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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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sten lächerlich, wenn er seinen Fehler verbergen
will; dies Stottern, dies Jagen nach Wortspie-
len und Verdrehungen des Sinnes, -- o es
giebt nichts Häßlichers, wenn man so eben
etwas Vernünftiges gesprochen hat.

Lovell ist mit seiner Naivität allerliebst,
der Galimathias, den er zuweilen spricht, kleidet
ihn recht gut, und ich habe itzt die Manier ge-
funden, ihn zu attachiren. Er ist eigensinnig
genug, nicht durch gewöhnliche Aufmerksamkeit
gefesselt zu werden; ein Franzose würde über
die Art der Rolle lachen, die ich itzt spiele.
Freilich sind die Frauenzimmer verdammt immer
nur Rollen auswendig herzusagen, vielleicht auch
viele Männer; aber meine itzige liegt mir so
entfernt, daß ich auf meine Merkworte sehr
aufmerksam seyn muß, wenn ich nicht zuweilen
das ganze Stück verderben will. Ich bin so
empfindsam, wie Rousseaus Julie, ein wenig
melancholisch, eine kleine Teinture aus Young
und eine so langweilige Vernunft- und Moral-
schwätzerinn, als die Heldinnen der Englischen
Romane. Sie würden mich hassen, wenn Sie
mich in dieser Tragödienlaune sähen; aber Lovell
ist davon bezaubert; er hält mich in Gedanken

ſten laͤcherlich, wenn er ſeinen Fehler verbergen
will; dies Stottern, dies Jagen nach Wortſpie-
len und Verdrehungen des Sinnes, — o es
giebt nichts Haͤßlichers, wenn man ſo eben
etwas Vernuͤnftiges geſprochen hat.

Lovell iſt mit ſeiner Naivitaͤt allerliebſt,
der Galimathias, den er zuweilen ſpricht, kleidet
ihn recht gut, und ich habe itzt die Manier ge-
funden, ihn zu attachiren. Er iſt eigenſinnig
genug, nicht durch gewoͤhnliche Aufmerkſamkeit
gefeſſelt zu werden; ein Franzoſe wuͤrde uͤber
die Art der Rolle lachen, die ich itzt ſpiele.
Freilich ſind die Frauenzimmer verdammt immer
nur Rollen auswendig herzuſagen, vielleicht auch
viele Maͤnner; aber meine itzige liegt mir ſo
entfernt, daß ich auf meine Merkworte ſehr
aufmerkſam ſeyn muß, wenn ich nicht zuweilen
das ganze Stuͤck verderben will. Ich bin ſo
empfindſam, wie Rouſſeaus Julie, ein wenig
melancholiſch, eine kleine Teinture aus Young
und eine ſo langweilige Vernunft- und Moral-
ſchwaͤtzerinn, als die Heldinnen der Engliſchen
Romane. Sie wuͤrden mich haſſen, wenn Sie
mich in dieſer Tragoͤdienlaune ſaͤhen; aber Lovell
iſt davon bezaubert; er haͤlt mich in Gedanken

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[140[138]/0148] ſten laͤcherlich, wenn er ſeinen Fehler verbergen will; dies Stottern, dies Jagen nach Wortſpie- len und Verdrehungen des Sinnes, — o es giebt nichts Haͤßlichers, wenn man ſo eben etwas Vernuͤnftiges geſprochen hat. Lovell iſt mit ſeiner Naivitaͤt allerliebſt, der Galimathias, den er zuweilen ſpricht, kleidet ihn recht gut, und ich habe itzt die Manier ge- funden, ihn zu attachiren. Er iſt eigenſinnig genug, nicht durch gewoͤhnliche Aufmerkſamkeit gefeſſelt zu werden; ein Franzoſe wuͤrde uͤber die Art der Rolle lachen, die ich itzt ſpiele. Freilich ſind die Frauenzimmer verdammt immer nur Rollen auswendig herzuſagen, vielleicht auch viele Maͤnner; aber meine itzige liegt mir ſo entfernt, daß ich auf meine Merkworte ſehr aufmerkſam ſeyn muß, wenn ich nicht zuweilen das ganze Stuͤck verderben will. Ich bin ſo empfindſam, wie Rouſſeaus Julie, ein wenig melancholiſch, eine kleine Teinture aus Young und eine ſo langweilige Vernunft- und Moral- ſchwaͤtzerinn, als die Heldinnen der Engliſchen Romane. Sie wuͤrden mich haſſen, wenn Sie mich in dieſer Tragoͤdienlaune ſaͤhen; aber Lovell iſt davon bezaubert; er haͤlt mich in Gedanken

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 140[138]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/148>, abgerufen am 30.04.2024.