Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 139. Köln, 10. November 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Mögliche wäre also doch wieder unmöglich? Der definitive und wirkliche Ernst wäre also doch wieder nur definitiver und wirklicher Spaß? Wir staunen über die Redekunststücke der Reform. Peter Simpel, der noch eben der festen Meinung war, seine eigne Nase abbeißen zu können, er sieht schließlich doch wieder ein, daß es schief darum steht, er giebt den Gedanken auf, er versöhnt sich wieder mit seiner Nase und wir versöhnen uns wieder mit Peter Simpel; Peter ist ein charmanter Mann. Doch lesen wir weiter.

"Ein ernstliches und definitives Ministerium Brandenburg wäre nichts Geringeres, als der Bruch der Krone mit der Nationalversammlung." - Nichts ist verständlicher, nichts ist deutlicher. Aber die Reform erschrickt ordentlich darüber, daß sie so deutlich gewesen ist, und ehe wir's uns versehen, fährt sie fort: "Ist also (mon dieu!) der Bruch vorhanden? (Heiliger Simpel!) Ist der Krieg erklärt? (Heiliger Peter Simpel!) Nein! er ist dennoch (trotz des also) nicht erklärt. -" Wir halten inne, die Geduld reißt uns, nein, das ist zu stark, das geht über die Bäume! - Zuerst sagte Simpel: Ich weiß etwas, ich weiß beinah' etwas, nein, ich weiß doch nichts! Dann fuhr er fort: Der definitive und wirkliche Ernst ist möglich, er ist beinah' möglich, nein er ist doch nicht möglich! Und jetzt vollendet er und meint: Der Bruch ist da, er ist beinah' da, nein, er ist doch nicht da!

Aber die Reform ist noch lange nicht fertig. Die Reform ist unerschöpflich. "Nein, der Krieg ist dennoch nicht erklärt" - sagt die Reform - "oder alle Zeichen müßten trügen. Schon darum glauben wir es nicht, weil es Niemand glaubt!" - Alle Weisheit des Kartenschlägers, der Hebamme und Peter Simpel's schwinden vor der Jedermann's Meinung. Der große Mann, der die Ereignisse durchschaut, er ist von der letzten Stufe seines Thrones hinabgepurzelt und in den Koth der allgemeinen Meinung gefallen, wo er mit den Gläubigen glaubt und mit den Zweifelnden zweifelt; mit einem Worte, Peter ist endlich an seinem Platze - leider, an einem sehr untergeordneten.

Die Reform schließt jetzt die 34 Zeilen lange Passage, in der wir nicht mehr als 17 Stylfehler, Simpeleien und Widersprüche entdeckten, mit der glorreichen Phrase: "So (!) wäre also (!!) das Ministerium Brandenburg nur eine Ephemere; es wäre nicht ernstlich damit gemeint. In diesem Falle muß ein Ministerium aus der Versammlung hervorgehen, und wir hören, daß an ein Ministerium Kirchmann-Rodbertus gedacht wird."

Nach der Reform verhält sich also der König der Nationalversammlung gegenüber rein scherzhaft. Der König hat vollkommenes Recht hiezu. Größeres Recht haben wir aber no ch, uns der Reform gegenüber scherzhaft zu verhalten, und wir gestehen daher der Reform, daß es wirklich sehr scherzhaft mit seinen Lesern umgehen heißt, wenn man sie erst mit den mystischsten "Durschauungen" ködert, um sie hinterher mit den konfusesten Trivialitäten im Stich zu lassen.

Die Reform ergeht sich nun noch in nicht weniger unglücklichen Wendungen als bisher, über die möglichen Chancen eines möglichen Ministeriums Kirchmann-Rodbertus. Wir verschonen unsre Leser und uns selbst mit diesen Tiraden, wir können aber nicht der Versuchung widerstehen, wenigstens noch das anzuführen, was die Reform mit Hintenansetzung des genannten Ministeriums als ihr Heilmittel anzuempfehlen wagt. "Dessau müßte man sich zum Muster nehmen!" ruft die Reform aus. "In dieser (!) Form (!) (in dieser Form Dessau) ist eine Versöhnung des Alten und des Neuen, die man eine ehrliche nennen kann. (Ehrlicher Simpel!) Nehmt sie an, wählt ein Ministerium der äußersten, (Peter Simpel als äußerster Ministerpräsident!) das heißt der konsequenten Demokratie: und ihr habt eine glorreiche Genesung von dem innern Fieber und von der äußern Ohnmacht. Ihr gründet das neue Deutschland und hony soit, qui mal y pense! Doch wir verirren uns. - - "

Allerdings! - Peter Simpel den Hosenband-Orden für diese Verirrung!

Lang' lebe die Reform, das Organ der demokratischen Partei in Berlin, und lang' lebe Peter Simpel, ihr Ereigniß durchschauender Denker! Welch' eine Partei und welch' ein Denker! Es giebt nur eine Reform, und Peter Simpel ist ihr Prophet.

Er ist heruntergesimpelt

Und weiß doch selber nicht wie

Es ist sonderbar, wie große Männer so verschieden beurtheilt werden. Während die Kölnische Zeitung neulich von Lob über das Lustspiel, "die Sündenböcke", von R. Benedir, überfloß, bringt die Neue Preußische Zeitung folgende Notiz:

"Ein gestern Abend im Schauspielhause zum ersten Mal aufgeführtes neues Lustspiel von Rodrich Benedir: "Die Sündenböcke", hat total Fiasco gemacht. Dasselbe ist auch in der That ein so fades Machwerk, daß wir kaum begreifen, wie dasselbe von der Königlichen Bühne hat zur Aufführung gebracht werden können. Das Publikum wurde so ungeduldig, daß einer der Darstellenden, Herr Döring, vortrat und anfragte, ob weiter gespielt werden solle, - es sei ohnehin bald zu Ende. Das Publikum gab nach einiger Opposition dies zu, rief am Schlusse sämmtliche Darsteller als Zeichen, daß das Mißfallen nicht ihnen gegolten, und trommelte dann das Stück aus, indem es sich jede Wiederholung verbat."

Ihr armen Sündenböcke!

[Deutschland]

[Fortsetzung] Diese Schaar gehörte zu einem ungarischen Husarenregimente (Palatinat-Husaren im Saatzer Kreise), welches Befehl erhalten, gegen Wien zu marschiren. Das Regiment war offen und mannhaft genug, sofort die Erklärung abzugeben, daß es ebensowenig gegen seine Wiener, als gegen seine ungarischen Brüder marschiren werde. Es sollte daher mit Gewalt dazu gezwungen werden, zog sich zurück durch Böhmen, wurde von östreichischen Kürassieren verfolgt und bei Trautenau zersprengt. Einzelne Theile haben sich hierhin und dorthin gerettet, von denen eine Schaar, wie gesagt, am 30. October bei Liebau die preußische Gränze übetrat. Dort wurde ihr von dem Landrathe des Landeshuter Kreises die Wahl gelassen, entweder sogleich wieder über die Gränze zurückzugehen, oder sich entwaffnen zu lassen. Wir Bewohner dieser Gebirgsgegend und namentlich des Waldenburger Kreises, können in dieser Schaar nichts anderes sehen, als Männer, die es ehrlich meinen mit der allgemeinen Sache des deutschen Volkes und in Betracht, daß die alten Gränzen innerhalb Deutschlands, welches fortan ein einiges sein soll, in der alten Weise nicht mehr festgehalten werden dürfen, bitten wir:

Eine hohe Nationalversammlung wolle diese Angelegenheit zur Berathung ziehen und dafür sorgen, daß jene ehrenwerthe Schaar, welche für die deutsche, nicht für die slavische Sache die Waffen führen will, nicht an die k. k. Militärbehörde ausgeliefert, ihr im Gegentheil die abgenommenen Waffen wieder zurückgegeben und ihre Heimkehr in ihr Vaterland besorgt und beschützt werde."

Waldenburg den 1. Nov. 1848.

Im Namen des Kreises, die beauftragten Vertrauensmänner.

Ein Schreiben aus Friedland, Kreis Waldenburg, d. d. 31. October, schildert die Sympathie des Volkes für jene Ungarn. Es lautet:

"Ein ungarisches Regiment Husaren trennte sich vom Armeekorps des Fürsten Windischgrätz, um sich in das Vaterland durchzuschlagen; einem Theile desselben soll dies gelungen sein. Von den Versprengten ist eine Truppe von 56 Mann mit Pferden, Waffen und Gepäck heute Nachmittag 3 1/2 Uhr hier angelangt; die Bürger haben sie mit Freuden aufgenommen und diesen unglücklichen Leuten, welche mit ihren Pferden sehr erschöpft waren, gern Quartier und Beköstigung bis zu ihrer Erholung gewährt. - Die Unglücklichen sind aber besorgt, daß von diesseitigen Behörden oder Militärpersonen ihrem Rückmarsch nach Ungarn auf preußischem Boden wird Hinderniß in den Weg gelegt worden, oder daß sie gar gefangen, entwaffnet und an die kaiserlich-östreichischen Kommando's ausgeliefert werden möchten; der schimpfliche Tod wäre dann unvermeidlich. Vor solchem Unglücke, glaube ich, kann sie nur unsere Nationalversammlung bewahren.

Ew. etc. ersuche ich daher recht dringend dahin wirken zu wollen, daß den versprengten ungarischen Husaren kein Hinderniß auf ihrem Rückmarsche in's Vaterland gelegt, noch weniger, daß dieselben an ihre, wie unsere Feinde ausgeliefert werden.

Wenn dieses Schreiben, in heutiger Nacht gegen 12 Uhr abgefaßt, auch von meinen Herren Kollegen nicht mitvollzogen ist, so kann ich auf Ehre versichern, daß sich hier kein Einziger befindet, welcher meinem Antrage entgegen ist, denn die Sympathie für unsere Gäste war allgemein; Jeder wollte gern einen Mann in's Quartier haben, und Alle wünschen die Soldaten gerettet zu sehen."

(gez.) Haupt, Bürgermeister.

An den Abgeordneten der Nationalversammlung in Berlin,

Behnsch.

Der Abg. Lisiecki stellt folgende dringende Interpellation an den Kriegsminister:

"Ob es gegründet ist, daß in den letzten Tagen des Monats October d. J. in Folge reaktionärer Bestrebungen der Kamarilla zu Ballenstädt und auf Grund des von derselben ausgegangenen Ansinnens, der Kommandeur einer preußischen, in Quedlinburg stationirten Kürassier-Eskadron seine Mannschaft in den Ställen konsignirt hatte, um nöthigenfalls zur Stillung eines im Lande Bernburg befürchteten Aufruhrs herbeizueilen?"

Der Abg. Gräff (Trier) hat folgenden Zusatz zum Artikel 5 der Verfassung gestellt:

"Jede gesetzwidrige Verhaftung verpflichtet den Staat und die betreffenden Beamten zur vollständigen Entschädigung des Verhafteten. Auch bei einer gesetzmäßigen Verhaftung, worauf keine Verurtheilung erfolgt, muß dem Verhafteten eine angemessene Entschädigung, jedoch nur vom Staate, geleistet werden. Das Nähere wird durch ein besonderes Gesetz bestimmt."

Motive: Diese Bestimmung, welche im Wesentlichen in der neuen Verfassungs-Urkunde für das Herzogthum Anhalt-Dessau § 13 enthalten ist, rechtfertigt sich durch den civilrechtlichen Satz, daß ein Jeder, welcher einem Andern durch Vorsatz, aus Versehen oder Irrthum einen Schaden zufügt, demselben dafür die gebührende Genugthuung leisten muß. Die Entschädigung ist höher oder niedriger, je nachdem die Verletzung auf Vorsatz beruht, oder aus Versehen oder Irrthum hervorgegangen ist. Ein solches Versehen oder ein solcher Irrthum ist auch dann als vorhanden anzunehmen, wenn zwar die provisorische Haft nach den Gesetzen zulässig war, dennoch aber der Verhaftete freigesprochen oder vorläufig außer Verfolgung gesetzt wird. Dem Beschuldigten muß wegen der Verhaftung in dergleichen Fällen eine billige Entschädigung zu Theil werden; denn er kann nicht die Schuld des ihm widerfahrenen Unrechts tragen, wenn auch die Umstände anscheinend gegen ihn waren. Eine solche Bestimmung bewirkt übrigens die richtigere und mildere Auslegung der immerhin unbestimmten Gesetze, durch welche die provisorische Haft zugelassen ist oder zugelassen werden kann.

103 Berlin, 7. Novbr.

Die ganze Stadt ist in der größten Aufregung. - Seit gestern Abend ist es durch verschiedene gutunterrichtete Quellen bekannt gnworden, daß das neue Ministerium gebildet und der Graf Brandenburg, v. Schleinitz und v. Mannteuffel die Hauptstützen desselben seien. Wenn nun diese Namen schon beurtheilen lassen, wes Geistes Kind das neue Ministerium sein wird, so erzählt man sich zum Ueberfluß noch, daß die neuen Minister morgen in der Nationalversammlung erscheinen und eine Königl. Botschaft mitbringen werden, wodurch die Versammlung, in Erwägung, daß dieselbe in Berlin unter dem Terrorismus der Bevölkerung stehe und nicht mehr frei berathen könne, welches unzweifelhaft aus ihren in den letzten Wochen gefaßten Beschlüssen hervorgehe, welchen der König seine Sanktion unter solchen Umständen nicht ertheilen könne, - auf vierzehn Tage vertagt und alsdann in Brandenburg (oder Schwedt a. O. wie eine andere Version sagt) zur baldigen Beendigung der Berathung der Verfassungs-Urkunde wieder zusammenkommen solle. -

Diese Nachrichten haben weniger die Linke, als das Centrum und besonders die Rechte überrascht. Die Rechte sieht nun wohl ein, daß es sich nicht mehr um Aufrechthaltung des wahrhaften Constitutionalismus (wie sie es sich bis heute einredete), sondern um Zurückführung des alten Absolutismus unter dem Schein einer Constitution handelt.

