Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Beantwortung der Frage: Was muß
des letztern macht sich immer selbst fertig, und lebt gut, wenn
die Gärtnerey auf einem unfruchtbaren Sande nur da gelingt,
wo ihr eine mächtige Hauptstadt zu statten kommt; und so
wäre freylich ein gütlicher Vergleich nicht zu verwerfen.
Der sicherste Weg bey dem allen aber ist, beydes Ackerbau
und Handel zugleich zu befördern, und einem durch den an-
dern zu helfen. Der Handel kan zur Noth ohne Ackerbau
bestehen, aber dieser nicht leicht ohne jenem. Ein hoher Preis
der ersten Bedürfnisse, und selbst die Auflagen auf das Brodt,
die in Holland den ganzen Werth desselben übersteigen, scha-
den den dortigen Fabriken so sonderlich nicht; aber die Wohl-
feiligkeit dieser Bedürfnisse, welche ohne Handlung leicht
entsteht, drückt den Ackersmann zu Boden.

Doch ... Gewerbe und Handlung find flüchtige Güter,
die von einer Nation zur andern ziehen. Wie sehr ist die
Größe der Holländer nicht gesunken? Ihre Flüsse sind untief
geworden; ihren Heerings- Cabillau- und Wallfischfang haben
sie mit andern Nationen theilen müssen. Ihr Gewürzhandel
ist in gleicher Gefahr; ihre Zuckersiedereyen sind von den
Hamburgern, Bremern und andern gestürzt, und nicht ein
Viertheil von dem vorigen mehr; ihre Verschiffung, womit
sie vorhin der ganzen Welt dieneten, ist nur noch ein Schat-
ten, da alle Völker ihre Waaren selbst holen; ihre schweren
Fabriken sind durch die Franzosen, Schweitzer, Preußen
und Sachsen unnütz gemacht worden; und so werden sie bald,
wann einmal die Abnahme zu einem gewissen Grade geht,
durch ihre Imposten zu Grunde gehn. Wie viel dauerhafter
ist dagegen ein Staat, dessen Wohl sich auf dem Ackerbau
gründet? der allezeit seine Nothdurft und wenn er etwas
übrig hat, auch leicht Absatz findet? und Deutschland zum mäch-
tigsten Volke machen würde, wenn es nur auf Mittel dächte
seine Ausfuhr zu vermehren, und durch Vermehrung der Aus-

fuhr

Beantwortung der Frage: Was muß
des letztern macht ſich immer ſelbſt fertig, und lebt gut, wenn
die Gaͤrtnerey auf einem unfruchtbaren Sande nur da gelingt,
wo ihr eine maͤchtige Hauptſtadt zu ſtatten kommt; und ſo
waͤre freylich ein guͤtlicher Vergleich nicht zu verwerfen.
Der ſicherſte Weg bey dem allen aber iſt, beydes Ackerbau
und Handel zugleich zu befoͤrdern, und einem durch den an-
dern zu helfen. Der Handel kan zur Noth ohne Ackerbau
beſtehen, aber dieſer nicht leicht ohne jenem. Ein hoher Preis
der erſten Beduͤrfniſſe, und ſelbſt die Auflagen auf das Brodt,
die in Holland den ganzen Werth deſſelben uͤberſteigen, ſcha-
den den dortigen Fabriken ſo ſonderlich nicht; aber die Wohl-
feiligkeit dieſer Beduͤrfniſſe, welche ohne Handlung leicht
entſteht, druͤckt den Ackersmann zu Boden.

