"So viel herrschende Leidenschaften eine Frau hat, "und man sagt, deren wären eine ziemliche An- "zahl: so viel Wege hat man, zu seinem Zwecke zu "gelangen. So viel ist gewiß, mit alten Mün- "zen und Gemmis werde ich die Frau eines Rich- "ters nicht verführen: aber das weiß ich sehr wohl, "daß eine Garnitur Meißnerporcellan, zu seiner "Zeit angebracht, Wunder thut. Ein guter "Freund von mir war durch die Unachtsamkeit sei- "nes Advocaten so unglücklich, daß er seinen Pro- "ceß verlohr. Keine Leuterung, keine Appella- "tion half ihm mehr; er war ganz abgewiesen. "Endlich fand er ganz unvermuthet einen Weg, "sich durch einen reichen Stoff am rechten Orte zu "empfehlen; und da hieß es: Nunmehro aus "den Acten so viel zu befinden etc.
"Wer die Kunst recht versteht, den Beyfall "der Frau seines Richters zu gewinnen, der hat "viele Vortheile, die man nicht hat, wenn man "sich nur an den Mann hält. Es macht bey der "Richterinn einen viel stärkern Eindruck, wenn ich "nachtheilig von andern Frauenzimmern, und be- "sonders von der Frau meines Gegners rede. Jch "kann es sicher wagen, ihr damit zu schmeicheln, "daß sie ihr weibliches Ansehn über ihren Mann, "und sein Amt behaupte. Jst eine solche Frau "noch über dieses zärtlich; wie viel haben wir ge- "wonnen! Das muß man nicht allemal verlangen, "daß sie schön aussieht. Sieht sie schön aus, desto
"besser,
Satyriſche Briefe.
„So viel herrſchende Leidenſchaften eine Frau hat, „und man ſagt, deren waͤren eine ziemliche An- „zahl: ſo viel Wege hat man, zu ſeinem Zwecke zu „gelangen. So viel iſt gewiß, mit alten Muͤn- „zen und Gemmis werde ich die Frau eines Rich- „ters nicht verfuͤhren: aber das weiß ich ſehr wohl, „daß eine Garnitur Meißnerporcellan, zu ſeiner „Zeit angebracht, Wunder thut. Ein guter „Freund von mir war durch die Unachtſamkeit ſei- „nes Advocaten ſo ungluͤcklich, daß er ſeinen Pro- „ceß verlohr. Keine Leuterung, keine Appella- „tion half ihm mehr; er war ganz abgewieſen. „Endlich fand er ganz unvermuthet einen Weg, „ſich durch einen reichen Stoff am rechten Orte zu „empfehlen; und da hieß es: Nunmehro aus „den Acten ſo viel zu befinden ꝛc.
„Wer die Kunſt recht verſteht, den Beyfall „der Frau ſeines Richters zu gewinnen, der hat „viele Vortheile, die man nicht hat, wenn man „ſich nur an den Mann haͤlt. Es macht bey der „Richterinn einen viel ſtaͤrkern Eindruck, wenn ich „nachtheilig von andern Frauenzimmern, und be- „ſonders von der Frau meines Gegners rede. Jch „kann es ſicher wagen, ihr damit zu ſchmeicheln, „daß ſie ihr weibliches Anſehn uͤber ihren Mann, „und ſein Amt behaupte. Jſt eine ſolche Frau „noch uͤber dieſes zaͤrtlich; wie viel haben wir ge- „wonnen! Das muß man nicht allemal verlangen, „daß ſie ſchoͤn ausſieht. Sieht ſie ſchoͤn aus, deſto