Man erzählt, daß, im Fall sich die Nationalversammlung, wie vorauszusehen, den Forderungen des neuen Ministeriums nicht fügen, sich vielmehr für permanent erklären werde, die Versammlung durch Waffengewalt auseinandergesprengt werden soll. - Zu diesem Zwecke erwartet man, daß heute und morgen die Garderegimenter, die bisher in Potsdam, Brandenburg und deren Umgegend in Garnison lagen, hier einrücken. Das 24. und 12. Regiment, welche einen großen Theil demokratisch gesinnter Soldaten enthalten, rückten gestern und heute aus der Stadt, um den Garden Platz zu machen. Alle Kasernen werden aufs vollständigste verproviantirt, den Offizieren ist aufgegeben worden, ihre Privatwohnungen zu verlassen und in die Kasernen zu ziehen. - Alle diese Thatsachen haben die größte Aufregung in der ganzen Stadt hervorgebracht und Jeder sieht dem morgenden Tage mit der außerordentlichsten Spannung entgegen.

14 Berlin, 7. Nov.

Das Neueste, was ich Ihnen mittheilen kann, ist Folgendes: Ein Exminister hat zu einem Deputirten der Aeußersten geäußert: Se. Maj. werde bald seine Residenz nach Berlin verlegen und zwar inmitten seiner Garden. Ferner berathe man: ob die Nationalversammlung ganz aufgelöst oder blos aus der Hauptstadt verlegt werden solle. Auch denke man nicht im Allerentferntesten daran, weder die Gottes Gnade, noch den Adel, noch die Orden abzuschaffen. Im Gegentheil wolle man sich diese Süßigkeiten erst recht schmecken lassen.

Eine zweite Neuigkeiten ist, daß gestern Nacht mehr als ein Dutzend Wagen mit Munition durch verschiedene Thore der Stadt einfuhren, und heute Morgen jrder Soldat 150 Patronen erhielt. Combiniren Sie selbst über die Bedeutung dieser Pulververstärkung.

Im Uebrigen ist es mäuschenstill hier, als ob sich alle fremden und hiesigen Demokraten in ihre Löcher verkrochen hätten. Freilich schwebt das blutige Schwert des Windischgrätz über unsern Häuptern, und der Hunger wüthet in den Eingeweiden der Proletarier.

* Berlin, 8. November.

Die "Neue Preußische Ztg.", deren sinnreiche Einfälle wir von Zeit zu Zeit unsern Lesern zu Gute kommen lassen, schlägt vor, das zu erwartende neue Ministerium "das Ministerium der thierischen Soldateska" zu taufen. Du ahndungsvoller Engel Du!

Namen gefunden ist alles gefunden, weil

Jede Krankheit, um sie kuriren zu können,

Zunächst benamset werden muß.

Berlin.

Einladung zu einem Kongreß der Bürgerwehr Preußens in Berlin, am 27. Nov. 1848.

Der Wunsch, eine gemeinsame Verständigung der gesammten Bürgerwehr des preußischen Staates durch erwählte Vertreter derselben herbeizuführen, erscheint in mehr als einer Hinsicht gerechtfertigt.

1. Das so eben erlassene Bürgerwehrgesetz erheischt eine Berathung sachverständiger Männer, um die Frage zu enscheiden:

ist die vielseitige Mißstimmung gegen das Gesetz gerechtfertigt, welche Punke erregen diese besonders und wie sind diese im Wege der Gesetzgebung abzuändern?

Der in solcher Weise besonnen aber entschieden ausgesprochene Wille der Gesammt-Bürgerwehr wird sicherlich die ihm gebührende Anerkennung vor der National-Versammlung finden.

2. Stehen die Bürgerwehren der einzelnen Gemeinden nach der bisherigen Organisation, so wie nach dem Bürgerwehrgesetz völlig isolirt da, so bietet sich von selbst die Frage:

ist es nicht dringend wünschenswerth, daß alle diese Kräfte für den Augenblick der Gefahr, die unserm Vaterlande drohen kann, sich als ein innig verbundenes Ganze fühlen, das nach einem Ziele und nach einem Plane handelt?

Soll aber ein solches einiges Handeln im Augenblicke der Gefahr eintreten, so scheint es nothwendig, dasselbe in ruhigeren Zeiten vorzubereiten durch eine gemeinschaftliche Organisation der Gesammt-Bürgerwehr des Vaterlandes, wie ja diese in den Nationalgarden anderer Länder besteht. Es kommt also darauf an, die Grundzüge einer solchen Organisation in gemeinsamer Berathung zu entwerfen, um so ihre gesetzliche Einführung vorzubereiten. Hier wird unter Anderem auch das Dienstreglement in seinen Hauptbestimmungen zu besprechen sein, damit dies ein möglichst gleichmäßiges durch das ganze Land werde. Denn nur dann kann die Bürgerwehr mit Aussicht auf Erfolg gemeinschaftlich wirken, wenn sie ein aus gleichartig gebildeten und gleichmäßig eingeübten Theilen bestehendes Ganze bildet.

3. Endlich ist von dem Verhältniß der Bürgerwehr zum stehenden Heere und der Landwehr bisher noch nirgend Etwas festgesetzt. Das Bürgerwehrgesetz läßt das Verhältniß ganz unberührt. Die Bürgerwehr darf aber wohl nicht völlig isolirt dastehen, sie muß in irgend einer Weise einen Theil der gesammten Heeresmasse ausmachen.

Nur wenn die Bürgerwehr eingefügt wird in den allgemeinen Organismus der bewaffneten Macht, wenn die verschiedenen Theile der letztern einander befreundet und ergänzend sich gegenüberstehen, kann die Bürgerwehr sich gedeihlich entwickeln, auch in politisch weniger aufgeregten Zeiten - wo die Nothwendigkeit ihres Bestehens sonst vielleicht in den Hintergrund gedrängt würde - lebenskräftig sich erhalten und so sich in der That bald zu einer allgemeinen und wahrhaften - Volkswehr - einem unerschütterlichen Schutze der Freiheit und des Wohlstandes gegen innere wie äußere Feinde erheben.

In dem Vorstehenden dürfte ein genügender und allgemein wichtiger Stoff für einen Bürgerwehr-Congreß sich darbieten, und durch die erscheinenden Deputirten gewiß noch ansehnlich vermehrt werden.

Durchdrungen von der Wichtigkeit der hier angeregten Fragen sehen wir uns zur Zusammenberufung eines Bürgerwehr-Congresses veranlaßt. Wir laden daher alle Bürgerwehren Preußens zu einem solchen auf den 27. Novembers dieses Jahres und die folgenden Tage nach Berlin hierdurch ein.

Was den Vertretungsmodus angeht, schlagen wir vor, daß jede selbstständige Bürgerwehr einen Deputirten schicke, die Bürgerwehr größerer Städte aber auf je 1000 Mann einen Vertreter erwähle. Wünschenswerth wäre hierbei, daß die Deputirten wirklich Mitglieder der betreffenden, jedenfalls aber Mitglieder der Bürgerwehr überhaupt sind, damit der Kongreß sich nicht in theoretischen Erörterungen verliert, sondern seine Beschlüsse überall von einer praktischen Erfahrung geleitet werden.

Es wird bemerkt, daß die Bürgerwehr Berlins in keinem Falle stärker vertreten wird, als nach dem oben angedeuteten Maßstabe.

Die Anmeldungen zum Kongreß erbitten die Unterzeichneten unter der Adresse des Kommandos der Berliner Bürgerwehr - portofrei - recht bald, spätestens bis zum 17. Nov d. J.

Die Kosten des Kongresses werden dadurch aufgebracht, daß jeder Deputirte einen Beitrag von 2 Thlr. zahlt; über den etwaigen Ueberschuß wird der Kongreß bestimmen.

Berlin, den 26. Oktober 1848.

Die zum provisorischen Comite zusammengetretenen Bürgerwehrmänner.

Rimpler, zeitiger Kommandeu der Berliner Bürgerwehr. Franz Dunker. Eschwe. A. Glaue. Herford. H. Runge, Mitglied des Stabes. Braun, Wehrmann. Julius Friedländer, Wehrmann. Gehrke, Wehrmann. Hehlen, Major. Krug, Mitglied der Schützengilde. Simion, Zugführer. E. Todt, zeitiger Kommandeur des bewaffneten Künstlerkorps. Werner aus Wettin, Rottenführer.

!!! Wien, 4. Nov., Nachmittag.

Hier folgt ein Beitrag zur Geschichte der Humanität des 19. Jahrhunderts; eine kleine, schwache Scene aus dem Entree des Städtebezwingers Windischgrätz - des Schlächtermeisters Seiner Majestät Ferdinand des Gütigen. (Der Brief ist aus verbürgter Quelle und von einem Gemäßigten.) "Die Art und Weise, wie das Militär seinen Sieg benutzt hat, empört jede menschliche Brust. Anstatt die Bewaffneten, welche nicht mehr im Widerstande betroffen wurden, den Regeln des Standrechts gemäß fest zu nehmen und dem Kriegsgericht zu überliefern, hat man jeden einzelnen erbarmungslos niedergemacht, und dies ist nicht etwa von den Gemeinen allein, ohne besonderes Geheiß ihrer Oberen geschehen, nein, Offiziere rühmen sich jetzt öffentlich der Befehle, die sie dazu gegeben haben. Ein Offizier der Nationalgarde, der von dem Militär überrumpelt wurde, und nicht mehr entfliehen konnte, warf Angesichts desselben noch in einiger Entfernung den Degen fort und bat laut um Pardon. Aber auch dieser wurde fusiilirt. Des Abends auf der Straße hat man wehrlose Leute niedergeschossen, welche auf den Ruf: Wer da! der Schildwache nicht gleich stehen blieben, sondern vor Entsetzen die Flucht ergriffen. Einen Fall dieser Art habe ich selbst mit angesehen in der Leopoldstadt, wo zwei Menschen von zwei Kugeln durchbohrt todt niedersanken. Das kaiserl. Militär hat jedoch nicht allein gemetzelt, es hat auch geraubt und geplündert, und zwar wie es scheint, in ganz legaler Form, ohne daß es von den Vorgesetzten daran gehindert worden wäre. Anfangs wollte ich den darauf bezüglichen Gerüchken keinen Glauben schenken; nachdem ich es aber selbst mit angesehen habe, wie Grenadiere, welche auf dem Hofe des Gasthofs, in welchem ich logiere, kampirten, aus ihren Brodbeuteln Sachen, wie Uhren, Lorgnetten, Damenschleier, feine Wäsche u. s. w. hervorlangten, trat die nackte Wahrheit in ihrer fürchterlichen Gestalt vor mich hin. Von den Kroaten will ich erst gar nicht reden, denn wer diese sieht, wird bald nach ihrem Anblick unbedingt an solche Exzesse glauben. Sie sehen in Breslau öfter auf den Straßen die Topstricker aus den Karpathen. Denken Sie sich nun 250 solcher Kerle zusammen, jeder mit einer Muskete bewaffnet und auf dem Rücken einen leinenen Sack zum Stehlen als Tornister - so haben sie eine Kompagnie Kroaten, und zwar solche Kroaten, wie sie der Stadt Wien Windischgrätz (Gott sei bei uns!) massenweise auf den Hals geschickt hat!

Wien, 5. Nov.

Die "Wiener Zeitung" bringt heute folgende Proklamationen:

Proklamation.

Die von Sr. Durchlaucht dem k. k. Herrn Feldmarschall Fürsten zu Windischgrätz für die Dauer des Belagerungszustandes unter meiner obersten Leitung niedergesetzte Central-Kommission hat am 2. d. M. ihre Funktionen begonnen. Die Aufrechthaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit in dieser während einer längeren Zeit durch Anarchie erschütterten Hauptstadt, hat die Nothwendigkeit geboten, für den freien Verkehr zwischen der Stadt und ihren Vorstädten einige strenge Maßregeln zu ergreifen, wobei ich nur bedauere, daß jene Maßregeln auch jene Gutgesinnten treffen, welche an dem so sehr erschütterten öffentlichen Rechtszustande keinen Antheil genommen

Das Mögliche wäre also doch wieder unmöglich? Der definitive und wirkliche Ernst wäre also doch wieder nur definitiver und wirklicher Spaß? Wir staunen über die Redekunststücke der Reform. Peter Simpel, der noch eben der festen Meinung war, seine eigne Nase abbeißen zu können, er sieht schließlich doch wieder ein, daß es schief darum steht, er giebt den Gedanken auf, er versöhnt sich wieder mit seiner Nase und wir versöhnen uns wieder mit Peter Simpel; Peter ist ein charmanter Mann. Doch lesen wir weiter.

