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Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821.

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bereits eingetreten, bleibt offenbar nichts übrig, als
daß die Menschen, wollen sie nicht verhungern, oder
betteln und stehlen, sich selbst alsdann auf Kunst-
Arbeiten legen, wenn dieselbe nur in das Aus-
land, und wären es die entferntesten Län-
der, abgesezt werden können.
Mögen also
gleich solche Kunst-Arbeiten immerhin der Gefahr aus-
gesezt seyn, durch Umstände der obengedachten Art
über kurz oder lang ihren Werth zu verlieren, so sind
sie doch in sehr vielen Fällen gleichsam der lezte Zweig,
an welchem sich der Hülflose halten, und vor gänz-
lichem Untergange retten kann, und es ist doch besser,
sich an einen solchen wenn gleich sehr precären und
nur vorübergehenden Gewerbszweig zu halten, als zu
verhungern oder durch Betteln und Stehlen sich seinen
Lebens-Unterhalt zu verschaffen.

§. 40.

Große Vorsicht erfordert hiebey allerdings die
Wahl solcher Kunstgewerbe, wozu das rohe Material,
wie z. B. die Baumwolle, Seide etc. erst mit großen
Kosten aus dem Auslande bezogen werden
muß
, und welche, wie z. B. die Baum- und Schaf-
wollen-Arbeiten, bereits im Jn- oder Auslande durch
Maschinen mit einer Zeit- und Kraft-Er-
sparniß und mit einer Kunst
betrieben werden,
mit welcher die Hand-Arbeit die Concurrenz nicht
aushalten kann, und wobey also der Erlöß aus dem
Fabrikat und der Arbeitslohn so gering ausfallen, daß
niemand dabey bestehen kann. -- Aber selbst die vater-
ländische Urproduction kann gehoben, selbst der Ertrag
des vaterländischen Grund und Bodens kann für den
Landwirth gesteigert werden, wenn Naturprodukte,

bereits eingetreten, bleibt offenbar nichts uͤbrig, als
daß die Menſchen, wollen ſie nicht verhungern, oder
betteln und ſtehlen, ſich ſelbſt alsdann auf Kunſt-
Arbeiten legen, wenn dieſelbe nur in das Aus-
land, und waͤren es die entfernteſten Laͤn-
der, abgeſezt werden koͤnnen.
Moͤgen alſo
gleich ſolche Kunſt-Arbeiten immerhin der Gefahr aus-
geſezt ſeyn, durch Umſtaͤnde der obengedachten Art
uͤber kurz oder lang ihren Werth zu verlieren, ſo ſind
ſie doch in ſehr vielen Faͤllen gleichſam der lezte Zweig,
an welchem ſich der Huͤlfloſe halten, und vor gaͤnz-
lichem Untergange retten kann, und es iſt doch beſſer,
ſich an einen ſolchen wenn gleich ſehr precaͤren und
nur voruͤbergehenden Gewerbszweig zu halten, als zu
verhungern oder durch Betteln und Stehlen ſich ſeinen
Lebens-Unterhalt zu verſchaffen.

§. 40.

Große Vorſicht erfordert hiebey allerdings die
Wahl ſolcher Kunſtgewerbe, wozu das rohe Material,
wie z. B. die Baumwolle, Seide ꝛc. erſt mit großen
Koſten aus dem Auslande bezogen werden
muß
, und welche, wie z. B. die Baum- und Schaf-
wollen-Arbeiten, bereits im Jn- oder Auslande durch
Maſchinen mit einer Zeit- und Kraft-Er-
ſparniß und mit einer Kunſt
betrieben werden,
mit welcher die Hand-Arbeit die Concurrenz nicht
aushalten kann, und wobey alſo der Erloͤß aus dem
Fabrikat und der Arbeitslohn ſo gering ausfallen, daß
niemand dabey beſtehen kann. — Aber ſelbſt die vater-
laͤndiſche Urproduction kann gehoben, ſelbſt der Ertrag
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[44/0054] bereits eingetreten, bleibt offenbar nichts uͤbrig, als daß die Menſchen, wollen ſie nicht verhungern, oder betteln und ſtehlen, ſich ſelbſt alsdann auf Kunſt- Arbeiten legen, wenn dieſelbe nur in das Aus- land, und waͤren es die entfernteſten Laͤn- der, abgeſezt werden koͤnnen. Moͤgen alſo gleich ſolche Kunſt-Arbeiten immerhin der Gefahr aus- geſezt ſeyn, durch Umſtaͤnde der obengedachten Art uͤber kurz oder lang ihren Werth zu verlieren, ſo ſind ſie doch in ſehr vielen Faͤllen gleichſam der lezte Zweig, an welchem ſich der Huͤlfloſe halten, und vor gaͤnz- lichem Untergange retten kann, und es iſt doch beſſer, ſich an einen ſolchen wenn gleich ſehr precaͤren und nur voruͤbergehenden Gewerbszweig zu halten, als zu verhungern oder durch Betteln und Stehlen ſich ſeinen Lebens-Unterhalt zu verſchaffen. §. 40. Große Vorſicht erfordert hiebey allerdings die Wahl ſolcher Kunſtgewerbe, wozu das rohe Material, wie z. B. die Baumwolle, Seide ꝛc. erſt mit großen Koſten aus dem Auslande bezogen werden muß, und welche, wie z. B. die Baum- und Schaf- wollen-Arbeiten, bereits im Jn- oder Auslande durch Maſchinen mit einer Zeit- und Kraft-Er- ſparniß und mit einer Kunſt betrieben werden, mit welcher die Hand-Arbeit die Concurrenz nicht aushalten kann, und wobey alſo der Erloͤß aus dem Fabrikat und der Arbeitslohn ſo gering ausfallen, daß niemand dabey beſtehen kann. — Aber ſelbſt die vater- laͤndiſche Urproduction kann gehoben, ſelbſt der Ertrag des vaterlaͤndiſchen Grund und Bodens kann fuͤr den Landwirth geſteigert werden, wenn Naturprodukte,

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Zitationshilfe: Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidlin_kinderindustrie_1821/54>, abgerufen am 26.04.2024.