doch die Verwaltungslehre festhalten, daß sie dieselben zwar kennen und gebrauchen, daß sie aber sich selbst mit ihnen nicht beschäftigen soll. Auf Geburt und Tod hat die Verwaltung keinen Einfluß, auf die Ehe soll sie keinen haben. Jene drei Faktoren der inneren Bewegung der Bevölkerung stehen daher an sich außerhalb der Verwaltungslehre. Sie gehören dem Gebiete des freien nach eignen Gesetzen sich bewegen- den individuellen Lebens.
Wenn daher Geburt, Ehe und Tod als reine Thatsachen mit der Verwaltung in Beziehung treten sollen, so muß dieß auf denjenigen Momenten beruhen, durch welche sie eben in Beziehung zu der übrigen Bevölkerung treten; und die Thätigkeit der Verwaltung kann sich deß- halb auch eben nur auf diese Momente derselben erstrecken. Diese aber liegen nahe.
Geburt, Ehe und Tod, indem sie das Einzelleben begründen, ändern oder enden, begründen, ändern und enden damit auch die ganze Summe von rechtlichen Verhältnissen, welche das rechtliche Leben der Persönlichkeit bilden. Diese an sich rein physiologischen Thatsachen werden damit, da sie für jeden Einzelnen eintreten, zu juristischen Thatsachen, auf deren juristischer Feststellung die Geltendmachung aller derjenigen Rechte beruht, die durch sie modificirt werden. Diese Feststellung wird dadurch zu einer wesentlichen Bedingung für Ordnung und Sicherung des Verkehrslebens, und zwar zu einer solchen, die nicht bloß für jeden Einzelnen von hohem Werthe wird, sondern die auch der Einzelne durch eigne Kraft oft gar nicht, nie aber ohne unverhältniß- mäßige Anstrengung und Kosten feststellen kann. Diese Kenntniß und die gemeingültige Feststellung derselben wird dadurch zu einer Aufgabe der Verwaltung; und die Vorschriften und Anstalten derselben, deren Zweck eine solche gemeingültige Feststellung dieser Thatsachen ist, fassen wir zusammen als die Ordnung der Standesregister (der Civil- standsregister oder des Matrikenwesens).
Die Standesregister oder Matriken erscheinen daher als diejenige Einrichtung der Verwaltung, vermöge deren die letztere die That- sachen der Geburt, der Ehe und des Todes der Einzelnen durch ihre Organe feststellt, um vermöge dieser Feststellung die Grundlage für die aus derselben folgenden Rechtsbeziehungen aller übrigen Einzelnen zu gewinnen.
Die Bestimmung dieser Definition ist nun darum von Wichtig- keit, weil sie es ist, aus welcher die Grundsätze für die Ordnung dieser Standesregister und endlich auch die Elemente ihrer Geschichte folgen.
doch die Verwaltungslehre feſthalten, daß ſie dieſelben zwar kennen und gebrauchen, daß ſie aber ſich ſelbſt mit ihnen nicht beſchäftigen ſoll. Auf Geburt und Tod hat die Verwaltung keinen Einfluß, auf die Ehe ſoll ſie keinen haben. Jene drei Faktoren der inneren Bewegung der Bevölkerung ſtehen daher an ſich außerhalb der Verwaltungslehre. Sie gehören dem Gebiete des freien nach eignen Geſetzen ſich bewegen- den individuellen Lebens.
Wenn daher Geburt, Ehe und Tod als reine Thatſachen mit der Verwaltung in Beziehung treten ſollen, ſo muß dieß auf denjenigen Momenten beruhen, durch welche ſie eben in Beziehung zu der übrigen Bevölkerung treten; und die Thätigkeit der Verwaltung kann ſich deß- halb auch eben nur auf dieſe Momente derſelben erſtrecken. Dieſe aber liegen nahe.
