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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
SECTIO VII.

Wegen meiner Postill oder Evangelischen er-
klährung. Einiger wolgefallen daran. Nicht allen gefäl-
let einerley wol. Dessen ursach
D. Pomarius. Dilfeld
beantwortet.

ES hat mich aus dessen geliebten brieff hertzlich erfreuet/ daß GOtt meine
einfältige arbeit in meiner Evangelischen erklährung so gesegnet/
daß einige fromme seelen sich darüber vergnügt befinden/ und dar-
durch aufgemuntert so dann zum lobe GOttes über der mir erwiesenen gna-
de bewogen worden; und was soll uns mehr freuen/ alß wo uns der HErr
würdiget/ daß nicht nur von uns/ sondern um unsert willen sein nahme mit
danck gepriesen werde? Jch werde auch aus diesem Exempel nochmahl be-
kräfftiget/ daß die krafft nicht stecke in der erudition, davon meine predigten
nichts in sich haben/ oder doch mit willen etwas vor solcher darinnen sehn
zulassen/ niemahls einige intention ist/ sondern in der grösten einfalt: Deß-
wegen mich so viel lieber noch immer weiter deroselbigen befleißigen/ und Gott
darum bitten will/ mir die gnade zugeben/ daß ich niemahl mit vernünfftigen
reden menschlicher weißheit in Göttlicher sache mich versündigen/ sondern das
Evangelium in beweisung deß Geistes und in krafft predigen/ und so treu er-
funden werden/ alß einige früchten an den seelen/ der menschen/ um ihn da-
vor so viel hertzlicher zudancken/ warnehmen möge. Ob auch einige von so
vornehmen Theologis alß auch andern guten Christen meine arbeit nicht ge-
fallen möchte/ habe weder ich noch andere/ die sie lieben/ darüber uns zube-
schwehren/ nicht nur allein dieweil mir selbst meine schwachheit bekant ist/
darnach auch das werck schmäcken mag/ sondern weil es auch in diesem stück
bewandt ist/ wie in dem leiblichen/ daß/ wie nur von dem geschmack zu re-
den/ einer an dieser/ oder auf diese weise zu bereiteten/ ein ander an einer an-
dern speise sein vergnügungen meistens findet/ und damit keiner deß andern
geschmack verwirfft/ also auch die art das geistliche vorzutragen/ welche alle-
zeit etwas von uns an sich hat (wie so gar der H. Geist denen von ihm un-
mittelbar erleuchteten männern dennoch jedem seinen eigenen stylum gelassen)
kan einem so/ dem andern anders/ gefallen/ und das gemüth durch eines eher
alß durch des andern bewogen werden/ ie nachdem es meiner eigenen art und
offt nicht genugsam bekanter disposition meines gemühts gemäßer ist:
Da hingegen eine andere art/ ob sie wohl eben solche warheit auch vorträgt/

mich
Das ſechſte Capitel.
SECTIO VII.

Wegen meiner Poſtill oder Evangeliſchen er-
klaͤhrung. Einiger wolgefallen daran. Nicht allen gefaͤl-
let einerley wol. Deſſen urſach
D. Pomarius. Dilfeld
beantwortet.

ES hat mich aus deſſen geliebten brieff hertzlich erfreuet/ daß GOtt meine
einfaͤltige arbeit in meiner Evangeliſchen erklaͤhrung ſo geſegnet/
daß einige fromme ſeelen ſich daruͤber vergnuͤgt befinden/ und dar-
durch aufgemuntert ſo dann zum lobe GOttes uͤber der mir erwieſenen gna-
de bewogen worden; und was ſoll uns mehr freuen/ alß wo uns der HErr
wuͤrdiget/ daß nicht nur von uns/ ſondern um unſert willen ſein nahme mit
danck geprieſen werde? Jch werde auch aus dieſem Exempel nochmahl be-
kraͤfftiget/ daß die krafft nicht ſtecke in der erudition, davon meine predigten
nichts in ſich haben/ oder doch mit willen etwas vor ſolcher darinnen ſehn
zulaſſen/ niemahls einige intention iſt/ ſondern in der groͤſten einfalt: Deß-
wegen mich ſo viel lieber noch immer weiter deroſelbigen befleißigen/ und Gott
darum bitten will/ mir die gnade zugeben/ daß ich niemahl mit vernuͤnfftigen
reden menſchlicher weißheit in Goͤttlicher ſache mich verſuͤndigen/ ſondern das
Evangelium in beweiſung deß Geiſtes und in krafft predigen/ und ſo treu er-
funden werden/ alß einige fruͤchten an den ſeelen/ der menſchen/ um ihn da-
vor ſo viel hertzlicher zudancken/ warnehmen moͤge. Ob auch einige von ſo
vornehmen Theologis alß auch andern guten Chriſten meine arbeit nicht ge-
fallen moͤchte/ habe weder ich noch andere/ die ſie lieben/ daruͤber uns zube-
ſchwehren/ nicht nur allein dieweil mir ſelbſt meine ſchwachheit bekant iſt/
darnach auch das werck ſchmaͤcken mag/ ſondern weil es auch in dieſem ſtuͤck
bewandt iſt/ wie in dem leiblichen/ daß/ wie nur von dem geſchmack zu re-
den/ einer an dieſer/ oder auf dieſe weiſe zu bereiteten/ ein ander an einer an-
dern ſpeiſe ſein vergnuͤgungen meiſtens findet/ und damit keiner deß andern
geſchmack verwirfft/ alſo auch die art das geiſtliche vorzutragen/ welche alle-
zeit etwas von uns an ſich hat (wie ſo gar der H. Geiſt denen von ihm un-
mittelbar erleuchteten maͤnnern dennoch jedem ſeinen eigenen ſtylum gelaſſen)
kan einem ſo/ dem andern anders/ gefallen/ und das gemuͤth durch eines eher
alß durch des andern bewogen werden/ ie nachdem es meiner eigenen art und
offt nicht genugſam bekanter diſpoſition meines gemuͤhts gemaͤßer iſt:
Da hingegen eine andere art/ ob ſie wohl eben ſolche warheit auch vortraͤgt/