„Ein ernstliches und definitives Ministerium Brandenburg wäre nichts Geringeres, als der Bruch der Krone mit der Nationalversammlung.“ ‒ Nichts ist verständlicher, nichts ist deutlicher. Aber die Reform erschrickt ordentlich darüber, daß sie so deutlich gewesen ist, und ehe wir's uns versehen, fährt sie fort: „Ist also (mon dieu!) der Bruch vorhanden? (Heiliger Simpel!) Ist der Krieg erklärt? (Heiliger Peter Simpel!) Nein! er ist dennoch (trotz des also) nicht erklärt. ‒“ Wir halten inne, die Geduld reißt uns, nein, das ist zu stark, das geht über die Bäume! ‒ Zuerst sagte Simpel: Ich weiß etwas, ich weiß beinah' etwas, nein, ich weiß doch nichts! Dann fuhr er fort: Der definitive und wirkliche Ernst ist möglich, er ist beinah' möglich, nein er ist doch nicht möglich! Und jetzt vollendet er und meint: Der Bruch ist da, er ist beinah' da, nein, er ist doch nicht da!

Aber die Reform ist noch lange nicht fertig. Die Reform ist unerschöpflich. „Nein, der Krieg ist dennoch nicht erklärt“ ‒ sagt die Reform ‒ „oder alle Zeichen müßten trügen. Schon darum glauben wir es nicht, weil es Niemand glaubt!“ ‒ Alle Weisheit des Kartenschlägers, der Hebamme und Peter Simpel's schwinden vor der Jedermann's Meinung. Der große Mann, der die Ereignisse durchschaut, er ist von der letzten Stufe seines Thrones hinabgepurzelt und in den Koth der allgemeinen Meinung gefallen, wo er mit den Gläubigen glaubt und mit den Zweifelnden zweifelt; mit einem Worte, Peter ist endlich an seinem Platze ‒ leider, an einem sehr untergeordneten.

Die Reform schließt jetzt die 34 Zeilen lange Passage, in der wir nicht mehr als 17 Stylfehler, Simpeleien und Widersprüche entdeckten, mit der glorreichen Phrase: „So (!) wäre also (!!) das Ministerium Brandenburg nur eine Ephemere; es wäre nicht ernstlich damit gemeint. In diesem Falle muß ein Ministerium aus der Versammlung hervorgehen, und wir hören, daß an ein Ministerium Kirchmann-Rodbertus gedacht wird.“

Nach der Reform verhält sich also der König der Nationalversammlung gegenüber rein scherzhaft. Der König hat vollkommenes Recht hiezu. Größeres Recht haben wir aber no ch, uns der Reform gegenüber scherzhaft zu verhalten, und wir gestehen daher der Reform, daß es wirklich sehr scherzhaft mit seinen Lesern umgehen heißt, wenn man sie erst mit den mystischsten „Durschauungen“ ködert, um sie hinterher mit den konfusesten Trivialitäten im Stich zu lassen.

Die Reform ergeht sich nun noch in nicht weniger unglücklichen Wendungen als bisher, über die möglichen Chancen eines möglichen Ministeriums Kirchmann-Rodbertus. Wir verschonen unsre Leser und uns selbst mit diesen Tiraden, wir können aber nicht der Versuchung widerstehen, wenigstens noch das anzuführen, was die Reform mit Hintenansetzung des genannten Ministeriums als ihr Heilmittel anzuempfehlen wagt. „Dessau müßte man sich zum Muster nehmen!“ ruft die Reform aus. „In dieser (!) Form (!) (in dieser Form Dessau) ist eine Versöhnung des Alten und des Neuen, die man eine ehrliche nennen kann. (Ehrlicher Simpel!) Nehmt sie an, wählt ein Ministerium der äußersten, (Peter Simpel als äußerster Ministerpräsident!) das heißt der konsequenten Demokratie: und ihr habt eine glorreiche Genesung von dem innern Fieber und von der äußern Ohnmacht. Ihr gründet das neue Deutschland und hony soit, qui mal y pense! Doch wir verirren uns. ‒ ‒ “

Allerdings! ‒ Peter Simpel den Hosenband-Orden für diese Verirrung!

Lang' lebe die Reform, das Organ der demokratischen Partei in Berlin, und lang' lebe Peter Simpel, ihr Ereigniß durchschauender Denker! Welch' eine Partei und welch' ein Denker! Es giebt nur eine Reform, und Peter Simpel ist ihr Prophet.

Er ist heruntergesimpelt

Und weiß doch selber nicht wie

Es ist sonderbar, wie große Männer so verschieden beurtheilt werden. Während die Kölnische Zeitung neulich von Lob über das Lustspiel, „die Sündenböcke“, von R. Benedir, überfloß, bringt die Neue Preußische Zeitung folgende Notiz:

„Ein gestern Abend im Schauspielhause zum ersten Mal aufgeführtes neues Lustspiel von Rodrich Benedir: „Die Sündenböcke“, hat total Fiasco gemacht. Dasselbe ist auch in der That ein so fades Machwerk, daß wir kaum begreifen, wie dasselbe von der Königlichen Bühne hat zur Aufführung gebracht werden können. Das Publikum wurde so ungeduldig, daß einer der Darstellenden, Herr Döring, vortrat und anfragte, ob weiter gespielt werden solle, ‒ es sei ohnehin bald zu Ende. Das Publikum gab nach einiger Opposition dies zu, rief am Schlusse sämmtliche Darsteller als Zeichen, daß das Mißfallen nicht ihnen gegolten, und trommelte dann das Stück aus, indem es sich jede Wiederholung verbat.“

Ihr armen Sündenböcke!

[Deutschland]

[Fortsetzung] Diese Schaar gehörte zu einem ungarischen Husarenregimente (Palatinat-Husaren im Saatzer Kreise), welches Befehl erhalten, gegen Wien zu marschiren. Das Regiment war offen und mannhaft genug, sofort die Erklärung abzugeben, daß es ebensowenig gegen seine Wiener, als gegen seine ungarischen Brüder marschiren werde. Es sollte daher mit Gewalt dazu gezwungen werden, zog sich zurück durch Böhmen, wurde von östreichischen Kürassieren verfolgt und bei Trautenau zersprengt. Einzelne Theile haben sich hierhin und dorthin gerettet, von denen eine Schaar, wie gesagt, am 30. October bei Liebau die preußische Gränze übetrat. Dort wurde ihr von dem Landrathe des Landeshuter Kreises die Wahl gelassen, entweder sogleich wieder über die Gränze zurückzugehen, oder sich entwaffnen zu lassen. Wir Bewohner dieser Gebirgsgegend und namentlich des Waldenburger Kreises, können in dieser Schaar nichts anderes sehen, als Männer, die es ehrlich meinen mit der allgemeinen Sache des deutschen Volkes und in Betracht, daß die alten Gränzen innerhalb Deutschlands, welches fortan ein einiges sein soll, in der alten Weise nicht mehr festgehalten werden dürfen, bitten wir:

Eine hohe Nationalversammlung wolle diese Angelegenheit zur Berathung ziehen und dafür sorgen, daß jene ehrenwerthe Schaar, welche für die deutsche, nicht für die slavische Sache die Waffen führen will, nicht an die k. k. Militärbehörde ausgeliefert, ihr im Gegentheil die abgenommenen Waffen wieder zurückgegeben und ihre Heimkehr in ihr Vaterland besorgt und beschützt werde.“

Waldenburg den 1. Nov. 1848.

Im Namen des Kreises, die beauftragten Vertrauensmänner.

Ein Schreiben aus Friedland, Kreis Waldenburg, d. d. 31. October, schildert die Sympathie des Volkes für jene Ungarn. Es lautet:

„Ein ungarisches Regiment Husaren trennte sich vom Armeekorps des Fürsten Windischgrätz, um sich in das Vaterland durchzuschlagen; einem Theile desselben soll dies gelungen sein. Von den Versprengten ist eine Truppe von 56 Mann mit Pferden, Waffen und Gepäck heute Nachmittag 3 1/2 Uhr hier angelangt; die Bürger haben sie mit Freuden aufgenommen und diesen unglücklichen Leuten, welche mit ihren Pferden sehr erschöpft waren, gern Quartier und Beköstigung bis zu ihrer Erholung gewährt. ‒ Die Unglücklichen sind aber besorgt, daß von diesseitigen Behörden oder Militärpersonen ihrem Rückmarsch nach Ungarn auf preußischem Boden wird Hinderniß in den Weg gelegt worden, oder daß sie gar gefangen, entwaffnet und an die kaiserlich-östreichischen Kommando's ausgeliefert werden möchten; der schimpfliche Tod wäre dann unvermeidlich. Vor solchem Unglücke, glaube ich, kann sie nur unsere Nationalversammlung bewahren.

Ew. etc. ersuche ich daher recht dringend dahin wirken zu wollen, daß den versprengten ungarischen Husaren kein Hinderniß auf ihrem Rückmarsche in's Vaterland gelegt, noch weniger, daß dieselben an ihre, wie unsere Feinde ausgeliefert werden.

Wenn dieses Schreiben, in heutiger Nacht gegen 12 Uhr abgefaßt, auch von meinen Herren Kollegen nicht mitvollzogen ist, so kann ich auf Ehre versichern, daß sich hier kein Einziger befindet, welcher meinem Antrage entgegen ist, denn die Sympathie für unsere Gäste war allgemein; Jeder wollte gern einen Mann in's Quartier haben, und Alle wünschen die Soldaten gerettet zu sehen.“

(gez.) Haupt, Bürgermeister.

An den Abgeordneten der Nationalversammlung in Berlin,

Behnsch.

Der Abg. Lisiecki stellt folgende dringende Interpellation an den Kriegsminister:

„Ob es gegründet ist, daß in den letzten Tagen des Monats October d. J. in Folge reaktionärer Bestrebungen der Kamarilla zu Ballenstädt und auf Grund des von derselben ausgegangenen Ansinnens, der Kommandeur einer preußischen, in Quedlinburg stationirten Kürassier-Eskadron seine Mannschaft in den Ställen konsignirt hatte, um nöthigenfalls zur Stillung eines im Lande Bernburg befürchteten Aufruhrs herbeizueilen?“

Der Abg. Gräff (Trier) hat folgenden Zusatz zum Artikel 5 der Verfassung gestellt:

„Jede gesetzwidrige Verhaftung verpflichtet den Staat und die betreffenden Beamten zur vollständigen Entschädigung des Verhafteten. Auch bei einer gesetzmäßigen Verhaftung, worauf keine Verurtheilung erfolgt, muß dem Verhafteten eine angemessene Entschädigung, jedoch nur vom Staate, geleistet werden. Das Nähere wird durch ein besonderes Gesetz bestimmt.“

Motive: Diese Bestimmung, welche im Wesentlichen in der neuen Verfassungs-Urkunde für das Herzogthum Anhalt-Dessau § 13 enthalten ist, rechtfertigt sich durch den civilrechtlichen Satz, daß ein Jeder, welcher einem Andern durch Vorsatz, aus Versehen oder Irrthum einen Schaden zufügt, demselben dafür die gebührende Genugthuung leisten muß. Die Entschädigung ist höher oder niedriger, je nachdem die Verletzung auf Vorsatz beruht, oder aus Versehen oder Irrthum hervorgegangen ist. Ein solches Versehen oder ein solcher Irrthum ist auch dann als vorhanden anzunehmen, wenn zwar die provisorische Haft nach den Gesetzen zulässig war, dennoch aber der Verhaftete freigesprochen oder vorläufig außer Verfolgung gesetzt wird. Dem Beschuldigten muß wegen der Verhaftung in dergleichen Fällen eine billige Entschädigung zu Theil werden; denn er kann nicht die Schuld des ihm widerfahrenen Unrechts tragen, wenn auch die Umstände anscheinend gegen ihn waren. Eine solche Bestimmung bewirkt übrigens die richtigere und mildere Auslegung der immerhin unbestimmten Gesetze, durch welche die provisorische Haft zugelassen ist oder zugelassen werden kann.

103 Berlin, 7. Novbr.

Die ganze Stadt ist in der größten Aufregung. ‒ Seit gestern Abend ist es durch verschiedene gutunterrichtete Quellen bekannt gnworden, daß das neue Ministerium gebildet und der Graf Brandenburg, v. Schleinitz und v. Mannteuffel die Hauptstützen desselben seien. Wenn nun diese Namen schon beurtheilen lassen, wes Geistes Kind das neue Ministerium sein wird, so erzählt man sich zum Ueberfluß noch, daß die neuen Minister morgen in der Nationalversammlung erscheinen und eine Königl. Botschaft mitbringen werden, wodurch die Versammlung, in Erwägung, daß dieselbe in Berlin unter dem Terrorismus der Bevölkerung stehe und nicht mehr frei berathen könne, welches unzweifelhaft aus ihren in den letzten Wochen gefaßten Beschlüssen hervorgehe, welchen der König seine Sanktion unter solchen Umständen nicht ertheilen könne, ‒ auf vierzehn Tage vertagt und alsdann in Brandenburg (oder Schwedt a. O. wie eine andere Version sagt) zur baldigen Beendigung der Berathung der Verfassungs-Urkunde wieder zusammenkommen solle. ‒

Diese Nachrichten haben weniger die Linke, als das Centrum und besonders die Rechte überrascht. Die Rechte sieht nun wohl ein, daß es sich nicht mehr um Aufrechthaltung des wahrhaften Constitutionalismus (wie sie es sich bis heute einredete), sondern um Zurückführung des alten Absolutismus unter dem Schein einer Constitution handelt.

