Staaten, beweist unter anderm das Chur-Trier'sche Plakat wegen Verfolgung von Räuberbanden vom 3. September 1736 (Berg, Deutsche Polizeigesetze I. S. 20). Eine ganze Reihe von Verordnungen daselbst zeigt uns das Verfahren dabei; es läuft stets darauf hinaus, den im Verdacht des Vagabundirens stehenden zu einem Nachweis seiner Heimath zu zwingen, um ihn dahin zurückzuschicken. Daraus scheint schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts der allgemeine Satz her- vorgegangen zu sein, daß jede Obrigkeit das Recht habe, Bettler und Arme mit "obrigkeitlichen Pässen" oder "Attestaten" auszurüsten, die dann die Inhaber wenigstens zum Theil vor dem Verfahren gegen Vaga- bunden schützte, namentlich als sich das Institut der Gendarmerie unter verschiedenen Namen in Deutschland ausbildete (Institut der badenschen Hatschiere von 1768 -- Polizeidragoner in Olden- burg 1791; Berg, Deutsche Polizeigesetzgeb. I. 2. Hauptst.). Eine auch literargeschichtliche nicht uninteressante Anspielung auf "Karl Moor" nebst Daten über das Räuberwesen bei Berg (Handb. IV. S. 610 f.). Als nun mit Ende des Jahrhunderts durch die Bewegungen, welche die französischen Kriege hervorbrachten, das Herumziehen allgemein und die Kraft der localen Herrschaften zu gering ward, versuchte man zuerst, für das Paßwesen als Legitimationsform für jeden Reisenden gemein- schaftliche und gleichartige Vorschriften zu geben und allgemein gültige Formeln festzusetzen, wie in dem Schwäbischen Kreisschluß gegen herrenloses Gesindel vom 18. Januar 1802, das ein neues Formular der Pässe im schwäbischen Kreise aufstellte. Berg, Deutsches Polizei- gesetz S. 32 ff., ähnlich in andern Gebieten. Vergl. namentlich was Häberlin in seinem Staatsarchiv Heft 21 S. 39 f. über den im Jahr 1801 zu Wetzlar versammelten Polizei-Convent mittheilt -- "auf kurze Zeit half dies vielleicht, dauernde Wirkungen hat man davon größtentheils vergebens erwartet" (Berg, Handbuch Theil IV. S. 614). So bildete sich die noch gegenwärtig geltende Form und das noch gegenwärtig geltende Recht der Pässe im Anfang unsres Jahrhunderts ziemlich vollständig aus; das Formular für den Schwäbischen Kreis von 1802 (Berg, S. 37) ist fast wörtlich das heutige, selbst die "Unter- schrift des Reisenden" ist dabei, und der §. 9 spricht hier den Grundsatz aus, der auch jetzt noch formell gilt: "Alle Passanten sollen bei den Hauptorten ihrer Route ihren Paß vorlegen, und ihre wirkliche Passage auf demselben vormerken lassen; diejenigen, welchen diese Erfordernisse mangeln und sich außerdem nicht gehörig zu legitimiren vermögen, sind anzuhalten, genau zu examiniren und nach Befund der Umstände als Vaganten zu behandeln." (Berg, a. a. O. S. 37.) Natürlich war damit der Anlaß gegeben durch die Ertheilung der Pässe wie durch die Vidirung
Staaten, beweist unter anderm das Chur-Trier’ſche Plakat wegen Verfolgung von Räuberbanden vom 3. September 1736 (Berg, Deutſche Polizeigeſetze I. S. 20). Eine ganze Reihe von Verordnungen daſelbſt zeigt uns das Verfahren dabei; es läuft ſtets darauf hinaus, den im Verdacht des Vagabundirens ſtehenden zu einem Nachweis ſeiner Heimath zu zwingen, um ihn dahin zurückzuſchicken. Daraus ſcheint ſchon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts der allgemeine Satz her- vorgegangen zu ſein, daß jede Obrigkeit das Recht habe, Bettler und Arme mit „obrigkeitlichen Päſſen“ oder „Atteſtaten“ auszurüſten, die dann die Inhaber wenigſtens zum Theil vor dem Verfahren gegen Vaga- bunden ſchützte, namentlich als ſich das Inſtitut der Gendarmerie unter verſchiedenen Namen in Deutſchland ausbildete (Inſtitut der badenſchen Hatſchiere von 1768 — Polizeidragoner in Olden- burg 1791; Berg, Deutſche Polizeigeſetzgeb. I. 2. Hauptſt.). Eine auch literargeſchichtliche nicht unintereſſante Anſpielung auf „Karl Moor“ nebſt Daten über das Räuberweſen bei Berg (Handb. IV. S. 610 f.). Als nun mit Ende des Jahrhunderts durch die Bewegungen, welche die franzöſiſchen Kriege hervorbrachten, das Herumziehen allgemein und die Kraft der localen Herrſchaften zu gering ward, verſuchte man zuerſt, für das Paßweſen als Legitimationsform für jeden Reiſenden gemein- ſchaftliche und gleichartige Vorſchriften zu geben und allgemein gültige Formeln feſtzuſetzen, wie