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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675.

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Das VIII Capitel.
Vom
Wol-Stand eines Bildes/ und dessen
Verkürzung.

Innhalt.

Warum nicht alle gemahlte Bilder wolgefällig seyen? Ein Bild mus in gerader Linie stehen. Arme und Beine/ sollen beyderseits/ mit vorausgehen und zurückbleiben/alterniren. Das Angesicht/ mus sich nach dem Vörder-Arm wenden: aber nicht nach dem Vörder-Fuß. Kopf und Leib/ sollen nicht zugleich nach einer Seite sich kehren. Das Haupt viel verdrehen/ stehet nicht wol in Geistlichen Gemälden. In nackenden Bildern/ mus man die Gliedmassen recht aneinander fügen. Der Hals/ mus nicht zu kurz seyn. Regeln von Fuß und Achseln. Die vornehmste Glieder/ sollen möglichst sichtbar und unverdeckt bleiben. Vielfältiges Verkürzen der Bilder ist zu meiden. Regeln von Kniehen und Füßen/ von Beinen und Schenkeln/ von den Achseln und Hüften/ von den Armen/ Händen und Füßen. Verdrehte Bilder/ sind wild und unformlich. Wie ein Bild aussehen und sich neigen soll? Wie weit man des Bildes Haupt umwenden mag? Wie hoch ein Arm zu heben. Regeln von Last-tragenden/ stehend- und gehenden Bildern. Der Bilder Natur-artige und wohlsittige action, ist allenthalben genau zu beobachten. Von Weibs-Bildern. Die Alter/ Complexion- und Naturen sind zu observiren. Von erbaren Frauen-Bildern; Jungen und Alten Manns-Bildern. Auch auf der Personen Profession mus abgesehen werden. Von Verkürzung der Bilder/ was sie sey? Michael Angelo hat hierinn excelliret. Anweisung zu dieser Kunst. Sie wird von Ignoranten ring geschätzet/ und doch gerühmet. Sie wird genannt/ al di sotto in su, von der Erden in die Höhe anzusehen.

[Spaltenumbruch]

OBwol der große Schöpfer durch die Natur alles wolständig erschaffen Warum nicht alle gemahlte Bilder wolgefällig seyen. hat/ so finden wir doch noch viel Ursachen/ warum ihre Schönheit/ in einem mehr/ als in andern/ vollkommen erscheinet: Maßen oftmals ein Bild/ welches/ sonderlich von jungen Mahlern/ mit viel Mühe und Arbeit gemahlet worden/ uns dannoch nicht gefallen will. Dieses entstehet daher/ wann die Umstände/ actionen und Stellungen nicht gut sind; welche die Natur dem Verstande des Künstlers selbst an die Hand gibet.

Ein Bild mus in gerader Linie stehen. Ein stehendes Bild/ soll eine gerade Bleywag-Linie haben/ oben herab von des Halses Kehle/ den Leib hinunter bis auf den Last-tragenden Fuß: alsdann ists ein rechtes wol-stehendes Bild.

Alle Menschen/ Junge und Alte/ Mann und Arme und Beine/ sollen beyderseits/ mit vorausgehen und zurückbleiben alterniren Weib/ auch die Kinder/ habens im Gebrauch/ daß im rühren oder gehen/ wann der rechte Fuß vornen hinaus gehet/ alsdann auf derselben Seiten hingegen der Arm zuruck weichet; gleichfalls wann der linke Arm vorher kommet/ der linke Fuß zuruck bleibet: und also Arm und Beine/ auf jeder Seite/ immer mit einander umwechslen. Eben dieses sihet man auch an den vierfüssigen Thieren: da/ im gehen oder laufen/ die vördere mit den hintern Füssen/ nach Art der Natur/ zu alterniren pflegen.