Man erzählt, daß, im Fall sich die Nationalversammlung, wie vorauszusehen, den Forderungen des neuen Ministeriums nicht fügen, sich vielmehr für permanent erklären werde, die Versammlung durch Waffengewalt auseinandergesprengt werden soll. ‒ Zu diesem Zwecke erwartet man, daß heute und morgen die Garderegimenter, die bisher in Potsdam, Brandenburg und deren Umgegend in Garnison lagen, hier einrücken. Das 24. und 12. Regiment, welche einen großen Theil demokratisch gesinnter Soldaten enthalten, rückten gestern und heute aus der Stadt, um den Garden Platz zu machen. Alle Kasernen werden aufs vollständigste verproviantirt, den Offizieren ist aufgegeben worden, ihre Privatwohnungen zu verlassen und in die Kasernen zu ziehen. ‒ Alle diese Thatsachen haben die größte Aufregung in der ganzen Stadt hervorgebracht und Jeder sieht dem morgenden Tage mit der außerordentlichsten Spannung entgegen.

14 Berlin, 7. Nov.

Das Neueste, was ich Ihnen mittheilen kann, ist Folgendes: Ein Exminister hat zu einem Deputirten der Aeußersten geäußert: Se. Maj. werde bald seine Residenz nach Berlin verlegen und zwar inmitten seiner Garden. Ferner berathe man: ob die Nationalversammlung ganz aufgelöst oder blos aus der Hauptstadt verlegt werden solle. Auch denke man nicht im Allerentferntesten daran, weder die Gottes Gnade, noch den Adel, noch die Orden abzuschaffen. Im Gegentheil wolle man sich diese Süßigkeiten erst recht schmecken lassen.

Eine zweite Neuigkeiten ist, daß gestern Nacht mehr als ein Dutzend Wagen mit Munition durch verschiedene Thore der Stadt einfuhren, und heute Morgen jrder Soldat 150 Patronen erhielt. Combiniren Sie selbst über die Bedeutung dieser Pulververstärkung.

Im Uebrigen ist es mäuschenstill hier, als ob sich alle fremden und hiesigen Demokraten in ihre Löcher verkrochen hätten. Freilich schwebt das blutige Schwert des Windischgrätz über unsern Häuptern, und der Hunger wüthet in den Eingeweiden der Proletarier.

* Berlin, 8. November.

Die „Neue Preußische Ztg.“, deren sinnreiche Einfälle wir von Zeit zu Zeit unsern Lesern zu Gute kommen lassen, schlägt vor, das zu erwartende neue Ministerium „das Ministerium der thierischen Soldateska“ zu taufen. Du ahndungsvoller Engel Du!

Namen gefunden ist alles gefunden, weil

Jede Krankheit, um sie kuriren zu können,

Zunächst benamset werden muß.

Berlin.

Einladung zu einem Kongreß der Bürgerwehr Preußens in Berlin, am 27. Nov. 1848.

Der Wunsch, eine gemeinsame Verständigung der gesammten Bürgerwehr des preußischen Staates durch erwählte Vertreter derselben herbeizuführen, erscheint in mehr als einer Hinsicht gerechtfertigt.

1. Das so eben erlassene Bürgerwehrgesetz erheischt eine Berathung sachverständiger Männer, um die Frage zu enscheiden:

ist die vielseitige Mißstimmung gegen das Gesetz gerechtfertigt, welche Punke erregen diese besonders und wie sind diese im Wege der Gesetzgebung abzuändern?

Der in solcher Weise besonnen aber entschieden ausgesprochene Wille der Gesammt-Bürgerwehr wird sicherlich die ihm gebührende Anerkennung vor der National-Versammlung finden.

2. Stehen die Bürgerwehren der einzelnen Gemeinden nach der bisherigen Organisation, so wie nach dem Bürgerwehrgesetz völlig isolirt da, so bietet sich von selbst die Frage:

ist es nicht dringend wünschenswerth, daß alle diese Kräfte für den Augenblick der Gefahr, die unserm Vaterlande drohen kann, sich als ein innig verbundenes Ganze fühlen, das nach einem Ziele und nach einem Plane handelt?

Soll aber ein solches einiges Handeln im Augenblicke der Gefahr eintreten, so scheint es nothwendig, dasselbe in ruhigeren Zeiten vorzubereiten durch eine gemeinschaftliche Organisation der Gesammt-Bürgerwehr des Vaterlandes, wie ja diese in den Nationalgarden anderer Länder besteht. Es kommt also darauf an, die Grundzüge einer solchen Organisation in gemeinsamer Berathung zu entwerfen, um so ihre gesetzliche Einführung vorzubereiten. Hier wird unter Anderem auch das Dienstreglement in seinen Hauptbestimmungen zu besprechen sein, damit dies ein möglichst gleichmäßiges durch das ganze Land werde. Denn nur dann kann die Bürgerwehr mit Aussicht auf Erfolg gemeinschaftlich wirken, wenn sie ein aus gleichartig gebildeten und gleichmäßig eingeübten Theilen bestehendes Ganze bildet.

3. Endlich ist von dem Verhältniß der Bürgerwehr zum stehenden Heere und der Landwehr bisher noch nirgend Etwas festgesetzt. Das Bürgerwehrgesetz läßt das Verhältniß ganz unberührt. Die Bürgerwehr darf aber wohl nicht völlig isolirt dastehen, sie muß in irgend einer Weise einen Theil der gesammten Heeresmasse ausmachen.

Nur wenn die Bürgerwehr eingefügt wird in den allgemeinen Organismus der bewaffneten Macht, wenn die verschiedenen Theile der letztern einander befreundet und ergänzend sich gegenüberstehen, kann die Bürgerwehr sich gedeihlich entwickeln, auch in politisch weniger aufgeregten Zeiten ‒ wo die Nothwendigkeit ihres Bestehens sonst vielleicht in den Hintergrund gedrängt würde ‒ lebenskräftig sich erhalten und so sich in der That bald zu einer allgemeinen und wahrhaften ‒ Volkswehr ‒ einem unerschütterlichen Schutze der Freiheit und des Wohlstandes gegen innere wie äußere Feinde erheben.

In dem Vorstehenden dürfte ein genügender und allgemein wichtiger Stoff für einen Bürgerwehr-Congreß sich darbieten, und durch die erscheinenden Deputirten gewiß noch ansehnlich vermehrt werden.

Durchdrungen von der Wichtigkeit der hier angeregten Fragen sehen wir uns zur Zusammenberufung eines Bürgerwehr-Congresses veranlaßt. Wir laden daher alle Bürgerwehren Preußens zu einem solchen auf den 27. Novembers dieses Jahres und die folgenden Tage nach Berlin hierdurch ein.

Was den Vertretungsmodus angeht, schlagen wir vor, daß jede selbstständige Bürgerwehr einen Deputirten schicke, die Bürgerwehr größerer Städte aber auf je 1000 Mann einen Vertreter erwähle. Wünschenswerth wäre hierbei, daß die Deputirten wirklich Mitglieder der betreffenden, jedenfalls aber Mitglieder der Bürgerwehr überhaupt sind, damit der Kongreß sich nicht in theoretischen Erörterungen verliert, sondern seine Beschlüsse überall von einer praktischen Erfahrung geleitet werden.

Es wird bemerkt, daß die Bürgerwehr Berlins in keinem Falle stärker vertreten wird, als nach dem oben angedeuteten Maßstabe.

Die Anmeldungen zum Kongreß erbitten die Unterzeichneten unter der Adresse des Kommandos der Berliner Bürgerwehr ‒ portofrei ‒ recht bald, spätestens bis zum 17. Nov d. J.

Die Kosten des Kongresses werden dadurch aufgebracht, daß jeder Deputirte einen Beitrag von 2 Thlr. zahlt; über den etwaigen Ueberschuß wird der Kongreß bestimmen.

Berlin, den 26. Oktober 1848.

Die zum provisorischen Comite zusammengetretenen Bürgerwehrmänner.

Rimpler, zeitiger Kommandeu der Berliner Bürgerwehr. Franz Dunker. Eschwe. A. Glaue. Herford. H. Runge, Mitglied des Stabes. Braun, Wehrmann. Julius Friedländer, Wehrmann. Gehrke, Wehrmann. Hehlen, Major. Krug, Mitglied der Schützengilde. Simion, Zugführer. E. Todt, zeitiger Kommandeur des bewaffneten Künstlerkorps. Werner aus Wettin, Rottenführer.

!!! Wien, 4. Nov., Nachmittag.

Hier folgt ein Beitrag zur Geschichte der Humanität des 19. Jahrhunderts; eine kleine, schwache Scene aus dem Entrée des Städtebezwingers Windischgrätz ‒ des Schlächtermeisters Seiner Majestät Ferdinand des Gütigen. (Der Brief ist aus verbürgter Quelle und von einem Gemäßigten.) „Die Art und Weise, wie das Militär seinen Sieg benutzt hat, empört jede menschliche Brust. Anstatt die Bewaffneten, welche nicht mehr im Widerstande betroffen wurden, den Regeln des Standrechts gemäß fest zu nehmen und dem Kriegsgericht zu überliefern, hat man jeden einzelnen erbarmungslos niedergemacht, und dies ist nicht etwa von den Gemeinen allein, ohne besonderes Geheiß ihrer Oberen geschehen, nein, Offiziere rühmen sich jetzt öffentlich der Befehle, die sie dazu gegeben haben. Ein Offizier der Nationalgarde, der von dem Militär überrumpelt wurde, und nicht mehr entfliehen konnte, warf Angesichts desselben noch in einiger Entfernung den Degen fort und bat laut um Pardon. Aber auch dieser wurde fusiilirt. Des Abends auf der Straße hat man wehrlose Leute niedergeschossen, welche auf den Ruf: Wer da! der Schildwache nicht gleich stehen blieben, sondern vor Entsetzen die Flucht ergriffen. Einen Fall dieser Art habe ich selbst mit angesehen in der Leopoldstadt, wo zwei Menschen von zwei Kugeln durchbohrt todt niedersanken. Das kaiserl. Militär hat jedoch nicht allein gemetzelt, es hat auch geraubt und geplündert, und zwar wie es scheint, in ganz legaler Form, ohne daß es von den Vorgesetzten daran gehindert worden wäre. Anfangs wollte ich den darauf bezüglichen Gerüchken keinen Glauben schenken; nachdem ich es aber selbst mit angesehen habe, wie Grenadiere, welche auf dem Hofe des Gasthofs, in welchem ich logiere, kampirten, aus ihren Brodbeuteln Sachen, wie Uhren, Lorgnetten, Damenschleier, feine Wäsche u. s. w. hervorlangten, trat die nackte Wahrheit in ihrer fürchterlichen Gestalt vor mich hin. Von den Kroaten will ich erst gar nicht reden, denn wer diese sieht, wird bald nach ihrem Anblick unbedingt an solche Exzesse glauben. Sie sehen in Breslau öfter auf den Straßen die Topstricker aus den Karpathen. Denken Sie sich nun 250 solcher Kerle zusammen, jeder mit einer Muskete bewaffnet und auf dem Rücken einen leinenen Sack zum Stehlen als Tornister ‒ so haben sie eine Kompagnie Kroaten, und zwar solche Kroaten, wie sie der Stadt Wien Windischgrätz (Gott sei bei uns!) massenweise auf den Hals geschickt hat!

Wien, 5. Nov.

Die „Wiener Zeitung“ bringt heute folgende Proklamationen:

Proklamation.