in dem Schwäbiſchen Kreisſchluß gegen herrenloſes Geſindel vom 18. Januar 1802, das ein neues Formular der Päſſe im ſchwäbiſchen Kreiſe aufſtellte. Berg, Deutſches Polizei- geſetz S. 32 ff., ähnlich in andern Gebieten. Vergl. namentlich was Häberlin in ſeinem Staatsarchiv Heft 21 S. 39 f. über den im Jahr 1801 zu Wetzlar verſammelten Polizei-Convent mittheilt — „auf kurze Zeit half dies vielleicht, dauernde Wirkungen hat man davon größtentheils vergebens erwartet“ (Berg, Handbuch Theil IV. S. 614). So bildete ſich die noch gegenwärtig geltende Form und das noch gegenwärtig geltende Recht der Päſſe im Anfang unſres Jahrhunderts ziemlich vollſtändig aus; das Formular für den Schwäbiſchen Kreis von 1802 (Berg, S. 37) iſt faſt wörtlich das heutige, ſelbſt die „Unter- ſchrift des Reiſenden“ iſt dabei, und der §. 9 ſpricht hier den Grundſatz aus, der auch jetzt noch formell gilt: „Alle Paſſanten ſollen bei den Hauptorten ihrer Route ihren Paß vorlegen, und ihre wirkliche Paſſage auf demſelben vormerken laſſen; diejenigen, welchen dieſe Erforderniſſe mangeln und ſich außerdem nicht gehörig zu legitimiren vermögen, ſind anzuhalten, genau zu examiniren und nach Befund der Umſtände als Vaganten zu behandeln.“ (Berg, a. a. O. S. 37.) Natürlich war damit der Anlaß gegeben durch die Ertheilung der Päſſe wie durch die Vidirung
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Staaten, beweist unter anderm das Chur-Trier’ſche Plakat wegen
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Deutſche Polizeigeſetze I. S. 20). Eine ganze Reihe von Verordnungen
daſelbſt zeigt uns das Verfahren dabei; es läuft ſtets darauf hinaus,
den im Verdacht des Vagabundirens ſtehenden zu einem Nachweis ſeiner
Heimath zu zwingen, um ihn dahin zurückzuſchicken. Daraus ſcheint
ſchon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts der allgemeine Satz her-
vorgegangen zu ſein, daß jede Obrigkeit das Recht habe, Bettler und
Arme mit „obrigkeitlichen Päſſen“ oder „Atteſtaten“ auszurüſten, die
dann die Inhaber wenigſtens zum Theil vor dem Verfahren gegen Vaga-
bunden ſchützte, namentlich als ſich das Inſtitut der Gendarmerie
unter verſchiedenen Namen in Deutſchland ausbildete (Inſtitut der
badenſchen Hatſchiere von 1768 — Polizeidragoner in Olden-
burg 1791; Berg, Deutſche Polizeigeſetzgeb. I. 2. Hauptſt.). Eine auch
literargeſchichtliche nicht unintereſſante Anſpielung auf „Karl Moor“
nebſt Daten über das Räuberweſen bei Berg (Handb. IV. S. 610 f.).
Als nun mit Ende des Jahrhunderts durch die Bewegungen, welche die
franzöſiſchen Kriege hervorbrachten, das Herumziehen allgemein und die
Kraft der localen Herrſchaften zu gering ward, verſuchte man zuerſt,
für das Paßweſen als Legitimationsform für jeden Reiſenden gemein-
ſchaftliche und gleichartige Vorſchriften zu geben und allgemein gültige
Formeln feſtzuſetzen, wie in dem Schwäbiſchen Kreisſchluß gegen
herrenloſes Geſindel vom 18. Januar 1802, das ein neues Formular
der Päſſe im ſchwäbiſchen Kreiſe aufſtellte. Berg, Deutſches Polizei-
geſetz S. 32 ff., ähnlich in andern Gebieten. Vergl. namentlich was
Häberlin in ſeinem Staatsarchiv Heft 21 S. 39 f. über den im
Jahr 1801 zu Wetzlar verſammelten Polizei-Convent mittheilt —
„auf kurze Zeit half dies vielleicht, dauernde Wirkungen hat man davon
größtentheils vergebens erwartet“ (Berg, Handbuch Theil IV. S. 614).
So bildete ſich die noch gegenwärtig geltende Form und das noch
gegenwärtig geltende Recht der Päſſe im Anfang unſres Jahrhunderts
ziemlich vollſtändig aus; das Formular für den Schwäbiſchen Kreis von
1802 (Berg, S. 37) iſt faſt wörtlich das heutige, ſelbſt die „Unter-
ſchrift des Reiſenden“ iſt dabei, und der §. 9 ſpricht hier den Grundſatz
aus, der auch jetzt noch formell gilt: „Alle Paſſanten ſollen bei den
Hauptorten ihrer Route ihren Paß vorlegen, und ihre wirkliche Paſſage
auf demſelben vormerken laſſen; diejenigen, welchen dieſe Erforderniſſe
mangeln und ſich außerdem nicht gehörig zu legitimiren vermögen, ſind
anzuhalten, genau zu examiniren und nach Befund der Umſtände als
Vaganten zu behandeln.“ (Berg, a. a. O. S. 37.) Natürlich war damit
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/278>, abgerufen am 01.11.2024.
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