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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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II. Abth. IV. Cap. Von der
Ob man ei-
ne Sache,
die in der
Beichte
entdecket
worden, aus-
schwatzen
kan, wenn
man auch
anderweit
Nachricht
davon er-langt.
§. XVIII.

Man hält dafür/ daß man auch sodann
niemand beschuldigen könne/ er habe aus der Beichte ge-
schwatzet/ wenn der Beicht-Vater seine Wissenschafft an-
derweit
her hat. Es könte demselben durch das gemeine
Geschrey zu Ohren kommen seyn. Ja wenn man etwas
nach vollendeter Beichte entdeckte/ so dürffte es der Beicht-
Vater gar wohl andern sagen. Allein was das erstere be-
trifft/ so muß man es mit Verstand annehmen. Das
andere aber ist/ wie oben gemeldet/ gantz irrig und falsch.
Denn wenn ein Beicht-Vater sich vergangen und ausge-
plaudert/ so könte er sich allezeit damit entschuldigen/ daß er
die Sache von andern auch erfahren. Die Doctores thei-
len sich also in zwey Hauffen. Einige sagen/ ein Priester
könte sodann die Sache andern erzehlen/ andere wollen es

nicht
lischen/ der et-
was offenbah-
ret, zu thun ist.
möchte sie einsten dahin bringen, daß sie sich oder andern ein Lei-
des anthäten.
Einen solchen melancholischen Menschen, mag
ein Beicht-Vater denen nächsten Anverwandten zu guter Obsicht
empfehlen. Ja nach Beschaffenheit der Sache, kan man wohl
gar in der Kirche vor ihn bitten. Es hindert nichts/ daß man
saget: auf solche Weise würde das Siegel der Beichte ge-
brochen.
Der arme Mensch besorget sich, daß er denen An-
fechtungen unterliegen
möchte. Auf andere Weise aber kan
das Ubel und der traurige Ausgang nicht verhütet werden. Ja
wenn auch ein solcher melancholischer Mensch verspräche, daß
er von seinem Vorsatz abstehen wolte, so soll es doch ein Prie-
ster nicht dabey bewenden lassen, denn es ist doch ungewiß, ob
es ein solcher Mensch thut, und ob er sich nicht vielmehr also
anstellt, die Leute sicher zu machen. Darum muß man auf der
Hut seyn, allem üblen Beginnen vorzukommen. Auf andere
Weise aber kan es nicht geschehen, als daß man andern Leu-
ten, nehmlich denen Anverwandten, des Menschen Vorhaben
hinterbringet.
a) Einige
II. Abth. IV. Cap. Von der
Ob man ei-
ne Sache,
die in der
Beichte
entdecket
wordẽ, aus-
ſchwatzen
kan, wenn
man auch
anderweit
Nachricht
davon er-langt.
§. XVIII.

Man haͤlt dafuͤr/ daß man auch ſodann
niemand beſchuldigen koͤnne/ er habe aus der Beichte ge-
ſchwatzet/ wenn der Beicht-Vater ſeine Wiſſenſchafft an-
derweit
her hat. Es koͤnte demſelben durch das gemeine
Geſchrey zu Ohren kommen ſeyn. Ja wenn man etwas
nach vollendeter Beichte entdeckte/ ſo duͤrffte es der Beicht-
Vater gar wohl andern ſagen. Allein was das erſtere be-
trifft/ ſo muß man es mit Verſtand annehmen. Das
andere aber iſt/ wie oben gemeldet/ gantz irrig und falſch.
Denn wenn ein Beicht-Vater ſich vergangen und ausge-
plaudert/ ſo koͤnte er ſich allezeit damit entſchuldigen/ daß er
die Sache von andern auch erfahren. Die Doctores thei-
len ſich alſo in zwey Hauffen. Einige ſagen/ ein Prieſter
koͤnte ſodann die Sache andern erzehlen/ andere wollen es