Die von Sr. Durchlaucht dem k. k. Herrn Feldmarschall Fürsten zu Windischgrätz für die Dauer des Belagerungszustandes unter meiner obersten Leitung niedergesetzte Central-Kommission hat am 2. d. M. ihre Funktionen begonnen. Die Aufrechthaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit in dieser während einer längeren Zeit durch Anarchie erschütterten Hauptstadt, hat die Nothwendigkeit geboten, für den freien Verkehr zwischen der Stadt und ihren Vorstädten einige strenge Maßregeln zu ergreifen, wobei ich nur bedauere, daß jene Maßregeln auch jene Gutgesinnten treffen, welche an dem so sehr erschütterten öffentlichen Rechtszustande keinen Antheil genommen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar139_004" type="jArticle">
          <pb facs="#f0002" n="0708"/>
          <p>Das Mögliche wäre also doch wieder unmöglich? Der definitive und wirkliche Ernst wäre also doch wieder nur definitiver und wirklicher Spaß? Wir staunen über die Redekunststücke der Reform. Peter Simpel, der noch eben der festen Meinung war, seine eigne Nase abbeißen zu können, er sieht schließlich doch wieder ein, daß es schief darum steht, er giebt den Gedanken auf, er versöhnt sich wieder mit seiner Nase und wir versöhnen uns wieder mit Peter Simpel; Peter ist ein charmanter Mann. Doch lesen wir weiter.</p>
          <p>&#x201E;Ein ernstliches und definitives Ministerium Brandenburg wäre nichts Geringeres, als der Bruch der Krone mit der Nationalversammlung.&#x201C; &#x2012; Nichts ist verständlicher, nichts ist deutlicher. Aber die Reform erschrickt ordentlich darüber, daß sie so deutlich gewesen ist, und ehe wir's uns versehen, fährt sie fort: &#x201E;Ist <hi rendition="#g">also</hi> (mon dieu!) der Bruch vorhanden? (Heiliger Simpel!) Ist der Krieg erklärt? (Heiliger Peter Simpel!) Nein! er ist <hi rendition="#g">dennoch</hi> (trotz des also) nicht erklärt. &#x2012;&#x201C; Wir halten inne, die Geduld reißt uns, nein, das ist zu stark, das geht über die Bäume! &#x2012; Zuerst sagte Simpel: Ich weiß etwas, ich weiß beinah' etwas, nein, ich weiß doch nichts! Dann fuhr er fort: Der definitive und wirkliche Ernst ist möglich, er ist beinah' möglich, nein er ist doch nicht möglich! Und jetzt vollendet er und meint: Der Bruch ist da, er ist beinah' da, nein, er ist doch nicht da!</p>
          <p>Aber die Reform ist noch lange nicht fertig. Die Reform ist unerschöpflich. &#x201E;Nein, der Krieg ist dennoch nicht erklärt&#x201C; &#x2012; sagt die Reform &#x2012; &#x201E;oder alle Zeichen müßten trügen. <hi rendition="#g">Schon darum glauben wir es nicht, weil es Niemand glaubt!</hi>&#x201C; &#x2012; Alle Weisheit des Kartenschlägers, der Hebamme und Peter Simpel's schwinden vor der Jedermann's Meinung. Der große Mann, der die Ereignisse durchschaut, er ist von der letzten Stufe seines Thrones hinabgepurzelt und in den Koth der allgemeinen Meinung gefallen, wo er mit den Gläubigen glaubt und mit den Zweifelnden zweifelt; mit einem Worte, Peter ist endlich an seinem Platze &#x2012; leider, an einem sehr untergeordneten.</p>
          <p>Die Reform schließt jetzt die 34 Zeilen lange Passage, in der wir nicht mehr als 17 Stylfehler, Simpeleien und Widersprüche entdeckten, mit der glorreichen Phrase: &#x201E;So (!) wäre <hi rendition="#g">also</hi> (!!) das Ministerium Brandenburg nur eine Ephemere; es wäre nicht ernstlich damit gemeint. <hi rendition="#g">In diesem Falle</hi> muß ein Ministerium aus der Versammlung hervorgehen, und wir hören, daß an ein Ministerium Kirchmann-Rodbertus gedacht wird.&#x201C;</p>
          <p>Nach der Reform verhält sich also der König der Nationalversammlung gegenüber rein scherzhaft. Der König hat vollkommenes Recht hiezu. Größeres Recht haben wir aber no ch, uns der Reform gegenüber scherzhaft zu verhalten, und wir gestehen daher der Reform, daß es wirklich sehr scherzhaft mit seinen Lesern umgehen heißt, wenn man sie erst mit den mystischsten &#x201E;Durschauungen&#x201C; ködert, um sie hinterher mit den konfusesten Trivialitäten im Stich zu lassen.</p>
          <p>Die Reform ergeht sich nun noch in nicht weniger unglücklichen Wendungen als bisher, über die möglichen Chancen eines möglichen Ministeriums Kirchmann-Rodbertus. Wir verschonen unsre Leser und uns selbst mit diesen Tiraden, wir können aber nicht der Versuchung widerstehen, wenigstens noch das anzuführen, was die Reform mit Hintenansetzung des genannten Ministeriums als <hi rendition="#g">ihr</hi> Heilmittel anzuempfehlen wagt. &#x201E;Dessau müßte man sich zum Muster nehmen!&#x201C; ruft die Reform aus. &#x201E;In dieser (!) Form (!) (in dieser Form Dessau) ist eine Versöhnung des Alten und des Neuen, die man eine ehrliche nennen kann. (Ehrlicher Simpel!) Nehmt sie an, wählt ein Ministerium der äußersten, (Peter Simpel als äußerster Ministerpräsident!) das heißt der konsequenten Demokratie: und ihr habt eine glorreiche Genesung von dem innern Fieber und von der äußern Ohnmacht. Ihr gründet das <hi rendition="#g">neue Deutschland</hi> und hony soit, qui mal y pense! Doch wir verirren uns. &#x2012; &#x2012; &#x201C;</p>
          <p>Allerdings! &#x2012; Peter Simpel den Hosenband-Orden für diese Verirrung!</p>
          <p>Lang' lebe die Reform, das Organ der demokratischen Partei in Berlin, und lang' lebe Peter Simpel, ihr Ereigniß durchschauender Denker! Welch' eine Partei und welch' ein Denker! Es giebt nur eine Reform, und Peter Simpel ist ihr Prophet.</p>
          <p>Er ist heruntergesimpelt</p>
          <p>Und weiß doch selber nicht wie</p>
          <p>Es ist sonderbar, wie große Männer so verschieden beurtheilt werden. Während die Kölnische Zeitung neulich von Lob über das Lustspiel, &#x201E;die Sündenböcke&#x201C;, von R. Benedir, überfloß, bringt die Neue Preußische Zeitung folgende Notiz:</p>
          <p>&#x201E;Ein gestern Abend im Schauspielhause zum ersten Mal aufgeführtes neues Lustspiel von Rodrich Benedir: &#x201E;Die Sündenböcke&#x201C;, hat total Fiasco gemacht. Dasselbe ist auch in der That ein so fades Machwerk, daß wir kaum begreifen, wie dasselbe von der Königlichen Bühne hat zur Aufführung gebracht werden können. Das Publikum wurde so ungeduldig, daß einer der Darstellenden, Herr Döring, vortrat und anfragte, ob weiter gespielt werden solle, &#x2012; es sei ohnehin bald zu Ende. Das Publikum gab nach einiger Opposition dies zu, rief am Schlusse sämmtliche Darsteller als Zeichen, daß das Mißfallen nicht ihnen gegolten, und trommelte dann das Stück aus, indem es sich jede Wiederholung verbat.&#x201C;</p>
          <p>Ihr armen Sündenböcke!</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>[Deutschland]</head>
        <div xml:id="ar139_005" type="jArticle">
          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> Diese Schaar gehörte zu einem ungarischen Husarenregimente (Palatinat-Husaren im Saatzer Kreise), welches Befehl erhalten, gegen Wien zu marschiren. Das Regiment war offen und mannhaft genug, sofort die Erklärung abzugeben, daß es ebensowenig gegen seine Wiener, als gegen seine ungarischen Brüder marschiren werde. Es sollte daher mit Gewalt dazu gezwungen werden, zog sich zurück durch Böhmen, wurde von östreichischen Kürassieren verfolgt und bei Trautenau zersprengt. Einzelne Theile haben sich hierhin und dorthin gerettet, von denen eine Schaar, wie gesagt, am 30. October bei Liebau die preußische Gränze übetrat. Dort wurde ihr von dem Landrathe des Landeshuter Kreises die Wahl gelassen, entweder sogleich wieder über die Gränze zurückzugehen, oder sich entwaffnen zu lassen. Wir Bewohner dieser Gebirgsgegend und namentlich des Waldenburger Kreises, können in dieser Schaar nichts anderes sehen, als Männer, die es ehrlich meinen mit der allgemeinen Sache des deutschen Volkes und in Betracht, daß die alten Gränzen innerhalb Deutschlands, welches fortan ein einiges sein soll, in der alten Weise nicht mehr festgehalten werden dürfen, bitten wir:</p>
          <p>Eine hohe Nationalversammlung wolle diese Angelegenheit zur Berathung ziehen und dafür sorgen, daß jene ehrenwerthe Schaar, welche für die deutsche, nicht für die slavische Sache die Waffen führen will, nicht an die k. k. Militärbehörde ausgeliefert, ihr im Gegentheil die abgenommenen Waffen wieder zurückgegeben und ihre Heimkehr in ihr Vaterland besorgt und beschützt werde.&#x201C;</p>
          <p>Waldenburg den 1. Nov. 1848.</p>
          <p>Im Namen des Kreises, die beauftragten Vertrauensmänner.</p>
          <p>Ein Schreiben aus Friedland, Kreis Waldenburg, d. d. 31. October, schildert die Sympathie des Volkes für jene Ungarn. Es lautet:</p>
          <p>&#x201E;Ein ungarisches Regiment Husaren trennte sich vom Armeekorps des Fürsten Windischgrätz, um sich in das Vaterland durchzuschlagen; einem Theile desselben soll dies gelungen sein. Von den Versprengten ist eine Truppe von 56 Mann mit Pferden, Waffen und Gepäck heute Nachmittag 3 1/2 Uhr hier angelangt; die Bürger haben sie mit Freuden aufgenommen und diesen unglücklichen Leuten, welche mit ihren Pferden sehr erschöpft waren, gern Quartier und Beköstigung bis zu ihrer Erholung gewährt. &#x2012; Die Unglücklichen sind aber besorgt, daß von diesseitigen Behörden oder Militärpersonen ihrem Rückmarsch nach Ungarn auf preußischem Boden wird Hinderniß in den Weg gelegt worden, oder daß sie gar gefangen, entwaffnet und an die kaiserlich-östreichischen Kommando's ausgeliefert werden möchten; der schimpfliche Tod wäre dann unvermeidlich. Vor solchem Unglücke, glaube ich, kann sie nur unsere Nationalversammlung bewahren.</p>
          <p>Ew. etc. ersuche ich daher recht dringend dahin wirken zu wollen, daß den versprengten ungarischen Husaren kein Hinderniß auf ihrem Rückmarsche in's Vaterland gelegt, noch weniger, daß dieselben an ihre, wie unsere Feinde ausgeliefert werden.</p>
          <p>Wenn dieses Schreiben, in heutiger Nacht gegen 12 Uhr abgefaßt, auch von meinen Herren Kollegen nicht mitvollzogen ist, so kann ich auf Ehre versichern, daß sich hier kein Einziger befindet, welcher meinem Antrage entgegen ist, denn die Sympathie für unsere Gäste war allgemein; Jeder wollte gern einen Mann in's Quartier haben, und Alle wünschen die Soldaten gerettet zu sehen.&#x201C;</p>
          <p>(gez.) <hi rendition="#g">Haupt,</hi> Bürgermeister.</p>
          <p>An den Abgeordneten der Nationalversammlung in Berlin,</p>
          <p> <hi rendition="#g">Behnsch.</hi> </p>
          <p>Der Abg. <hi rendition="#g">Lisiecki</hi> stellt folgende dringende Interpellation an den <hi rendition="#g">Kriegsminister:</hi> </p>
          <p>&#x201E;Ob es gegründet ist, daß in den letzten Tagen des Monats October d. J. in Folge reaktionärer Bestrebungen der Kamarilla zu Ballenstädt und auf Grund des von derselben ausgegangenen Ansinnens, der Kommandeur einer preußischen, in Quedlinburg stationirten Kürassier-Eskadron seine Mannschaft in den Ställen konsignirt hatte, um nöthigenfalls zur Stillung eines im Lande Bernburg befürchteten Aufruhrs herbeizueilen?&#x201C;</p>
          <p>Der Abg. <hi rendition="#g">Gräff</hi> (Trier) hat folgenden Zusatz zum Artikel 5 der Verfassung gestellt:</p>
          <p>&#x201E;Jede gesetzwidrige Verhaftung verpflichtet den Staat und die betreffenden Beamten zur vollständigen Entschädigung des Verhafteten. Auch bei einer gesetzmäßigen Verhaftung, worauf keine Verurtheilung erfolgt, muß dem Verhafteten eine angemessene Entschädigung, jedoch nur vom Staate, geleistet werden. Das Nähere wird durch ein besonderes Gesetz bestimmt.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Motive:</hi> Diese Bestimmung, welche im Wesentlichen in der neuen Verfassungs-Urkunde für das Herzogthum Anhalt-Dessau § 13 enthalten ist, rechtfertigt sich durch den civilrechtlichen Satz, daß ein Jeder, welcher einem Andern durch Vorsatz, aus Versehen oder Irrthum einen Schaden zufügt, demselben dafür die gebührende Genugthuung leisten muß. Die Entschädigung ist höher oder niedriger, je nachdem die Verletzung auf Vorsatz beruht, oder aus Versehen oder Irrthum hervorgegangen ist. Ein solches Versehen oder ein solcher Irrthum ist auch dann als vorhanden anzunehmen, wenn zwar die provisorische Haft nach den Gesetzen zulässig war, dennoch aber der Verhaftete freigesprochen oder vorläufig außer Verfolgung gesetzt wird. Dem Beschuldigten muß wegen der Verhaftung in dergleichen Fällen eine billige Entschädigung zu Theil werden; denn er kann nicht die Schuld des ihm widerfahrenen Unrechts tragen, wenn auch die Umstände anscheinend gegen ihn waren. Eine solche Bestimmung bewirkt übrigens die richtigere und mildere Auslegung der immerhin unbestimmten Gesetze, durch welche die provisorische Haft zugelassen ist oder zugelassen werden kann.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar139_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 7. Novbr.</head>
