Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].recht eindringliche Vorstellungen zu machen. "Welchen Nutzen für die Wissenschaft können diese Zänkereien haben, die nur zu oft in Persönlichkeiten ausarten? Was müssen Sie sich alles gefallen lassen! Ist es nicht erschrecklich, daß Fichte in seinem neusten Buche Sie einen Hund genannt?" - "Ja wohl", fiel ihr Nicolai Ins Wort, "ich bin der bellende Hund, der allemal seine warnende Stimme erheben muß, sobald er merkt, daß irgend etwas in der deutschen Litteratur nicht in Ordnung ist"; u. s. w. Was ließ sich gegen eine solche Ueberzeugung noch weiter vorbringen? Durch jene Händel mit Fichte wurde Nicolai schon früher veranlaßt, in einer akademischen Vorlesung vom Jahre 1799 jene merkwürdigen Nachrichten von den Phantasmen zu geben, die ihn einige Zeit heimgesucht, und derentwegen ihn Göthe als den Proktophantasmisten auf den Blocksberg versetzt. Auch hierüber haben sich allerlei Familientraditionen erhalten, die den Vorgang in etwas vervollständigen, und von den gedruckten Nachrichten abweichen. Nicolai hatte einen heftigen Aerger über seinen Sohn Karl gehabt, und war im höchsten Affekt begriffen, als plötzlich sein verstorbener Sohn Samuel, der sich selbst das Leben genommen, hinter dem Schreibtische vor ihm stand. Er erschrak nicht wenig, und fragte seine Frau, die neben ihm stand, ob sie auch den seeligen Samuel sehe? Diese erschrak noch heftiger, sah aber natürlich nichts. Nicolai fixirte nun die Erscheinung mit festem Blick und sie verschwand. Er glaubte, damit sei die Sache abgethan, aber die Visionen wiederholten sich. Lebende und verstorbene Personen kamen in sein Zimmer, ohne daß er wußte wie. Einst recht eindringliche Vorstellungen zu machen. „Welchen Nutzen für die Wissenschaft können diese Zänkereien haben, die nur zu oft in Persönlichkeiten ausarten? Was müssen Sie sich alles gefallen lassen! Ist es nicht erschrecklich, daß Fichte in seinem neusten Buche Sie einen Hund genannt?“ – „Ja wohl“, fiel ihr Nicolai Ins Wort, „ich bin der bellende Hund, der allemal seine warnende Stimme erheben muß, sobald er merkt, daß irgend etwas in der deutschen Litteratur nicht in Ordnung ist“; u. s. w. Was ließ sich gegen eine solche Ueberzeugung noch weiter vorbringen? Durch jene Händel mit Fichte wurde Nicolai schon früher veranlaßt, in einer akademischen Vorlesung vom Jahre 1799 jene merkwürdigen Nachrichten von den Phantasmen zu geben, die ihn einige Zeit heimgesucht, und derentwegen ihn Göthe als den Proktophantasmisten auf den Blocksberg versetzt. Auch hierüber haben sich allerlei Familientraditionen erhalten, die den Vorgang in etwas vervollständigen, und von den gedruckten Nachrichten abweichen. Nicolai hatte einen heftigen Aerger über seinen Sohn Karl gehabt, und war im höchsten Affekt begriffen, als plötzlich sein verstorbener Sohn Samuel, der sich selbst das Leben genommen, hinter dem Schreibtische vor ihm stand. Er erschrak nicht wenig, und fragte seine Frau, die neben ihm stand, ob sie auch den seeligen Samuel sehe? Diese erschrak noch heftiger, sah aber natürlich nichts. Nicolai fixirte nun die Erscheinung mit festem Blick und sie verschwand. Er glaubte, damit sei die Sache abgethan, aber die Visionen wiederholten sich. Lebende und verstorbene Personen kamen in sein Zimmer, ohne daß er wußte wie. Einst <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0053" n="41"/> recht eindringliche Vorstellungen zu machen. „Welchen Nutzen für die Wissenschaft können diese Zänkereien haben, die nur zu oft in Persönlichkeiten ausarten? Was müssen Sie sich alles gefallen lassen! 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Auch hierüber haben sich allerlei Familientraditionen erhalten, die den Vorgang in etwas vervollständigen, und von den gedruckten Nachrichten abweichen. </p><lb/> <p>Nicolai hatte einen heftigen Aerger über seinen Sohn Karl gehabt, und war im höchsten Affekt begriffen, als plötzlich sein verstorbener Sohn Samuel, der sich selbst das Leben genommen, hinter dem Schreibtische vor ihm stand. Er erschrak nicht wenig, und fragte seine Frau, die neben ihm stand, ob sie auch den seeligen Samuel sehe? Diese erschrak noch heftiger, sah aber natürlich nichts. Nicolai fixirte nun die Erscheinung mit festem Blick und sie verschwand. Er glaubte, damit sei die Sache abgethan, aber die Visionen wiederholten sich. Lebende und verstorbene Personen kamen in sein Zimmer, ohne daß er wußte wie. Einst </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0053]
recht eindringliche Vorstellungen zu machen. „Welchen Nutzen für die Wissenschaft können diese Zänkereien haben, die nur zu oft in Persönlichkeiten ausarten? Was müssen Sie sich alles gefallen lassen! Ist es nicht erschrecklich, daß Fichte in seinem neusten Buche Sie einen Hund genannt?“ – „Ja wohl“, fiel ihr Nicolai Ins Wort, „ich bin der bellende Hund, der allemal seine warnende Stimme erheben muß, sobald er merkt, daß irgend etwas in der deutschen Litteratur nicht in Ordnung ist“; u. s. w. Was ließ sich gegen eine solche Ueberzeugung noch weiter vorbringen?
Durch jene Händel mit Fichte wurde Nicolai schon früher veranlaßt, in einer akademischen Vorlesung vom Jahre 1799 jene merkwürdigen Nachrichten von den Phantasmen zu geben, die ihn einige Zeit heimgesucht, und derentwegen ihn Göthe als den Proktophantasmisten auf den Blocksberg versetzt. Auch hierüber haben sich allerlei Familientraditionen erhalten, die den Vorgang in etwas vervollständigen, und von den gedruckten Nachrichten abweichen.
Nicolai hatte einen heftigen Aerger über seinen Sohn Karl gehabt, und war im höchsten Affekt begriffen, als plötzlich sein verstorbener Sohn Samuel, der sich selbst das Leben genommen, hinter dem Schreibtische vor ihm stand. Er erschrak nicht wenig, und fragte seine Frau, die neben ihm stand, ob sie auch den seeligen Samuel sehe? Diese erschrak noch heftiger, sah aber natürlich nichts. Nicolai fixirte nun die Erscheinung mit festem Blick und sie verschwand. Er glaubte, damit sei die Sache abgethan, aber die Visionen wiederholten sich. Lebende und verstorbene Personen kamen in sein Zimmer, ohne daß er wußte wie. Einst
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/53>, abgerufen am 15.06.2024. |