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[374/0392] Das ſechſte Capitel. SECTIO VII. Wegen meiner Poſtill oder Evangeliſchen er- klaͤhrung. Einiger wolgefallen daran. Nicht allen gefaͤl- let einerley wol. Deſſen urſach D. Pomarius. Dilfeld beantwortet. ES hat mich aus deſſen geliebten brieff hertzlich erfreuet/ daß GOtt meine einfaͤltige arbeit in meiner Evangeliſchen erklaͤhrung ſo geſegnet/ daß einige fromme ſeelen ſich daruͤber vergnuͤgt befinden/ und dar- durch aufgemuntert ſo dann zum lobe GOttes uͤber der mir erwieſenen gna- de bewogen worden; und was ſoll uns mehr freuen/ alß wo uns der HErr wuͤrdiget/ daß nicht nur von uns/ ſondern um unſert willen ſein nahme mit danck geprieſen werde? Jch werde auch aus dieſem Exempel nochmahl be- kraͤfftiget/ daß die krafft nicht ſtecke in der erudition, davon meine predigten nichts in ſich haben/ oder doch mit willen etwas vor ſolcher darinnen ſehn zulaſſen/ niemahls einige intention iſt/ ſondern in der groͤſten einfalt: Deß- wegen mich ſo viel lieber noch immer weiter deroſelbigen befleißigen/ und Gott darum bitten will/ mir die gnade zugeben/ daß ich niemahl mit vernuͤnfftigen reden menſchlicher weißheit in Goͤttlicher ſache mich verſuͤndigen/ ſondern das Evangelium in beweiſung deß Geiſtes und in krafft predigen/ und ſo treu er- funden werden/ alß einige fruͤchten an den ſeelen/ der menſchen/ um ihn da- vor ſo viel hertzlicher zudancken/ warnehmen moͤge. Ob auch einige von ſo vornehmen Theologis alß auch andern guten Chriſten meine arbeit nicht ge- fallen moͤchte/ habe weder ich noch andere/ die ſie lieben/ daruͤber uns zube- ſchwehren/ nicht nur allein dieweil mir ſelbſt meine ſchwachheit bekant iſt/ darnach auch das werck ſchmaͤcken mag/ ſondern weil es auch in dieſem ſtuͤck bewandt iſt/ wie in dem leiblichen/ daß/ wie nur von dem geſchmack zu re- den/ einer an dieſer/ oder auf dieſe weiſe zu bereiteten/ ein ander an einer an- dern ſpeiſe ſein vergnuͤgungen meiſtens findet/ und damit keiner deß andern geſchmack verwirfft/ alſo auch die art das geiſtliche vorzutragen/ welche alle- zeit etwas von uns an ſich hat (wie ſo gar der H. Geiſt denen von ihm un- mittelbar erleuchteten maͤnnern dennoch jedem ſeinen eigenen ſtylum gelaſſen) kan einem ſo/ dem andern anders/ gefallen/ und das gemuͤth durch eines eher alß durch des andern bewogen werden/ ie nachdem es meiner eigenen art und offt nicht genugſam bekanter diſpoſition meines gemuͤhts gemaͤßer iſt: Da hingegen eine andere art/ ob ſie wohl eben ſolche warheit auch vortraͤgt/ mich

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/392>, abgerufen am 30.04.2024.