          <p>Die ganze Stadt ist in der größten Aufregung. &#x2012; Seit gestern Abend ist es durch verschiedene gutunterrichtete Quellen bekannt gnworden, daß das neue Ministerium gebildet und der Graf <hi rendition="#g">Brandenburg, v. Schleinitz</hi> und <hi rendition="#g">v. Mannteuffel</hi> die Hauptstützen desselben seien. Wenn nun diese Namen schon beurtheilen lassen, wes Geistes Kind das neue Ministerium sein wird, so erzählt man sich zum Ueberfluß noch, daß die neuen Minister morgen in der Nationalversammlung erscheinen und eine Königl. Botschaft mitbringen werden, wodurch die Versammlung, in Erwägung, daß dieselbe in Berlin unter dem Terrorismus der Bevölkerung stehe und nicht mehr frei berathen könne, welches unzweifelhaft aus ihren in den letzten Wochen gefaßten Beschlüssen hervorgehe, welchen der König seine Sanktion unter solchen Umständen nicht ertheilen könne, &#x2012; auf vierzehn Tage vertagt und alsdann in <hi rendition="#g">Brandenburg</hi> (oder Schwedt a. O. wie eine andere Version sagt) zur baldigen Beendigung der Berathung der Verfassungs-Urkunde wieder zusammenkommen solle. &#x2012;</p>
          <p>Diese Nachrichten haben weniger die Linke, als das Centrum und besonders die Rechte überrascht. Die Rechte sieht nun wohl ein, daß es sich nicht mehr um Aufrechthaltung des wahrhaften Constitutionalismus (wie sie es sich bis heute einredete), sondern um Zurückführung des alten Absolutismus unter dem Schein einer Constitution handelt.</p>
          <p>Man erzählt, daß, im Fall sich die Nationalversammlung, wie vorauszusehen, den Forderungen des neuen Ministeriums nicht fügen, sich vielmehr für <hi rendition="#g">permanent</hi> erklären werde, die Versammlung durch Waffengewalt auseinandergesprengt werden soll. &#x2012; Zu diesem Zwecke erwartet man, daß heute und morgen die Garderegimenter, die bisher in Potsdam, Brandenburg und deren Umgegend in Garnison lagen, hier einrücken. Das 24. und 12. Regiment, welche einen großen Theil demokratisch gesinnter Soldaten enthalten, rückten gestern und heute aus der Stadt, um den Garden Platz zu machen. Alle Kasernen werden aufs vollständigste verproviantirt, den Offizieren ist aufgegeben worden, ihre Privatwohnungen zu verlassen und in die Kasernen zu ziehen. &#x2012; Alle diese Thatsachen haben die größte Aufregung in der ganzen Stadt hervorgebracht und Jeder sieht dem morgenden Tage mit der außerordentlichsten Spannung entgegen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar139_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>14</author></bibl> Berlin, 7. Nov.</head>
          <p>Das Neueste, was ich Ihnen mittheilen kann, ist Folgendes: Ein Exminister hat zu einem Deputirten der Aeußersten geäußert: Se. Maj. werde bald seine Residenz nach Berlin verlegen und zwar inmitten seiner Garden. Ferner berathe man: ob die Nationalversammlung ganz <hi rendition="#g">aufgelöst</hi> oder blos aus der Hauptstadt <hi rendition="#g">verlegt</hi> werden solle. Auch denke man nicht im Allerentferntesten daran, weder die Gottes Gnade, noch den Adel, noch die Orden abzuschaffen. Im Gegentheil wolle man sich diese Süßigkeiten erst recht schmecken lassen.</p>
          <p>Eine zweite Neuigkeiten ist, daß gestern Nacht mehr als ein Dutzend Wagen mit <hi rendition="#g">Munition</hi> durch verschiedene Thore der Stadt einfuhren, und heute Morgen jrder Soldat 150 Patronen erhielt. Combiniren Sie selbst über die Bedeutung dieser Pulververstärkung.</p>
          <p>Im Uebrigen ist es mäuschenstill hier, als ob sich alle fremden und hiesigen Demokraten in ihre Löcher verkrochen hätten. Freilich schwebt das blutige Schwert des Windischgrätz über unsern Häuptern, und der Hunger wüthet in den Eingeweiden der Proletarier.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar139_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 8. November.</head>
          <p>Die &#x201E;<hi rendition="#g">Neue Preußische Ztg.</hi>&#x201C;, deren sinnreiche Einfälle wir von Zeit zu Zeit unsern Lesern zu Gute kommen lassen, schlägt vor, das zu erwartende neue Ministerium &#x201E;<hi rendition="#g">das Ministerium der thierischen Soldateska</hi>&#x201C; zu taufen. Du ahndungsvoller Engel Du!</p>
          <p>Namen gefunden ist alles gefunden, weil</p>
          <p>Jede Krankheit, um sie kuriren zu können,</p>
          <p>Zunächst benamset werden muß.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar139_009" type="jArticle">
          <head>Berlin.</head>
          <p>Einladung zu einem Kongreß der Bürgerwehr Preußens in Berlin, am 27. Nov. 1848.</p>
          <p>Der Wunsch, eine gemeinsame Verständigung der gesammten Bürgerwehr des preußischen Staates durch erwählte Vertreter derselben herbeizuführen, erscheint in mehr als einer Hinsicht gerechtfertigt.</p>
          <p>1. Das so eben erlassene Bürgerwehrgesetz erheischt eine Berathung sachverständiger Männer, um die Frage zu enscheiden:</p>
          <p>ist die vielseitige Mißstimmung gegen das Gesetz gerechtfertigt, welche Punke erregen diese besonders und wie sind diese im Wege der Gesetzgebung abzuändern?</p>
          <p>Der in solcher Weise besonnen aber entschieden ausgesprochene Wille der Gesammt-Bürgerwehr wird sicherlich die ihm gebührende Anerkennung vor der National-Versammlung finden.</p>
          <p>2. Stehen die Bürgerwehren der einzelnen Gemeinden nach der bisherigen Organisation, so wie nach dem Bürgerwehrgesetz völlig isolirt da, so bietet sich von selbst die Frage:</p>
          <p>ist es nicht dringend wünschenswerth, daß alle diese Kräfte für den Augenblick der Gefahr, die unserm Vaterlande drohen kann, sich als ein innig verbundenes Ganze fühlen, das nach einem Ziele und nach einem Plane handelt?</p>
          <p>Soll aber ein solches einiges Handeln im Augenblicke der Gefahr eintreten, so scheint es nothwendig, dasselbe in ruhigeren Zeiten vorzubereiten durch eine gemeinschaftliche Organisation der Gesammt-Bürgerwehr des Vaterlandes, wie ja diese in den Nationalgarden anderer Länder besteht. Es kommt also darauf an, die Grundzüge einer solchen Organisation in gemeinsamer Berathung zu entwerfen, um so ihre gesetzliche Einführung vorzubereiten. Hier wird unter Anderem auch das Dienstreglement in seinen Hauptbestimmungen zu besprechen sein, damit dies ein möglichst gleichmäßiges durch das ganze Land werde. Denn nur dann kann die Bürgerwehr mit Aussicht auf Erfolg gemeinschaftlich wirken, wenn sie ein aus gleichartig gebildeten und gleichmäßig eingeübten Theilen bestehendes Ganze bildet.</p>
          <p>3. Endlich ist von dem Verhältniß der Bürgerwehr zum stehenden Heere und der Landwehr bisher noch nirgend Etwas festgesetzt. Das Bürgerwehrgesetz läßt das Verhältniß ganz unberührt. Die Bürgerwehr darf aber wohl nicht völlig isolirt dastehen, sie muß in irgend einer Weise einen Theil der gesammten Heeresmasse ausmachen.</p>
          <p>Nur wenn die Bürgerwehr eingefügt wird in den allgemeinen Organismus der bewaffneten Macht, wenn die verschiedenen Theile der letztern einander befreundet und ergänzend sich gegenüberstehen, kann die Bürgerwehr sich gedeihlich entwickeln, auch in politisch weniger aufgeregten Zeiten &#x2012; wo die Nothwendigkeit ihres Bestehens sonst vielleicht in den Hintergrund gedrängt würde &#x2012; lebenskräftig sich erhalten und so sich in der That bald zu einer allgemeinen und wahrhaften &#x2012; Volkswehr &#x2012; einem unerschütterlichen Schutze der Freiheit und des Wohlstandes gegen innere wie äußere Feinde erheben.</p>
          <p>In dem Vorstehenden dürfte ein genügender und allgemein wichtiger Stoff für einen Bürgerwehr-Congreß sich darbieten, und durch die erscheinenden Deputirten gewiß noch ansehnlich vermehrt werden.</p>
          <p>Durchdrungen von der Wichtigkeit der hier angeregten Fragen sehen wir uns zur Zusammenberufung eines Bürgerwehr-Congresses veranlaßt. Wir laden daher alle Bürgerwehren Preußens zu einem solchen auf den 27. Novembers dieses Jahres und die folgenden Tage nach Berlin hierdurch ein.</p>
          <p>Was den Vertretungsmodus angeht, schlagen wir vor, daß jede selbstständige Bürgerwehr einen Deputirten schicke, die Bürgerwehr größerer Städte aber auf je 1000 Mann einen Vertreter erwähle. Wünschenswerth wäre hierbei, daß die Deputirten wirklich Mitglieder der betreffenden, jedenfalls aber Mitglieder der Bürgerwehr überhaupt sind, damit der Kongreß sich nicht in theoretischen Erörterungen verliert, sondern seine Beschlüsse überall von einer praktischen Erfahrung geleitet werden.</p>
          <p>Es wird bemerkt, daß die Bürgerwehr Berlins in keinem Falle stärker vertreten wird, als nach dem oben angedeuteten Maßstabe.</p>
          <p>Die Anmeldungen zum Kongreß erbitten die Unterzeichneten unter der Adresse des Kommandos der Berliner Bürgerwehr &#x2012; portofrei &#x2012; recht bald, spätestens bis zum 17. Nov d. J.</p>
          <p>Die Kosten des Kongresses werden dadurch aufgebracht, daß jeder Deputirte einen Beitrag von 2 Thlr. zahlt; über den etwaigen Ueberschuß wird der Kongreß bestimmen.</p>
          <p>Berlin, den 26. Oktober 1848.</p>
          <p>Die zum provisorischen Comite zusammengetretenen Bürgerwehrmänner.</p>
          <p>Rimpler, zeitiger Kommandeu der Berliner Bürgerwehr. Franz Dunker. Eschwe. A. Glaue. Herford. H. Runge, Mitglied des Stabes. Braun, Wehrmann. Julius Friedländer, Wehrmann. Gehrke, Wehrmann. Hehlen, Major. Krug, Mitglied der Schützengilde. Simion, Zugführer. E. Todt, zeitiger Kommandeur des bewaffneten Künstlerkorps. Werner aus Wettin, Rottenführer.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar139_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Wien, 4. Nov., Nachmittag.</head>
          <p>Hier folgt ein Beitrag zur Geschichte der Humanität des 19. Jahrhunderts; eine kleine, schwache Scene aus dem Entrée des Städtebezwingers Windischgrätz &#x2012; des Schlächtermeisters Seiner Majestät Ferdinand des Gütigen. (Der Brief ist aus verbürgter Quelle und von einem Gemäßigten.) &#x201E;Die Art und Weise, wie das Militär seinen Sieg benutzt hat, empört jede menschliche Brust. Anstatt die Bewaffneten, welche nicht mehr im Widerstande betroffen wurden, den Regeln des Standrechts gemäß fest zu nehmen und dem Kriegsgericht zu überliefern, hat man jeden einzelnen erbarmungslos niedergemacht, und dies ist nicht etwa von den Gemeinen allein, ohne besonderes Geheiß ihrer Oberen geschehen, nein, Offiziere rühmen sich jetzt öffentlich der Befehle, die sie dazu gegeben haben. Ein Offizier der Nationalgarde, der von dem Militär überrumpelt wurde, und nicht mehr entfliehen konnte, warf Angesichts desselben noch in einiger Entfernung den Degen fort und bat laut um Pardon. Aber auch dieser wurde fusiilirt. <hi rendition="#g">Des Abends auf der Straße hat man wehrlose Leute niedergeschossen,</hi> welche auf den Ruf: Wer da! der Schildwache nicht gleich stehen blieben, sondern vor Entsetzen die Flucht ergriffen. Einen Fall dieser Art habe ich selbst mit angesehen in der Leopoldstadt, wo zwei Menschen von zwei Kugeln durchbohrt todt niedersanken. Das kaiserl. Militär hat jedoch nicht allein <hi rendition="#g">gemetzelt, es hat auch geraubt und geplündert,</hi> und zwar wie es scheint, in ganz legaler Form, ohne daß es von den Vorgesetzten daran gehindert worden wäre. Anfangs wollte ich den darauf bezüglichen Gerüchken keinen Glauben schenken; nachdem ich es aber selbst mit angesehen habe, wie Grenadiere, welche auf dem Hofe des Gasthofs, in welchem ich logiere, kampirten, aus ihren Brodbeuteln Sachen, wie Uhren, Lorgnetten, Damenschleier, feine Wäsche u. s. w. hervorlangten, trat die nackte Wahrheit in ihrer fürchterlichen Gestalt vor mich hin. Von den Kroaten will ich erst gar nicht reden, denn wer diese sieht, wird bald nach ihrem Anblick unbedingt an solche Exzesse glauben. Sie sehen in Breslau öfter auf den Straßen die Topstricker aus den Karpathen. Denken Sie sich nun 250 solcher Kerle zusammen, jeder mit einer Muskete bewaffnet und auf dem Rücken einen leinenen Sack zum Stehlen als Tornister &#x2012; so haben sie eine Kompagnie Kroaten, und zwar solche Kroaten, wie sie der Stadt Wien Windischgrätz (Gott sei bei uns!) massenweise auf den Hals geschickt hat!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar139_011" type="jArticle">