nicht
liſchen/ der et-
was offenbah-
ret, zu thun iſt.
moͤchte ſie einſten dahin bringen, daß ſie ſich oder andern ein Lei-
des anthaͤten.
Einen ſolchen melancholiſchen Menſchen, mag
ein Beicht-Vater denen naͤchſten Anverwandten zu guter Obſicht
empfehlen. Ja nach Beſchaffenheit der Sache, kan man wohl
gar in der Kirche vor ihn bitten. Es hindert nichts/ daß man
ſaget: auf ſolche Weiſe wuͤrde das Siegel der Beichte ge-
brochen.
Der arme Menſch beſorget ſich, daß er denen An-
fechtungen unterliegen
moͤchte. Auf andere Weiſe aber kan
das Ubel und der traurige Ausgang nicht verhuͤtet werden. Ja
wenn auch ein ſolcher melancholiſcher Menſch verſpraͤche, daß
er von ſeinem Vorſatz abſtehen wolte, ſo ſoll es doch ein Prie-
ſter nicht dabey bewenden laſſen, denn es iſt doch ungewiß, ob
es ein ſolcher Menſch thut, und ob er ſich nicht vielmehr alſo
anſtellt, die Leute ſicher zu machen. Darum muß man auf der
Hut ſeyn, allem uͤblen Beginnen vorzukommen. Auf andere
Weiſe aber kan es nicht geſchehen, als daß man andern Leu-
ten, nehmlich denen Anverwandten, des Menſchen Vorhaben
hinterbringet.
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[326/0345] II. Abth. IV. Cap. Von der §. XVIII. Man haͤlt dafuͤr/ daß man auch ſodann niemand beſchuldigen koͤnne/ er habe aus der Beichte ge- ſchwatzet/ wenn der Beicht-Vater ſeine Wiſſenſchafft an- derweit her hat. Es koͤnte demſelben durch das gemeine Geſchrey zu Ohren kommen ſeyn. Ja wenn man etwas nach vollendeter Beichte entdeckte/ ſo duͤrffte es der Beicht- Vater gar wohl andern ſagen. Allein was das erſtere be- trifft/ ſo muß man es mit Verſtand annehmen. Das andere aber iſt/ wie oben gemeldet/ gantz irrig und falſch. Denn wenn ein Beicht-Vater ſich vergangen und ausge- plaudert/ ſo koͤnte er ſich allezeit damit entſchuldigen/ daß er die Sache von andern auch erfahren. Die Doctores thei- len ſich alſo in zwey Hauffen. Einige ſagen/ ein Prieſter koͤnte ſodann die Sache andern erzehlen/ andere wollen es nicht (c) (c) moͤchte ſie einſten dahin bringen, daß ſie ſich oder andern ein Lei- des anthaͤten. Einen ſolchen melancholiſchen Menſchen, mag ein Beicht-Vater denen naͤchſten Anverwandten zu guter Obſicht empfehlen. Ja nach Beſchaffenheit der Sache, kan man wohl gar in der Kirche vor ihn bitten. Es hindert nichts/ daß man ſaget: auf ſolche Weiſe wuͤrde das Siegel der Beichte ge- brochen. Der arme Menſch beſorget ſich, daß er denen An- fechtungen unterliegen moͤchte. Auf andere Weiſe aber kan das Ubel und der traurige Ausgang nicht verhuͤtet werden. Ja wenn auch ein ſolcher melancholiſcher Menſch verſpraͤche, daß er von ſeinem Vorſatz abſtehen wolte, ſo ſoll es doch ein Prie- ſter nicht dabey bewenden laſſen, denn es iſt doch ungewiß, ob es ein ſolcher Menſch thut, und ob er ſich nicht vielmehr alſo anſtellt, die Leute ſicher zu machen. Darum muß man auf der Hut ſeyn, allem uͤblen Beginnen vorzukommen. Auf andere Weiſe aber kan es nicht geſchehen, als daß man andern Leu- ten, nehmlich denen Anverwandten, des Menſchen Vorhaben hinterbringet. a) Einige

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/345>, abgerufen am 30.04.2024.