Das Angesicht/ soll sich nach den Vörder-Arm wenden: Und dieses ist/ im Mahlen/ wol zu beobachten. Ein sitzendes oder stehendes Bild/ soll das Angesicht allezeit dahin wenden/ wo der Arm vorn hinaus [Spaltenumbruch] zeiget. Dieses ist/ in allen Statuen der guten Antichen/ auch in den Stucken selbiger und jetziger aber nicht nach dem Vörder-Fuß. Welt höchstberühmten Meistere zu sehen. Man sihet auch/ an etlichen stehenden Statuen und Menschen/ das Haupt nach dem Fuße sich kehren/ daß also der Leib sich auch dahin wenden will. Aber die Regeln der guten Stellung eines Bilds erfordern/ Kopf und Leib/ sollen nicht zugleich nach einer Seite sich kehren. daß das Haupt anderst/ als der Leib/ sich wenden solle. Deswegen soll ein Mahler auf Wendung des Haupts wol achtung geben/ und auf allerley Weis den Wolstand suchen: dann/ wann hierinn gefehlet wird/ so kan allein dadurch ein ganzes Bild unzierlich Das Haupt viel verdrehen/ stehet nicht wol in Geistlichen Gemälden. und mangelhaft werden. Jedoch in Heiligen und Geistlichen Stucken/ will das zuviel-verdrehen des Hauptes nicht wol stehen/ als welche erbarlich und andächtig kommen sollen.

In nackenden Bildern mus man die Gliedmaßen recht an einander fügen.Wann man etwas nackend ausbilden soll/ so mus man trachten/ daß das Bild ganz sey/ und das Glied/ welches der Mahler intendirt/ geendet werde. Er mus auch in diesen und andern Gliedern sich üben: damit er nicht eine gestümpelte Gewonheit an sich nehme/ niemals die Gliedmaßen wol an Der Hals mus nicht zu kurz seyn. einander zu hengen. Er mus auch den Hals nicht so kurz machen/ als ob der Kopf auf der Brust stünde. Der Arm mus nicht/ gleichwie der Regeln/ von Fuß Fuß/ wann man gehet/ sich hin und her schlingen. Wann sich der Kopf zur rechten wendet/ mus die und Achseln. linke Achsel niederer/ dann die rechte/ gebildet werden. Hingegen wann die Brust vorgebogen ist/ und der Kopf zur linken schauet: mus ebenmäßig die rechte Achsel niederer seyn/ als die linke. Man ist

Das VIII Capitel.
Vom
Wol-Stand eines Bildes/ und dessen
Verkürzung.

Innhalt.

Warum nicht alle gemahlte Bilder wolgefällig seyen? Ein Bild mus in gerader Linie stehen. Arme und Beine/ sollen beyderseits/ mit vorausgehen und zurückbleiben/alterniren. Das Angesicht/ mus sich nach dem Vörder-Arm wenden: aber nicht nach dem Vörder-Fuß. Kopf und Leib/ sollen nicht zugleich nach einer Seite sich kehren. Das Haupt viel verdrehen/ stehet nicht wol in Geistlichen Gemälden. In nackenden Bildern/ mus man die Gliedmassen recht aneinander fügen. Der Hals/ mus nicht zu kurz seyn. Regeln von Fuß und Achseln. Die vornehmste Glieder/ sollen möglichst sichtbar und unverdeckt bleiben. Vielfältiges Verkürzen der Bilder ist zu meiden. Regeln von Kniehen und Füßen/ von Beinen und Schenkeln/ von den Achseln und Hüften/ von den Armen/ Händen und Füßen. Verdrehte Bilder/ sind wild und unformlich. Wie ein Bild aussehen und sich neigen soll? Wie weit man des Bildes Haupt umwenden mag? Wie hoch ein Arm zu heben. Regeln von Last-tragenden/ stehend- und gehenden Bildern. Der Bilder Natur-artige und wohlsittige action, ist allenthalben genau zu beobachten. Von Weibs-Bildern. Die Alter/ Complexion- und Naturen sind zu observiren. Von erbaren Frauen-Bildern; Jungen und Alten Manns-Bildern. Auch auf der Personen Profession mus abgesehen werden. Von Verkürzung der Bilder/ was sie sey? Michaël Angelo hat hierinn excelliret. Anweisung zu dieser Kunst. Sie wird von Ignoranten ring geschätzet/ und doch gerühmet. Sie wird genannt/ al di sotto in su, von der Erden in die Höhe anzusehen.