Doch … Gewerbe und Handlung find fluͤchtige Guͤter,
die von einer Nation zur andern ziehen. Wie ſehr iſt die
Groͤße der Hollaͤnder nicht geſunken? Ihre Fluͤſſe ſind untief
geworden; ihren Heerings- Cabillau- und Wallfiſchfang haben
ſie mit andern Nationen theilen muͤſſen. Ihr Gewuͤrzhandel
iſt in gleicher Gefahr; ihre Zuckerſiedereyen ſind von den
Hamburgern, Bremern und andern geſtuͤrzt, und nicht ein
Viertheil von dem vorigen mehr; ihre Verſchiffung, womit
ſie vorhin der ganzen Welt dieneten, iſt nur noch ein Schat-
ten, da alle Voͤlker ihre Waaren ſelbſt holen; ihre ſchweren
Fabriken ſind durch die Franzoſen, Schweitzer, Preußen
und Sachſen unnuͤtz gemacht worden; und ſo werden ſie bald,
wann einmal die Abnahme zu einem gewiſſen Grade geht,
durch ihre Impoſten zu Grunde gehn. Wie viel dauerhafter
iſt dagegen ein Staat, deſſen Wohl ſich auf dem Ackerbau
gruͤndet? der allezeit ſeine Nothdurft und wenn er etwas
uͤbrig hat, auch leicht Abſatz findet? und Deutſchland zum maͤch-
tigſten Volke machen wuͤrde, wenn es nur auf Mittel daͤchte
ſeine Ausfuhr zu vermehren, und durch Vermehrung der Aus-

