Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

ach Gott! so viel Glück ertragen die Deutschen nicht!'
Schließlich folgte das klare Wort: ,Wir werden unser
Ziel erreichen, aber von so viel ungewohntem Gelingen
auch einen schlimmen Butzen davon tragen; wenn der
Tempel aufgebaut ist, gebt Acht, wie sich die Fälscher,
Krämer, Wechsler, Wucherer breit darin einnisten
werden!' Am Abend jedoch ließ er frei und hell den
Freudensturm des Herzens hervorschießen und gab seinen
Hunden einen Festschmaus. So trieb es ihn um.
Wo er Schlechtes sah -- und es gibt dessen genug
in unserer Stadt, mein Herr, gar Viele wollen schneller
reich werden, als es mit Ehre und Gewissen vereinbar
ist, und die Mehrheit ist gar genußsüchtig, Verbrechen,
Raub, Todtschlag, Brandstiftung häufen sich -- da
wurde er noch grimmiger als sonst, beklagte auf's Neue,
was verschmerzt schien, den Verlust seines Amts, seiner
Amtsgewalt --"

Wie sehr es mich drängte, über diesen schweren
Schlag, den sie mir schon angedeutet hatte, Näheres
zu erfahren, wollte ich doch mit Fragen jetzt nicht in
die Erzählung eingreifen; ich sah der Frau an, daß
sie sich dem Schlusse näherte, ihr Athem wurde kürzer --

"Um die Zeit mußte wieder ein Katarrh kommen,
und als er sich erträglich abwickelte, stellten sich bereits
Anzeichen eines neuen ein. In diesem Zustand geht
er eines Tags aus -- zum letzten Mal: man brachte ihn
mir ohnmächtig mit einer tiefen Wunde in der Hüfte."

ach Gott! ſo viel Glück ertragen die Deutſchen nicht!‘
Schließlich folgte das klare Wort: ‚Wir werden unſer
Ziel erreichen, aber von ſo viel ungewohntem Gelingen
auch einen ſchlimmen Butzen davon tragen; wenn der
Tempel aufgebaut iſt, gebt Acht, wie ſich die Fälſcher,
Krämer, Wechsler, Wucherer breit darin einniſten
werden!‘ Am Abend jedoch ließ er frei und hell den
Freudenſturm des Herzens hervorſchießen und gab ſeinen
Hunden einen Feſtſchmaus. So trieb es ihn um.
Wo er Schlechtes ſah — und es gibt deſſen genug
in unſerer Stadt, mein Herr, gar Viele wollen ſchneller
reich werden, als es mit Ehre und Gewiſſen vereinbar
iſt, und die Mehrheit iſt gar genußſüchtig, Verbrechen,
Raub, Todtſchlag, Brandſtiftung häufen ſich — da
wurde er noch grimmiger als ſonſt, beklagte auf's Neue,
was verſchmerzt ſchien, den Verluſt ſeines Amts, ſeiner
Amtsgewalt —“

Wie ſehr es mich drängte, über dieſen ſchweren
Schlag, den ſie mir ſchon angedeutet hatte, Näheres
zu erfahren, wollte ich doch mit Fragen jetzt nicht in
die Erzählung eingreifen; ich ſah der Frau an, daß
ſie ſich dem Schluſſe näherte, ihr Athem wurde kürzer —

