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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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lichkeit, die er in alles hineinbringen konnte,
was er mit Angelegenheit überlegt hatte, zu
reden.

Er hatte von nun an alle Abende ein halb
Dozend und mehr junge Leuthe bey sich, denen
er stundenlang mit seiner unnachahmlichen Ge-
dult links und rechts in den Kopf hineinzubrin-
gen suchte, was der Junker und der Pfarrer
im Grund suchen, und worinn und warum
man sie unrecht verstehe?

Unter den jungen Leuthen, mit denen er so
redte, war ein Lindenberger, der ganz ausser-
ordentlich in alles hineindrang. Es war vol-
lends, wie wenn alles schon vorher in seiner
Seele gelegen, so brauchte es nur einen Wink
es aus ihm herauszubringen.

Wenn er nur eine Viertelstunde hernach von
dem redete, was der Lieutenant eben erklärte,
brauchte er schon kein Wort mehr von seinen,
sondern hatte schon eigene Bilder und Ausdrüke,
welche zeigten, daß er, was er sage, ganz aus
dem Seinigen nehme.

Auch sagte der Lieutenant, da er ihn kaum
ein paar mal reden hörte, zum Pfarrer: dieser
Mann wird dem Hartknopfen-Geschmeiß den
Kopf zertreten.

Er irrete sich nicht, er zertrat sie wie Wür-
mer, sobald er anfieng über ihre Meynungen
das Maul aufzuthun.


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lichkeit, die er in alles hineinbringen konnte,
was er mit Angelegenheit uͤberlegt hatte, zu
reden.

Er hatte von nun an alle Abende ein halb
Dozend und mehr junge Leuthe bey ſich, denen
er ſtundenlang mit ſeiner unnachahmlichen Ge-
dult links und rechts in den Kopf hineinzubrin-
gen ſuchte, was der Junker und der Pfarrer
im Grund ſuchen, und worinn und warum
man ſie unrecht verſtehe?

Unter den jungen Leuthen, mit denen er ſo
redte, war ein Lindenberger, der ganz auſſer-
ordentlich in alles hineindrang. Es war vol-
lends, wie wenn alles ſchon vorher in ſeiner
Seele gelegen, ſo brauchte es nur einen Wink
es aus ihm herauszubringen.

Wenn er nur eine Viertelſtunde hernach von
dem redete, was der Lieutenant eben erklaͤrte,
brauchte er ſchon kein Wort mehr von ſeinen,
ſondern hatte ſchon eigene Bilder und Ausdruͤke,
welche zeigten, daß er, was er ſage, ganz aus
dem Seinigen nehme.

Auch ſagte der Lieutenant, da er ihn kaum
ein paar mal reden hoͤrte, zum Pfarrer: dieſer
Mann wird dem Hartknopfen-Geſchmeiß den
Kopf zertreten.

Er irrete ſich nicht, er zertrat ſie wie Wuͤr-
mer, ſobald er anfieng uͤber ihre Meynungen
das Maul aufzuthun.


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[339/0361] lichkeit, die er in alles hineinbringen konnte, was er mit Angelegenheit uͤberlegt hatte, zu reden. Er hatte von nun an alle Abende ein halb Dozend und mehr junge Leuthe bey ſich, denen er ſtundenlang mit ſeiner unnachahmlichen Ge- dult links und rechts in den Kopf hineinzubrin- gen ſuchte, was der Junker und der Pfarrer im Grund ſuchen, und worinn und warum man ſie unrecht verſtehe? Unter den jungen Leuthen, mit denen er ſo redte, war ein Lindenberger, der ganz auſſer- ordentlich in alles hineindrang. Es war vol- lends, wie wenn alles ſchon vorher in ſeiner Seele gelegen, ſo brauchte es nur einen Wink es aus ihm herauszubringen. Wenn er nur eine Viertelſtunde hernach von dem redete, was der Lieutenant eben erklaͤrte, brauchte er ſchon kein Wort mehr von ſeinen, ſondern hatte ſchon eigene Bilder und Ausdruͤke, welche zeigten, daß er, was er ſage, ganz aus dem Seinigen nehme. Auch ſagte der Lieutenant, da er ihn kaum ein paar mal reden hoͤrte, zum Pfarrer: dieſer Mann wird dem Hartknopfen-Geſchmeiß den Kopf zertreten. Er irrete ſich nicht, er zertrat ſie wie Wuͤr- mer, ſobald er anfieng uͤber ihre Meynungen das Maul aufzuthun. Y 2

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/361>, abgerufen am 30.04.2024.