kam er wieder auf den ersten Fleck. So gieng es ihm hier: seine Tochter blieb in den Händen, denen er sie zu ihrer Verwahr- losung anvertraut hatte, und ihre Mutter eine betrübte, ungetröstete Mutter.
Von allen diesen Drangseligkeiten em- pfieng ich Nachricht, so wie sie geschahen; und was denkst Du, das ich thun sollte, Freund? --
Dem Henker den Kopf zerbrechen! rief Belphegor und stampfte, ihn erwürgen, und mit dem unglücklichen Schlachtopfer auf dem Arme davon fliehn! --
Nein, Freund meines Herzens, so hastig war ich nicht: ich nahm allen empfindlich- sten Antheil an ihrem Unstern und grämte mich in Stillen für sie, da ich weiter nichts vermochte. Mein Kummer wollte mich töd- ten: die Liebe spornte mich an, die Unglück- liche zu erlösen, aber Muthlosigkeit schränkte meine Ueberlegung und meine Kräfte ein: ich Feiger erlöste sie nicht.
Himmel! konntest du mich nicht rufen? fuhr Belphegor hastig, wie aus einem Trau- me, empor.
Der
kam er wieder auf den erſten Fleck. So gieng es ihm hier: ſeine Tochter blieb in den Haͤnden, denen er ſie zu ihrer Verwahr- loſung anvertraut hatte, und ihre Mutter eine betruͤbte, ungetroͤſtete Mutter.
Von allen dieſen Drangſeligkeiten em- pfieng ich Nachricht, ſo wie ſie geſchahen; und was denkſt Du, das ich thun ſollte, Freund? —
Dem Henker den Kopf zerbrechen! rief Belphegor und ſtampfte, ihn erwuͤrgen, und mit dem ungluͤcklichen Schlachtopfer auf dem Arme davon fliehn! —
Nein, Freund meines Herzens, ſo haſtig war ich nicht: ich nahm allen empfindlich- ſten Antheil an ihrem Unſtern und graͤmte mich in Stillen fuͤr ſie, da ich weiter nichts vermochte. Mein Kummer wollte mich toͤd- ten: die Liebe ſpornte mich an, die Ungluͤck- liche zu erloͤſen, aber Muthloſigkeit ſchraͤnkte meine Ueberlegung und meine Kraͤfte ein: ich Feiger erloͤſte ſie nicht.
Himmel! konnteſt du mich nicht rufen? fuhr Belphegor haſtig, wie aus einem Trau- me, empor.
Der
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kam er wieder auf den erſten Fleck. So
gieng es ihm hier: ſeine Tochter blieb in
den Haͤnden, denen er ſie zu ihrer Verwahr-
loſung anvertraut hatte, und ihre Mutter
eine betruͤbte, ungetroͤſtete Mutter.
Von allen dieſen Drangſeligkeiten em-
pfieng ich Nachricht, ſo wie ſie geſchahen;
und was denkſt Du, das ich thun ſollte,
Freund? —
Dem Henker den Kopf zerbrechen! rief
Belphegor und ſtampfte, ihn erwuͤrgen, und
mit dem ungluͤcklichen Schlachtopfer auf
dem Arme davon fliehn! —
Nein, Freund meines Herzens, ſo haſtig
war ich nicht: ich nahm allen empfindlich-
ſten Antheil an ihrem Unſtern und graͤmte
mich in Stillen fuͤr ſie, da ich weiter nichts
vermochte. Mein Kummer wollte mich toͤd-
ten: die Liebe ſpornte mich an, die Ungluͤck-
liche zu erloͤſen, aber Muthloſigkeit ſchraͤnkte
meine Ueberlegung und meine Kraͤfte ein:
ich Feiger erloͤſte ſie nicht.
Himmel! konnteſt du mich nicht rufen?
fuhr Belphegor haſtig, wie aus einem Trau-
me, empor.
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/94>, abgerufen am 28.05.2024.
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