„Um die Zeit mußte wieder ein Katarrh kommen,
und als er ſich erträglich abwickelte, ſtellten ſich bereits
Anzeichen eines neuen ein. In dieſem Zuſtand geht
er eines Tags aus — zum letzten Mal: man brachte ihn
mir ohnmächtig mit einer tiefen Wunde in der Hüfte.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0034" n="21"/>
ach Gott! &#x017F;o viel Glück ertragen die Deut&#x017F;chen nicht!&#x2018;<lb/>
Schließlich folgte das klare Wort: &#x201A;Wir werden un&#x017F;er<lb/>
Ziel erreichen, aber von &#x017F;o viel ungewohntem Gelingen<lb/>
auch einen &#x017F;chlimmen Butzen davon tragen; wenn der<lb/>
Tempel aufgebaut i&#x017F;t, gebt Acht, wie &#x017F;ich die Fäl&#x017F;cher,<lb/>
Krämer, Wechsler, Wucherer breit darin einni&#x017F;ten<lb/>
werden!&#x2018; Am Abend jedoch ließ er frei und hell den<lb/>
Freuden&#x017F;turm des Herzens hervor&#x017F;chießen und gab &#x017F;einen<lb/>
Hunden einen Fe&#x017F;t&#x017F;chmaus. So trieb es ihn um.<lb/>
Wo er Schlechtes &#x017F;ah &#x2014; und es gibt de&#x017F;&#x017F;en genug<lb/>
in un&#x017F;erer Stadt, mein Herr, gar Viele wollen &#x017F;chneller<lb/>
reich werden, als es mit Ehre und Gewi&#x017F;&#x017F;en vereinbar<lb/>
i&#x017F;t, und die Mehrheit i&#x017F;t gar genuß&#x017F;üchtig, Verbrechen,<lb/>
Raub, Todt&#x017F;chlag, Brand&#x017F;tiftung häufen &#x017F;ich &#x2014; da<lb/>
wurde er noch grimmiger als &#x017F;on&#x017F;t, beklagte auf's Neue,<lb/>
was ver&#x017F;chmerzt &#x017F;chien, den Verlu&#x017F;t &#x017F;eines Amts, &#x017F;einer<lb/>
Amtsgewalt &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
      <p>Wie &#x017F;ehr es mich drängte, über die&#x017F;en &#x017F;chweren<lb/>
Schlag, den &#x017F;ie mir &#x017F;chon angedeutet hatte, Näheres<lb/>
zu erfahren, wollte ich doch mit Fragen jetzt nicht in<lb/>
die Erzählung eingreifen; ich &#x017F;ah der Frau an, daß<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich dem Schlu&#x017F;&#x017F;e näherte, ihr Athem wurde kürzer &#x2014;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Um die Zeit mußte wieder ein Katarrh kommen,<lb/>
und als er &#x017F;ich erträglich abwickelte, &#x017F;tellten &#x017F;ich bereits<lb/>
Anzeichen eines neuen ein. In die&#x017F;em Zu&#x017F;tand geht<lb/>
er eines Tags aus &#x2014; zum letzten Mal: man brachte ihn<lb/>
mir ohnmächtig mit einer tiefen Wunde in der Hüfte.&#x201C;<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0034] ach Gott! ſo viel Glück ertragen die Deutſchen nicht!‘ Schließlich folgte das klare Wort: ‚Wir werden unſer Ziel erreichen, aber von ſo viel ungewohntem Gelingen auch einen ſchlimmen Butzen davon tragen; wenn der Tempel aufgebaut iſt, gebt Acht, wie ſich die Fälſcher, Krämer, Wechsler, Wucherer breit darin einniſten werden!‘ Am Abend jedoch ließ er frei und hell den Freudenſturm des Herzens hervorſchießen und gab ſeinen Hunden einen Feſtſchmaus. So trieb es ihn um. Wo er Schlechtes ſah — und es gibt deſſen genug in unſerer Stadt, mein Herr, gar Viele wollen ſchneller reich werden, als es mit Ehre und Gewiſſen vereinbar iſt, und die Mehrheit iſt gar genußſüchtig, Verbrechen, Raub, Todtſchlag, Brandſtiftung häufen ſich — da wurde er noch grimmiger als ſonſt, beklagte auf's Neue, was verſchmerzt ſchien, den Verluſt ſeines Amts, ſeiner Amtsgewalt —“ Wie ſehr es mich drängte, über dieſen ſchweren Schlag, den ſie mir ſchon angedeutet hatte, Näheres zu erfahren, wollte ich doch mit Fragen jetzt nicht in die Erzählung eingreifen; ich ſah der Frau an, daß ſie ſich dem Schluſſe näherte, ihr Athem wurde kürzer — „Um die Zeit mußte wieder ein Katarrh kommen, und als er ſich erträglich abwickelte, ſtellten ſich bereits Anzeichen eines neuen ein. In dieſem Zuſtand geht er eines Tags aus — zum letzten Mal: man brachte ihn mir ohnmächtig mit einer tiefen Wunde in der Hüfte.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/34
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/34>, abgerufen am 30.04.2024.