„beſſer,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0138"n="110"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/>„So viel herrſchende Leidenſchaften eine Frau hat,<lb/>„und man ſagt, deren waͤren eine ziemliche An-<lb/>„zahl: ſo viel Wege hat man, zu ſeinem Zwecke zu<lb/>„gelangen. So viel iſt gewiß, mit alten Muͤn-<lb/>„zen und Gemmis werde ich die Frau eines Rich-<lb/>„ters nicht verfuͤhren: aber das weiß ich ſehr wohl,<lb/>„daß eine Garnitur Meißnerporcellan, zu ſeiner<lb/>„Zeit angebracht, Wunder thut. Ein guter<lb/>„Freund von mir war durch die Unachtſamkeit ſei-<lb/>„nes Advocaten ſo ungluͤcklich, daß er ſeinen Pro-<lb/>„ceß verlohr. Keine Leuterung, keine Appella-<lb/>„tion half ihm mehr; er war ganz abgewieſen.<lb/>„Endlich fand er ganz unvermuthet einen Weg,<lb/>„ſich durch einen reichen Stoff am rechten Orte zu<lb/>„empfehlen; und da hieß es: <hirendition="#fr">Nunmehro aus<lb/>„den Acten ſo viel zu befinden ꝛc.</hi></p><lb/><p>„Wer die Kunſt recht verſteht, den Beyfall<lb/>„der Frau ſeines Richters zu gewinnen, der hat<lb/>„viele Vortheile, die man nicht hat, wenn man<lb/>„ſich nur an den Mann haͤlt. Es macht bey der<lb/>„Richterinn einen viel ſtaͤrkern Eindruck, wenn ich<lb/>„nachtheilig von andern Frauenzimmern, und be-<lb/>„ſonders von der Frau meines Gegners rede. Jch<lb/>„kann es ſicher wagen, ihr damit zu ſchmeicheln,<lb/>„daß ſie ihr weibliches Anſehn uͤber ihren Mann,<lb/>„und ſein Amt behaupte. Jſt eine ſolche Frau<lb/>„noch uͤber dieſes zaͤrtlich; wie viel haben wir ge-<lb/>„wonnen! Das muß man nicht allemal verlangen,<lb/>„daß ſie ſchoͤn ausſieht. Sieht ſie ſchoͤn aus, deſto<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„beſſer,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[110/0138]
Satyriſche Briefe.
„So viel herrſchende Leidenſchaften eine Frau hat,
„und man ſagt, deren waͤren eine ziemliche An-
„zahl: ſo viel Wege hat man, zu ſeinem Zwecke zu
„gelangen. So viel iſt gewiß, mit alten Muͤn-
„zen und Gemmis werde ich die Frau eines Rich-
„ters nicht verfuͤhren: aber das weiß ich ſehr wohl,
„daß eine Garnitur Meißnerporcellan, zu ſeiner
„Zeit angebracht, Wunder thut. Ein guter
„Freund von mir war durch die Unachtſamkeit ſei-
„nes Advocaten ſo ungluͤcklich, daß er ſeinen Pro-
„ceß verlohr. Keine Leuterung, keine Appella-
„tion half ihm mehr; er war ganz abgewieſen.
„Endlich fand er ganz unvermuthet einen Weg,
„ſich durch einen reichen Stoff am rechten Orte zu
„empfehlen; und da hieß es: Nunmehro aus
„den Acten ſo viel zu befinden ꝛc.
„Wer die Kunſt recht verſteht, den Beyfall
„der Frau ſeines Richters zu gewinnen, der hat
„viele Vortheile, die man nicht hat, wenn man
„ſich nur an den Mann haͤlt. Es macht bey der
„Richterinn einen viel ſtaͤrkern Eindruck, wenn ich
„nachtheilig von andern Frauenzimmern, und be-
„ſonders von der Frau meines Gegners rede. Jch
„kann es ſicher wagen, ihr damit zu ſchmeicheln,
„daß ſie ihr weibliches Anſehn uͤber ihren Mann,
„und ſein Amt behaupte. Jſt eine ſolche Frau
„noch uͤber dieſes zaͤrtlich; wie viel haben wir ge-
„wonnen! Das muß man nicht allemal verlangen,
„daß ſie ſchoͤn ausſieht. Sieht ſie ſchoͤn aus, deſto
„beſſer,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/138>, abgerufen am 13.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.