[Spaltenumbruch]

OBwol der große Schöpfer durch die Natur alles wolständig erschaffen Warum nicht alle gemahlte Bilder wolgefällig seyen. hat/ so finden wir doch noch viel Ursachen/ warum ihre Schönheit/ in einem mehr/ als in andern/ vollkommen erscheinet: Maßen oftmals ein Bild/ welches/ sonderlich von jungen Mahlern/ mit viel Mühe und Arbeit gemahlet worden/ uns dannoch nicht gefallen will. Dieses entstehet daher/ wann die Umstände/ actionen und Stellungen nicht gut sind; welche die Natur dem Verstande des Künstlers selbst an die Hand gibet.

Ein Bild mus in gerader Linie stehen. Ein stehendes Bild/ soll eine gerade Bleywag-Linie haben/ oben herab von des Halses Kehle/ den Leib hinunter bis auf den Last-tragenden Fuß: alsdann ists ein rechtes wol-stehendes Bild.

Alle Menschen/ Junge und Alte/ Mann und Arme und Beine/ sollen beyderseits/ mit vorausgehen und zurückbleiben alterniren Weib/ auch die Kinder/ habens im Gebrauch/ daß im rühren oder gehen/ wann der rechte Fuß vornen hinaus gehet/ alsdann auf derselben Seiten hingegen der Arm zuruck weichet; gleichfalls wann der linke Arm vorher kommet/ der linke Fuß zuruck bleibet: und also Arm und Beine/ auf jeder Seite/ immer mit einander umwechslen. Eben dieses sihet man auch an den vierfüssigen Thieren: da/ im gehen oder laufen/ die vördere mit den hintern Füssen/ nach Art der Natur/ zu alterniren pflegen.

Das Angesicht/ soll sich nach den Vörder-Arm wenden: Und dieses ist/ im Mahlen/ wol zu beobachten. Ein sitzendes oder stehendes Bild/ soll das Angesicht allezeit dahin wenden/ wo der Arm vorn hinaus [Spaltenumbruch] zeiget. Dieses ist/ in allen Statuen der guten Antichen/ auch in den Stucken selbiger und jetziger aber nicht nach dem Vörder-Fuß. Welt höchstberühmten Meistere zu sehen. Man sihet auch/ an etlichen stehenden Statuen und Menschen/ das Haupt nach dem Fuße sich kehren/ daß also der Leib sich auch dahin wenden will. Aber die Regeln der guten Stellung eines Bilds erfordern/ Kopf und Leib/ sollen nicht zugleich nach einer Seite sich kehren. daß das Haupt anderst/ als der Leib/ sich wenden solle. Deswegen soll ein Mahler auf Wendung des Haupts wol achtung geben/ und auf allerley Weis den Wolstand suchen: dann/ wann hierinn gefehlet wird/ so kan allein dadurch ein ganzes Bild unzierlich Das Haupt viel verdrehen/ stehet nicht wol in Geistlichen Gemälden. und mangelhaft werden. Jedoch in Heiligen und Geistlichen Stucken/ will das zuviel-verdrehen des Hauptes nicht wol stehen/ als welche erbarlich und andächtig kommen sollen.

In nackenden Bildern mus man die Gliedmaßen recht an einander fügen.Wann man etwas nackend ausbilden soll/ so mus man trachten/ daß das Bild ganz sey/ und das Glied/ welches der Mahler intendirt/ geendet werde. Er mus auch in diesen und andern Gliedern sich üben: damit er nicht eine gestümpelte Gewonheit an sich nehme/ niemals die Gliedmaßen wol an Der Hals mus nicht zu kurz seyn. einander zu hengen. Er mus auch den Hals nicht so kurz machen/ als ob der Kopf auf der Brust stünde. Der Arm mus nicht/ gleichwie der Regeln/ von Fuß Fuß/ wann man gehet/ sich hin und her schlingen. Wann sich der Kopf zur rechten wendet/ mus die und Achseln. linke Achsel niederer/ dann die rechte/ gebildet werden. Hingegen wann die Brust vorgebogen ist/ und der Kopf zur linken schauet: mus ebenmäßig die rechte Achsel niederer seyn/ als die linke. Man ist

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675, S. [I, Buch 3 (Malerei), S. 74]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675/253>, abgerufen am 26.04.2024.