fuhr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0282" n="264"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Beantwortung der Frage: Was muß</hi></fw><lb/>
des letztern macht &#x017F;ich immer &#x017F;elb&#x017F;t fertig, und lebt gut, wenn<lb/>
die Ga&#x0364;rtnerey auf einem unfruchtbaren Sande nur da gelingt,<lb/>
wo ihr eine ma&#x0364;chtige Haupt&#x017F;tadt zu &#x017F;tatten kommt; und &#x017F;o<lb/>
wa&#x0364;re freylich ein gu&#x0364;tlicher Vergleich nicht zu verwerfen.<lb/>
Der &#x017F;icher&#x017F;te Weg bey dem allen aber i&#x017F;t, beydes Ackerbau<lb/>
und Handel zugleich zu befo&#x0364;rdern, und einem durch den an-<lb/>
dern zu helfen. Der Handel kan zur Noth ohne Ackerbau<lb/>
be&#x017F;tehen, aber die&#x017F;er nicht leicht ohne jenem. Ein hoher Preis<lb/>
der er&#x017F;ten Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e, und &#x017F;elb&#x017F;t die Auflagen auf das Brodt,<lb/>
die in Holland den ganzen Werth de&#x017F;&#x017F;elben u&#x0364;ber&#x017F;teigen, &#x017F;cha-<lb/>
den den dortigen Fabriken &#x017F;o &#x017F;onderlich nicht; aber die Wohl-<lb/>
feiligkeit die&#x017F;er Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e, welche ohne Handlung leicht<lb/>
ent&#x017F;teht, dru&#x0364;ckt den Ackersmann zu Boden.</p><lb/>
        <p>Doch &#x2026; Gewerbe und Handlung find flu&#x0364;chtige Gu&#x0364;ter,<lb/>
die von einer Nation zur andern ziehen. Wie &#x017F;ehr i&#x017F;t die<lb/>
Gro&#x0364;ße der Holla&#x0364;nder nicht ge&#x017F;unken? Ihre Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind untief<lb/>
geworden; ihren Heerings- Cabillau- und Wallfi&#x017F;chfang haben<lb/>
&#x017F;ie mit andern Nationen theilen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Ihr Gewu&#x0364;rzhandel<lb/>
i&#x017F;t in gleicher Gefahr; ihre Zucker&#x017F;iedereyen &#x017F;ind von den<lb/>
Hamburgern, Bremern und andern ge&#x017F;tu&#x0364;rzt, und nicht ein<lb/>
Viertheil von dem vorigen mehr; ihre Ver&#x017F;chiffung, womit<lb/>
&#x017F;ie vorhin der ganzen Welt dieneten, i&#x017F;t nur noch ein Schat-<lb/>
ten, da alle Vo&#x0364;lker ihre Waaren &#x017F;elb&#x017F;t holen; ihre &#x017F;chweren<lb/>
Fabriken &#x017F;ind durch die Franzo&#x017F;en, Schweitzer, Preußen<lb/>
und Sach&#x017F;en unnu&#x0364;tz gemacht worden; und &#x017F;o werden &#x017F;ie bald,<lb/>
wann einmal die Abnahme zu einem gewi&#x017F;&#x017F;en Grade geht,<lb/>
durch ihre Impo&#x017F;ten zu Grunde gehn. Wie viel dauerhafter<lb/>
i&#x017F;t dagegen ein Staat, de&#x017F;&#x017F;en Wohl &#x017F;ich auf dem Ackerbau<lb/>
gru&#x0364;ndet? der allezeit &#x017F;eine Nothdurft und wenn er etwas<lb/>
u&#x0364;brig hat, auch leicht Ab&#x017F;atz findet? und Deut&#x017F;chland zum ma&#x0364;ch-<lb/>
tig&#x017F;ten Volke machen wu&#x0364;rde, wenn es nur auf Mittel da&#x0364;chte<lb/>
&#x017F;eine Ausfuhr zu vermehren, und durch Vermehrung der Aus-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fuhr</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0282] Beantwortung der Frage: Was muß des letztern macht ſich immer ſelbſt fertig, und lebt gut, wenn die Gaͤrtnerey auf einem unfruchtbaren Sande nur da gelingt, wo ihr eine maͤchtige Hauptſtadt zu ſtatten kommt; und ſo waͤre freylich ein guͤtlicher Vergleich nicht zu verwerfen. Der ſicherſte Weg bey dem allen aber iſt, beydes Ackerbau und Handel zugleich zu befoͤrdern, und einem durch den an- dern zu helfen. Der Handel kan zur Noth ohne Ackerbau beſtehen, aber dieſer nicht leicht ohne jenem. Ein hoher Preis der erſten Beduͤrfniſſe, und ſelbſt die Auflagen auf das Brodt, die in Holland den ganzen Werth deſſelben uͤberſteigen, ſcha- den den dortigen Fabriken ſo ſonderlich nicht; aber die Wohl- feiligkeit dieſer Beduͤrfniſſe, welche ohne Handlung leicht entſteht, druͤckt den Ackersmann zu Boden. Doch … Gewerbe und Handlung find fluͤchtige Guͤter, die von einer Nation zur andern ziehen. Wie ſehr iſt die Groͤße der Hollaͤnder nicht geſunken? Ihre Fluͤſſe ſind untief geworden; ihren Heerings- Cabillau- und Wallfiſchfang haben ſie mit andern Nationen theilen muͤſſen. Ihr Gewuͤrzhandel iſt in gleicher Gefahr; ihre Zuckerſiedereyen ſind von den Hamburgern, Bremern und andern geſtuͤrzt, und nicht ein Viertheil von dem vorigen mehr; ihre Verſchiffung, womit ſie vorhin der ganzen Welt dieneten, iſt nur noch ein Schat- ten, da alle Voͤlker ihre Waaren ſelbſt holen; ihre ſchweren Fabriken ſind durch die Franzoſen, Schweitzer, Preußen und Sachſen unnuͤtz gemacht worden; und ſo werden ſie bald, wann einmal die Abnahme zu einem gewiſſen Grade geht, durch ihre Impoſten zu Grunde gehn. Wie viel dauerhafter iſt dagegen ein Staat, deſſen Wohl ſich auf dem Ackerbau gruͤndet? der allezeit ſeine Nothdurft und wenn er etwas uͤbrig hat, auch leicht Abſatz findet? und Deutſchland zum maͤch- tigſten Volke machen wuͤrde, wenn es nur auf Mittel daͤchte ſeine Ausfuhr zu vermehren, und durch Vermehrung der Aus- fuhr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/282
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/282>, abgerufen am 30.04.2024.