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Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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mir der Fürst eine kleine Pension zugesagt. Ich werde daheim einen wohlhäbigen Mann vorstellen. Seid daher bedankt, lieber Freund, und spart Eure Kräfte für die ungebetenen Gäste, die Euch morgen etwa schon über den Hals kommen dürften. Jenseits des Berges wimmelt es allenthalben von feindlichen Soldaten, die den Aufbruch mit Schmerzen erwarten. Ich will jedoch flink davon fahren, ehe sie da sein können. -- Sie sind glücklich, seufzte der Wirth voll Sorgen: Sie eilen Ihrem ruhigen Land entgegen, und wir müssen im Drangsal bleiben, wohin uns Gott gesetzt hat. -- Glücklich? fragte der Reisende mit einem Anflug von Schmerz: mein appenzellerisches Herz jubelt, aber mein Vaterherz ist bis zum Tode betrübt. Gott geb's besser. In der Alpenluft soll mein Weib und das mir gebliebene noch einmal so theuer gewordene Kinderpaar wieder aufblühen und gedeihen, so der Himmel will. Das Geschehene ist freilich nicht mehr anders zu machen!

Die fremde Familie genoß ihr frugales Abendbrod und suchte alsdann die stille Kammer. Der Vater küßte das vor Ermattung eingeduselte kranke Kind, und betete: Gott erhalte dich! Gelt, Johann, du bist morgen wieder gesund, du kleiner unartiger Bube? -- Der Knabe plauderte halb im Schlafe allerlei unverständliches Zeug. -- Laß ihn, Hagenbach, sagte die Mutter, das Kind zudeckend: es wird sein letzter Schlaf auf Erden sein. -- Warum nicht gar, Scholastika!

mir der Fürst eine kleine Pension zugesagt. Ich werde daheim einen wohlhäbigen Mann vorstellen. Seid daher bedankt, lieber Freund, und spart Eure Kräfte für die ungebetenen Gäste, die Euch morgen etwa schon über den Hals kommen dürften. Jenseits des Berges wimmelt es allenthalben von feindlichen Soldaten, die den Aufbruch mit Schmerzen erwarten. Ich will jedoch flink davon fahren, ehe sie da sein können. — Sie sind glücklich, seufzte der Wirth voll Sorgen: Sie eilen Ihrem ruhigen Land entgegen, und wir müssen im Drangsal bleiben, wohin uns Gott gesetzt hat. — Glücklich? fragte der Reisende mit einem Anflug von Schmerz: mein appenzellerisches Herz jubelt, aber mein Vaterherz ist bis zum Tode betrübt. Gott geb's besser. In der Alpenluft soll mein Weib und das mir gebliebene noch einmal so theuer gewordene Kinderpaar wieder aufblühen und gedeihen, so der Himmel will. Das Geschehene ist freilich nicht mehr anders zu machen!

Die fremde Familie genoß ihr frugales Abendbrod und suchte alsdann die stille Kammer. Der Vater küßte das vor Ermattung eingeduselte kranke Kind, und betete: Gott erhalte dich! Gelt, Johann, du bist morgen wieder gesund, du kleiner unartiger Bube? — Der Knabe plauderte halb im Schlafe allerlei unverständliches Zeug. — Laß ihn, Hagenbach, sagte die Mutter, das Kind zudeckend: es wird sein letzter Schlaf auf Erden sein. — Warum nicht gar, Scholastika!

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:06:51Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/11>, abgerufen am 26.04.2024.