          <head>Wien, 5. Nov.</head>
          <p>Die &#x201E;Wiener Zeitung&#x201C; bringt heute folgende Proklamationen:</p>
          <p>Proklamation.</p>
          <p>Die von Sr. Durchlaucht dem k. k. Herrn Feldmarschall Fürsten zu Windischgrätz für die Dauer des Belagerungszustandes unter meiner obersten Leitung niedergesetzte Central-Kommission hat am 2. d. M. ihre Funktionen begonnen. Die Aufrechthaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit in dieser während einer längeren Zeit durch Anarchie erschütterten Hauptstadt, hat die Nothwendigkeit geboten, für den freien Verkehr zwischen der Stadt und ihren Vorstädten einige strenge Maßregeln zu ergreifen, wobei ich nur bedauere, daß jene Maßregeln auch jene Gutgesinnten treffen, welche an dem so sehr erschütterten öffentlichen Rechtszustande keinen Antheil genommen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0708/0002] Das Mögliche wäre also doch wieder unmöglich? Der definitive und wirkliche Ernst wäre also doch wieder nur definitiver und wirklicher Spaß? Wir staunen über die Redekunststücke der Reform. Peter Simpel, der noch eben der festen Meinung war, seine eigne Nase abbeißen zu können, er sieht schließlich doch wieder ein, daß es schief darum steht, er giebt den Gedanken auf, er versöhnt sich wieder mit seiner Nase und wir versöhnen uns wieder mit Peter Simpel; Peter ist ein charmanter Mann. Doch lesen wir weiter. „Ein ernstliches und definitives Ministerium Brandenburg wäre nichts Geringeres, als der Bruch der Krone mit der Nationalversammlung.“ ‒ Nichts ist verständlicher, nichts ist deutlicher. Aber die Reform erschrickt ordentlich darüber, daß sie so deutlich gewesen ist, und ehe wir's uns versehen, fährt sie fort: „Ist also (mon dieu!) der Bruch vorhanden? (Heiliger Simpel!) Ist der Krieg erklärt? (Heiliger Peter Simpel!) Nein! er ist dennoch (trotz des also) nicht erklärt. ‒“ Wir halten inne, die Geduld reißt uns, nein, das ist zu stark, das geht über die Bäume! ‒ Zuerst sagte Simpel: Ich weiß etwas, ich weiß beinah' etwas, nein, ich weiß doch nichts! Dann fuhr er fort: Der definitive und wirkliche Ernst ist möglich, er ist beinah' möglich, nein er ist doch nicht möglich! Und jetzt vollendet er und meint: Der Bruch ist da, er ist beinah' da, nein, er ist doch nicht da! Aber die Reform ist noch lange nicht fertig. Die Reform ist unerschöpflich. „Nein, der Krieg ist dennoch nicht erklärt“ ‒ sagt die Reform ‒ „oder alle Zeichen müßten trügen. Schon darum glauben wir es nicht, weil es Niemand glaubt!“ ‒ Alle Weisheit des Kartenschlägers, der Hebamme und Peter Simpel's schwinden vor der Jedermann's Meinung. Der große Mann, der die Ereignisse durchschaut, er ist von der letzten Stufe seines Thrones hinabgepurzelt und in den Koth der allgemeinen Meinung gefallen, wo er mit den Gläubigen glaubt und mit den Zweifelnden zweifelt; mit einem Worte, Peter ist endlich an seinem Platze ‒ leider, an einem sehr untergeordneten. Die Reform schließt jetzt die 34 Zeilen lange Passage, in der wir nicht mehr als 17 Stylfehler, Simpeleien und Widersprüche entdeckten, mit der glorreichen Phrase: „So (!) wäre also (!!) das Ministerium Brandenburg nur eine Ephemere; es wäre nicht ernstlich damit gemeint. In diesem Falle muß ein Ministerium aus der Versammlung hervorgehen, und wir hören, daß an ein Ministerium Kirchmann-Rodbertus gedacht wird.“ Nach der Reform verhält sich also der König der Nationalversammlung gegenüber rein scherzhaft. Der König hat vollkommenes Recht hiezu. Größeres Recht haben wir aber no ch, uns der Reform gegenüber scherzhaft zu verhalten, und wir gestehen daher der Reform, daß es wirklich sehr scherzhaft mit seinen Lesern umgehen heißt, wenn man sie erst mit den mystischsten „Durschauungen“ ködert, um sie hinterher mit den konfusesten Trivialitäten im Stich zu lassen. Die Reform ergeht sich nun noch in nicht weniger unglücklichen Wendungen als bisher, über die möglichen Chancen eines möglichen Ministeriums Kirchmann-Rodbertus. Wir verschonen unsre Leser und uns selbst mit diesen Tiraden, wir können aber nicht der Versuchung widerstehen, wenigstens noch das anzuführen, was die Reform mit Hintenansetzung des genannten Ministeriums als ihr Heilmittel anzuempfehlen wagt. „Dessau müßte man sich zum Muster nehmen!“ ruft die Reform aus. „In dieser (!) Form (!) (in dieser Form Dessau) ist eine Versöhnung des Alten und des Neuen, die man eine ehrliche nennen kann. (Ehrlicher Simpel!) Nehmt sie an, wählt ein Ministerium der äußersten, (Peter Simpel als äußerster Ministerpräsident!) das heißt der konsequenten Demokratie: und ihr habt eine glorreiche Genesung von dem innern Fieber und von der äußern Ohnmacht. Ihr gründet das neue Deutschland und hony soit, qui mal y pense! Doch wir verirren uns. ‒ ‒ “ Allerdings! ‒ Peter Simpel den Hosenband-Orden für diese Verirrung! Lang' lebe die Reform, das Organ der demokratischen Partei in Berlin, und lang' lebe Peter Simpel, ihr Ereigniß durchschauender Denker! Welch' eine Partei und welch' ein Denker! Es giebt nur eine Reform, und Peter Simpel ist ihr Prophet. Er ist heruntergesimpelt Und weiß doch selber nicht wie Es ist sonderbar, wie große Männer so verschieden beurtheilt werden. Während die Kölnische Zeitung neulich von Lob über das Lustspiel, „die Sündenböcke“, von R. Benedir, überfloß, bringt die Neue Preußische Zeitung folgende Notiz: „Ein gestern Abend im Schauspielhause zum ersten Mal aufgeführtes neues Lustspiel von Rodrich Benedir: „Die Sündenböcke“, hat total Fiasco gemacht. Dasselbe ist auch in der That ein so fades Machwerk, daß wir kaum begreifen, wie dasselbe von der Königlichen Bühne hat zur Aufführung gebracht werden können. Das Publikum wurde so ungeduldig, daß einer der Darstellenden, Herr Döring, vortrat und anfragte, ob weiter gespielt werden solle, ‒ es sei ohnehin bald zu Ende. Das Publikum gab nach einiger Opposition dies zu, rief am Schlusse sämmtliche Darsteller als Zeichen, daß das Mißfallen nicht ihnen gegolten, und trommelte dann das Stück aus, indem es sich jede Wiederholung verbat.“ Ihr armen Sündenböcke! [Deutschland] [Fortsetzung] Diese Schaar gehörte zu einem ungarischen Husarenregimente (Palatinat-Husaren im Saatzer Kreise), welches Befehl erhalten, gegen Wien zu marschiren. Das Regiment war offen und mannhaft genug, sofort die Erklärung abzugeben, daß es ebensowenig gegen seine Wiener, als gegen seine ungarischen Brüder marschiren werde. Es sollte daher mit Gewalt dazu gezwungen werden, zog sich zurück durch Böhmen, wurde von östreichischen Kürassieren verfolgt und bei Trautenau zersprengt. Einzelne Theile haben sich hierhin und dorthin gerettet, von denen eine Schaar, wie gesagt, am 30. October bei Liebau die preußische Gränze übetrat. Dort wurde ihr von dem Landrathe des Landeshuter Kreises die Wahl gelassen, entweder sogleich wieder über die Gränze zurückzugehen, oder sich entwaffnen zu lassen. Wir Bewohner dieser Gebirgsgegend und namentlich des Waldenburger Kreises, können in dieser Schaar nichts anderes sehen, als Männer, die es ehrlich meinen mit der allgemeinen Sache des deutschen Volkes und in Betracht, daß die alten Gränzen innerhalb Deutschlands, welches fortan ein einiges sein soll, in der alten Weise nicht mehr festgehalten werden dürfen, bitten wir: Eine hohe Nationalversammlung wolle diese Angelegenheit zur Berathung ziehen und dafür sorgen, daß jene ehrenwerthe Schaar, welche für die deutsche, nicht für die slavische Sache die Waffen führen will, nicht an die k. k. Militärbehörde ausgeliefert, ihr im Gegentheil die abgenommenen Waffen wieder zurückgegeben und ihre Heimkehr in ihr Vaterland besorgt und beschützt werde.“ Waldenburg den 1. Nov. 1848. Im Namen des Kreises, die beauftragten Vertrauensmänner. Ein Schreiben aus Friedland, Kreis Waldenburg, d. d. 31. October, schildert die Sympathie des Volkes für jene Ungarn. Es lautet: „Ein ungarisches Regiment Husaren trennte sich vom Armeekorps des Fürsten Windischgrätz, um sich in das Vaterland durchzuschlagen; einem Theile desselben soll dies gelungen sein. Von den Versprengten ist eine Truppe von 56 Mann mit Pferden, Waffen und Gepäck heute Nachmittag 3 1/2 Uhr hier angelangt; die Bürger haben sie mit Freuden aufgenommen und diesen unglücklichen Leuten, welche mit ihren Pferden sehr erschöpft waren, gern Quartier und Beköstigung bis zu ihrer Erholung gewährt. ‒ Die Unglücklichen sind aber besorgt, daß von diesseitigen Behörden oder Militärpersonen ihrem Rückmarsch nach Ungarn auf preußischem Boden wird Hinderniß in den Weg gelegt worden, oder daß sie gar gefangen, entwaffnet und an die kaiserlich-östreichischen Kommando's ausgeliefert werden möchten; der schimpfliche Tod wäre dann unvermeidlich. Vor solchem Unglücke, glaube ich, kann sie nur unsere Nationalversammlung bewahren. Ew. etc. ersuche ich daher recht dringend dahin wirken zu wollen, daß den versprengten ungarischen Husaren kein Hinderniß auf ihrem Rückmarsche in's Vaterland gelegt, noch weniger, daß dieselben an ihre, wie unsere Feinde ausgeliefert werden. Wenn dieses Schreiben, in heutiger Nacht gegen 12 Uhr abgefaßt, auch von meinen Herren Kollegen nicht mitvollzogen ist, so kann ich auf Ehre versichern, daß sich hier kein Einziger befindet, welcher meinem Antrage entgegen ist, denn die Sympathie für unsere Gäste war allgemein; Jeder wollte gern einen Mann in's Quartier haben, und Alle wünschen die Soldaten gerettet zu sehen.“ (gez.) Haupt, Bürgermeister. An den Abgeordneten der Nationalversammlung in Berlin, Behnsch. Der Abg. Lisiecki stellt folgende dringende Interpellation an den Kriegsminister: „Ob es gegründet ist, daß in den letzten Tagen des Monats October d. J. in Folge reaktionärer Bestrebungen der Kamarilla zu Ballenstädt und auf Grund des von derselben ausgegangenen Ansinnens, der Kommandeur einer preußischen, in Quedlinburg stationirten Kürassier-Eskadron seine Mannschaft in den Ställen konsignirt hatte, um nöthigenfalls zur Stillung eines im Lande Bernburg befürchteten Aufruhrs herbeizueilen?“ Der Abg. Gräff (Trier) hat folgenden Zusatz zum Artikel 5 der Verfassung gestellt: „Jede gesetzwidrige Verhaftung verpflichtet den Staat und die betreffenden Beamten zur vollständigen Entschädigung des Verhafteten. Auch bei einer gesetzmäßigen Verhaftung, worauf keine Verurtheilung erfolgt, muß dem Verhafteten eine angemessene Entschädigung, jedoch nur vom Staate, geleistet werden. Das Nähere wird durch ein besonderes Gesetz bestimmt.