Geburt, Ehe und Tod, indem ſie das Einzelleben begründen, ändern oder enden, begründen, ändern und enden damit auch die ganze Summe von rechtlichen Verhältniſſen, welche das rechtliche Leben der Perſönlichkeit bilden. Dieſe an ſich rein phyſiologiſchen Thatſachen werden damit, da ſie für jeden Einzelnen eintreten, zu juriſtiſchen Thatſachen, auf deren juriſtiſcher Feſtſtellung die Geltendmachung aller derjenigen Rechte beruht, die durch ſie modificirt werden. Dieſe Feſtſtellung wird dadurch zu einer weſentlichen Bedingung für Ordnung und Sicherung des Verkehrslebens, und zwar zu einer ſolchen, die nicht bloß für jeden Einzelnen von hohem Werthe wird, ſondern die auch der Einzelne durch eigne Kraft oft gar nicht, nie aber ohne unverhältniß- mäßige Anſtrengung und Koſten feſtſtellen kann. Dieſe Kenntniß und die gemeingültige Feſtſtellung derſelben wird dadurch zu einer Aufgabe der Verwaltung; und die Vorſchriften und Anſtalten derſelben, deren Zweck eine ſolche gemeingültige Feſtſtellung dieſer Thatſachen iſt, faſſen wir zuſammen als die Ordnung der Standesregiſter (der Civil- ſtandsregiſter oder des Matrikenweſens).
Die Standesregiſter oder Matriken erſcheinen daher als diejenige Einrichtung der Verwaltung, vermöge deren die letztere die That- ſachen der Geburt, der Ehe und des Todes der Einzelnen durch ihre Organe feſtſtellt, um vermöge dieſer Feſtſtellung die Grundlage für die aus derſelben folgenden Rechtsbeziehungen aller übrigen Einzelnen zu gewinnen.
Die Beſtimmung dieſer Definition iſt nun darum von Wichtig- keit, weil ſie es iſt, aus welcher die Grundſätze für die Ordnung dieſer Standesregiſter und endlich auch die Elemente ihrer Geſchichte folgen.
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doch die Verwaltungslehre feſthalten, daß ſie dieſelben zwar kennen und
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Ehe ſoll ſie keinen haben. Jene drei Faktoren der inneren Bewegung
der Bevölkerung ſtehen daher an ſich außerhalb der Verwaltungslehre.
Sie gehören dem Gebiete des freien nach eignen Geſetzen ſich bewegen-
den individuellen Lebens.
Wenn daher Geburt, Ehe und Tod als reine Thatſachen mit der
Verwaltung in Beziehung treten ſollen, ſo muß dieß auf denjenigen
Momenten beruhen, durch welche ſie eben in Beziehung zu der übrigen
Bevölkerung treten; und die Thätigkeit der Verwaltung kann ſich deß-
halb auch eben nur auf dieſe Momente derſelben erſtrecken. Dieſe aber
liegen nahe.
Geburt, Ehe und Tod, indem ſie das Einzelleben begründen,
ändern oder enden, begründen, ändern und enden damit auch die ganze
Summe von rechtlichen Verhältniſſen, welche das rechtliche Leben der
Perſönlichkeit bilden. Dieſe an ſich rein phyſiologiſchen Thatſachen
werden damit, da ſie für jeden Einzelnen eintreten, zu juriſtiſchen
Thatſachen, auf deren juriſtiſcher Feſtſtellung die Geltendmachung
aller derjenigen Rechte beruht, die durch ſie modificirt werden. Dieſe
Feſtſtellung wird dadurch zu einer weſentlichen Bedingung für Ordnung
und Sicherung des Verkehrslebens, und zwar zu einer ſolchen, die nicht
bloß für jeden Einzelnen von hohem Werthe wird, ſondern die auch
der Einzelne durch eigne Kraft oft gar nicht, nie aber ohne unverhältniß-
mäßige Anſtrengung und Koſten feſtſtellen kann. Dieſe Kenntniß und
die gemeingültige Feſtſtellung derſelben wird dadurch zu einer Aufgabe
der Verwaltung; und die Vorſchriften und Anſtalten derſelben, deren
Zweck eine ſolche gemeingültige Feſtſtellung dieſer Thatſachen iſt, faſſen
wir zuſammen als die Ordnung der Standesregiſter (der Civil-
ſtandsregiſter oder des Matrikenweſens).
Die Standesregiſter oder Matriken erſcheinen daher als diejenige
Einrichtung der Verwaltung, vermöge deren die letztere die That-
ſachen der Geburt, der Ehe und des Todes der Einzelnen
durch ihre Organe feſtſtellt, um vermöge dieſer Feſtſtellung die
Grundlage für die aus derſelben folgenden Rechtsbeziehungen aller
übrigen Einzelnen zu gewinnen.
Die Beſtimmung dieſer Definition iſt nun darum von Wichtig-
keit, weil ſie es iſt, aus welcher die Grundſätze für die Ordnung
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/252>, abgerufen am 15.06.2024.
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