftauſend in Gold oder Silber.“
„Effendi, es war wirklich nicht ſo viel Gold!“
„Ich kann den Klang des Goldes ſehr gut von dem des Silbers unterſcheiden, und der Beutel hatte einen ſehr dicken Bauch.“
„Du biſt reich, Emir, und wirſt mit funfhundert Piaſter zufrieden ſein!“
„Zweitauſend in Gold, das iſt mein letztes Wort!“
„Allah kerihm, ich kann es nicht!“
„Lebewohl!“
Wieder ging ich nach der Thüre. Er wartete, bis
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„Du auch nicht, und Selim Agha auch nicht. Hat
er etwas erhalten?“
„Siebentauſend Piaſter in Papier,“ antwortete er
ſehr ſchnell, um dem Agha die Antwort abzuſchneiden.
Dieſer ſchnitt ein Geſicht, daß ich beinahe in lautes Lachen
ausgebrochen wäre.
„Nun, alſo,“ ſagte ich, „warum willſt du mir da
meinen Teil vorenthalten?“
„Du biſt ein Fremdling und keiner meiner Beamten.“
„Du ſollſt recht behalten; aber dann trete ich meinen
Teil an den Padiſchah ab. Sage alſo dem Baſch Tſchauſch,
daß er nach meiner Wohnung kommen ſoll, ehe er abreiſt.
Ich werde ihm meinen Bericht an den Anatoli Kaſi As-
keri mitgeben. — Lebe wohl, Muteſſelim, und erlaube,
daß ich dich heute abend beſuche.“
Ich ging zu der Thüre, hatte dieſe aber noch nicht
erreicht, als er rief:
„Wie viel Geld wirſt du angeben?“
„Die runde Summe von fünfundzwanzigtauſend Pia-
ſter, eine Uhr und vier Brillantringe.“
„Wie viel willſt du davon haben?“
„Meinen vollen Teil. Siebentauſend Piaſter in Papier,
oder fünftauſend in Gold oder Silber.“
„Effendi, es war wirklich nicht ſo viel Gold!“
„Ich kann den Klang des Goldes ſehr gut von dem
des Silbers unterſcheiden, und der Beutel hatte einen ſehr
dicken Bauch.“
„Du biſt reich, Emir, und wirſt mit funfhundert
Piaſter zufrieden ſein!“
„Zweitauſend in Gold, das iſt mein letztes Wort!“
„Allah kerihm, ich kann es nicht!“
„Lebewohl!“
Wieder ging ich nach der Thüre. Er wartete, bis
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/370>, abgerufen am 01.11.2024.
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