“ Motive: Diese Bestimmung, welche im Wesentlichen in der neuen Verfassungs-Urkunde für das Herzogthum Anhalt-Dessau § 13 enthalten ist, rechtfertigt sich durch den civilrechtlichen Satz, daß ein Jeder, welcher einem Andern durch Vorsatz, aus Versehen oder Irrthum einen Schaden zufügt, demselben dafür die gebührende Genugthuung leisten muß. Die Entschädigung ist höher oder niedriger, je nachdem die Verletzung auf Vorsatz beruht, oder aus Versehen oder Irrthum hervorgegangen ist. Ein solches Versehen oder ein solcher Irrthum ist auch dann als vorhanden anzunehmen, wenn zwar die provisorische Haft nach den Gesetzen zulässig war, dennoch aber der Verhaftete freigesprochen oder vorläufig außer Verfolgung gesetzt wird. Dem Beschuldigten muß wegen der Verhaftung in dergleichen Fällen eine billige Entschädigung zu Theil werden; denn er kann nicht die Schuld des ihm widerfahrenen Unrechts tragen, wenn auch die Umstände anscheinend gegen ihn waren. Eine solche Bestimmung bewirkt übrigens die richtigere und mildere Auslegung der immerhin unbestimmten Gesetze, durch welche die provisorische Haft zugelassen ist oder zugelassen werden kann. 103 Berlin, 7. Novbr. Die ganze Stadt ist in der größten Aufregung. ‒ Seit gestern Abend ist es durch verschiedene gutunterrichtete Quellen bekannt gnworden, daß das neue Ministerium gebildet und der Graf Brandenburg, v. Schleinitz und v. Mannteuffel die Hauptstützen desselben seien. Wenn nun diese Namen schon beurtheilen lassen, wes Geistes Kind das neue Ministerium sein wird, so erzählt man sich zum Ueberfluß noch, daß die neuen Minister morgen in der Nationalversammlung erscheinen und eine Königl. Botschaft mitbringen werden, wodurch die Versammlung, in Erwägung, daß dieselbe in Berlin unter dem Terrorismus der Bevölkerung stehe und nicht mehr frei berathen könne, welches unzweifelhaft aus ihren in den letzten Wochen gefaßten Beschlüssen hervorgehe, welchen der König seine Sanktion unter solchen Umständen nicht ertheilen könne, ‒ auf vierzehn Tage vertagt und alsdann in Brandenburg (oder Schwedt a. O. wie eine andere Version sagt) zur baldigen Beendigung der Berathung der Verfassungs-Urkunde wieder zusammenkommen solle. ‒ Diese Nachrichten haben weniger die Linke, als das Centrum und besonders die Rechte überrascht. Die Rechte sieht nun wohl ein, daß es sich nicht mehr um Aufrechthaltung des wahrhaften Constitutionalismus (wie sie es sich bis heute einredete), sondern um Zurückführung des alten Absolutismus unter dem Schein einer Constitution handelt. Man erzählt, daß, im Fall sich die Nationalversammlung, wie vorauszusehen, den Forderungen des neuen Ministeriums nicht fügen, sich vielmehr für permanent erklären werde, die Versammlung durch Waffengewalt auseinandergesprengt werden soll. ‒ Zu diesem Zwecke erwartet man, daß heute und morgen die Garderegimenter, die bisher in Potsdam, Brandenburg und deren Umgegend in Garnison lagen, hier einrücken. Das 24. und 12. Regiment, welche einen großen Theil demokratisch gesinnter Soldaten enthalten, rückten gestern und heute aus der Stadt, um den Garden Platz zu machen. Alle Kasernen werden aufs vollständigste verproviantirt, den Offizieren ist aufgegeben worden, ihre Privatwohnungen zu verlassen und in die Kasernen zu ziehen. ‒ Alle diese Thatsachen haben die größte Aufregung in der ganzen Stadt hervorgebracht und Jeder sieht dem morgenden Tage mit der außerordentlichsten Spannung entgegen. 14 Berlin, 7. Nov. Das Neueste, was ich Ihnen mittheilen kann, ist Folgendes: Ein Exminister hat zu einem Deputirten der Aeußersten geäußert: Se. Maj. werde bald seine Residenz nach Berlin verlegen und zwar inmitten seiner Garden. Ferner berathe man: ob die Nationalversammlung ganz aufgelöst oder blos aus der Hauptstadt verlegt werden solle. Auch denke man nicht im Allerentferntesten daran, weder die Gottes Gnade, noch den Adel, noch die Orden abzuschaffen. Im Gegentheil wolle man sich diese Süßigkeiten erst recht schmecken lassen. Eine zweite Neuigkeiten ist, daß gestern Nacht mehr als ein Dutzend Wagen mit Munition durch verschiedene Thore der Stadt einfuhren, und heute Morgen jrder Soldat 150 Patronen erhielt. Combiniren Sie selbst über die Bedeutung dieser Pulververstärkung. Im Uebrigen ist es mäuschenstill hier, als ob sich alle fremden und hiesigen Demokraten in ihre Löcher verkrochen hätten. Freilich schwebt das blutige Schwert des Windischgrätz über unsern Häuptern, und der Hunger wüthet in den Eingeweiden der Proletarier. * Berlin, 8. November. Die „Neue Preußische Ztg.“, deren sinnreiche Einfälle wir von Zeit zu Zeit unsern Lesern zu Gute kommen lassen, schlägt vor, das zu erwartende neue Ministerium „das Ministerium der thierischen Soldateska“ zu taufen. Du ahndungsvoller Engel Du! Namen gefunden ist alles gefunden, weil Jede Krankheit, um sie kuriren zu können, Zunächst benamset werden muß. Berlin. Einladung zu einem Kongreß der Bürgerwehr Preußens in Berlin, am 27. Nov. 1848. Der Wunsch, eine gemeinsame Verständigung der gesammten Bürgerwehr des preußischen Staates durch erwählte Vertreter derselben herbeizuführen, erscheint in mehr als einer Hinsicht gerechtfertigt. 1. Das so eben erlassene Bürgerwehrgesetz erheischt eine Berathung sachverständiger Männer, um die Frage zu enscheiden: ist die vielseitige Mißstimmung gegen das Gesetz gerechtfertigt, welche Punke erregen diese besonders und wie sind diese im Wege der Gesetzgebung abzuändern? Der in solcher Weise besonnen aber entschieden ausgesprochene Wille der Gesammt-Bürgerwehr wird sicherlich die ihm gebührende Anerkennung vor der National-Versammlung finden. 2. Stehen die Bürgerwehren der einzelnen Gemeinden nach der bisherigen Organisation, so wie nach dem Bürgerwehrgesetz völlig isolirt da, so bietet sich von selbst die Frage: ist es nicht dringend wünschenswerth, daß alle diese Kräfte für den Augenblick der Gefahr, die unserm Vaterlande drohen kann, sich als ein innig verbundenes Ganze fühlen, das nach einem Ziele und nach einem Plane handelt? Soll aber ein solches einiges Handeln im Augenblicke der Gefahr eintreten, so scheint es nothwendig, dasselbe in ruhigeren Zeiten vorzubereiten durch eine gemeinschaftliche Organisation der Gesammt-Bürgerwehr des Vaterlandes, wie ja diese in den Nationalgarden anderer Länder besteht. Es kommt also darauf an, die Grundzüge einer solchen Organisation in gemeinsamer Berathung zu entwerfen, um so ihre gesetzliche Einführung vorzubereiten. Hier wird unter Anderem auch das Dienstreglement in seinen Hauptbestimmungen zu besprechen sein, damit dies ein möglichst gleichmäßiges durch das ganze Land werde. Denn nur dann kann die Bürgerwehr mit Aussicht auf Erfolg gemeinschaftlich wirken, wenn sie ein aus gleichartig gebildeten und gleichmäßig eingeübten Theilen bestehendes Ganze bildet. 3. Endlich ist von dem Verhältniß der Bürgerwehr zum stehenden Heere und der Landwehr bisher noch nirgend Etwas festgesetzt. Das Bürgerwehrgesetz läßt das Verhältniß ganz unberührt. Die Bürgerwehr darf aber wohl nicht völlig isolirt dastehen, sie muß in irgend einer Weise einen Theil der gesammten Heeresmasse ausmachen. Nur wenn die Bürgerwehr eingefügt wird in den allgemeinen Organismus der bewaffneten Macht, wenn die verschiedenen Theile der letztern einander befreundet und ergänzend sich gegenüberstehen, kann die Bürgerwehr sich gedeihlich entwickeln, auch in politisch weniger aufgeregten Zeiten ‒ wo die Nothwendigkeit ihres Bestehens sonst vielleicht in den Hintergrund gedrängt würde ‒ lebenskräftig sich erhalten und so sich in der That bald zu einer allgemeinen und wahrhaften ‒ Volkswehr ‒ einem unerschütterlichen Schutze der Freiheit und des Wohlstandes gegen innere wie äußere Feinde erheben. In dem Vorstehenden dürfte ein genügender und allgemein wichtiger Stoff für einen Bürgerwehr-Congreß sich darbieten, und durch die erscheinenden Deputirten gewiß noch ansehnlich vermehrt werden. Durchdrungen von der Wichtigkeit der hier angeregten Fragen sehen wir uns zur Zusammenberufung eines Bürgerwehr-Congresses veranlaßt. Wir laden daher alle Bürgerwehren Preußens zu einem solchen auf den 27. Novembers dieses Jahres und die folgenden Tage nach Berlin hierdurch ein. Was den Vertretungsmodus angeht, schlagen wir vor, daß jede selbstständige Bürgerwehr einen Deputirten schicke, die Bürgerwehr größerer Städte aber auf je 1000 Mann einen Vertreter erwähle. Wünschenswerth wäre hierbei, daß die Deputirten wirklich Mitglieder der betreffenden, jedenfalls aber Mitglieder der Bürgerwehr überhaupt sind, damit der Kongreß sich nicht in theoretischen Erörterungen verliert, sondern seine Beschlüsse überall von einer praktischen Erfahrung geleitet werden. Es wird bemerkt, daß die Bürgerwehr Berlins in keinem Falle stärker vertreten wird, als nach dem oben angedeuteten Maßstabe. Die Anmeldungen zum Kongreß erbitten die Unterzeichneten unter der Adresse des Kommandos der Berliner Bürgerwehr ‒ portofrei ‒ recht bald, spätestens bis zum 17. Nov d. J. Die Kosten des Kongresses werden dadurch aufgebracht, daß jeder Deputirte einen Beitrag von 2 Thlr. zahlt; über den etwaigen Ueberschuß wird der Kongreß bestimmen. Berlin, den 26. Oktober 1848. Die zum provisorischen Comite zusammengetretenen Bürgerwehrmänner. Rimpler, zeitiger Kommandeu der Berliner Bürgerwehr. Franz Dunker. Eschwe. A. Glaue. Herford. H. Runge, Mitglied des Stabes. Braun, Wehrmann. Julius Friedländer, Wehrmann. Gehrke, Wehrmann. Hehlen, Major. Krug, Mitglied der Schützengilde. Simion, Zugführer. E. Todt, zeitiger Kommandeur des bewaffneten Künstlerkorps. Werner aus Wettin, Rottenführer. !!! Wien, 4. Nov., Nachmittag. Hier folgt ein Beitrag zur Geschichte der Humanität des 19. Jahrhunderts; eine kleine, schwache Scene aus dem Entrée des Städtebezwingers Windischgrätz ‒ des Schlächtermeisters Seiner Majestät Ferdinand des Gütigen. (Der Brief ist aus verbürgter Quelle und von einem Gemäßigten.) „Die Art und Weise, wie das Militär seinen Sieg benutzt hat, empört jede menschliche Brust. Anstatt die Bewaffneten, welche nicht mehr im Widerstande betroffen wurden, den Regeln des Standrechts gemäß fest zu nehmen und dem Kriegsgericht zu überliefern, hat man jeden einzelnen erbarmungslos niedergemacht, und dies ist nicht etwa von den Gemeinen allein, ohne besonderes Geheiß ihrer Oberen geschehen, nein, Offiziere rühmen sich jetzt öffentlich der Befehle, die sie dazu gegeben haben. Ein Offizier der Nationalgarde, der von dem Militär überrumpelt wurde, und nicht mehr entfliehen konnte, warf Angesichts desselben noch in einiger Entfernung den Degen fort und bat laut um Pardon. Aber auch dieser wurde fusiilirt. Des Abends auf der Straße hat man wehrlose Leute niedergeschossen, welche auf den Ruf: Wer da! der Schildwache nicht gleich stehen blieben, sondern vor Entsetzen die Flucht ergriffen. Einen Fall dieser Art habe ich selbst mit angesehen in der Leopoldstadt, wo zwei Menschen von zwei Kugeln durchbohrt todt niedersanken. Das kaiserl. Militär hat jedoch nicht allein gemetzelt, es hat auch geraubt und geplündert, und zwar wie es scheint, in ganz legaler Form, ohne daß es von den Vorgesetzten daran gehindert worden wäre. Anfangs wollte ich den darauf bezüglichen Gerüchken keinen Glauben schenken; nachdem ich es aber selbst mit angesehen habe, wie Grenadiere, welche auf dem Hofe des Gasthofs, in welchem ich logiere, kampirten, aus ihren Brodbeuteln Sachen, wie Uhren, Lorgnetten, Damenschleier, feine Wäsche u. s. w. hervorlangten, trat die nackte Wahrheit in ihrer fürchterlichen Gestalt vor mich hin. Von den Kroaten will ich erst gar nicht reden, denn wer diese sieht, wird bald nach ihrem Anblick unbedingt an solche Exzesse glauben. Sie sehen in Breslau öfter auf den Straßen die Topstricker aus den Karpathen. Denken Sie sich nun 250 solcher Kerle zusammen, jeder mit einer Muskete bewaffnet und auf dem Rücken einen leinenen Sack zum Stehlen als Tornister ‒ so haben sie eine Kompagnie Kroaten, und zwar solche Kroaten, wie sie der Stadt Wien Windischgrätz (Gott sei bei uns!) massenweise auf den Hals geschickt hat! Wien, 5. Nov. Die „Wiener Zeitung“ bringt heute folgende Proklamationen: Proklamation. Die von Sr. Durchlaucht dem k. k. Herrn Feldmarschall Fürsten zu Windischgrätz für die Dauer des Belagerungszustandes unter meiner obersten Leitung niedergesetzte Central-Kommission hat am 2. d. M. ihre Funktionen begonnen. Die Aufrechthaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit in dieser während einer längeren Zeit durch Anarchie erschütterten Hauptstadt, hat die Nothwendigkeit geboten, für den freien Verkehr zwischen der Stadt und ihren Vorstädten einige strenge Maßregeln zu ergreifen, wobei ich nur bedauere, daß jene Maßregeln auch jene Gutgesinnten treffen, welche an dem so sehr erschütterten öffentlichen Rechtszustande keinen Antheil genommen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz139_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz139_1848/2
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 139. Köln, 10. November 1848, S. 0708. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz139_1848/2>, abgerufen am 28.04.2024.