Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

Bettler bis zum Oberknechte. Ach! so viele Um¬
stände wären gar nicht nöthig. Die Preußen sind
gute Menschen und leitsam wie die Hämmel. Der
Kühnste unter ihnen, der Herr Professor von Raumer,
ist noch furchtsam wie ein Spatz. Er hatte einmal
den Muth, von der Galeerenbank der Censur weg¬
zulaufen. Es war in den Schreckenstagen der Cho¬
lera, wo Jeder den Kopf verlor. Er hätte ihn frei¬
lich nicht gehabt, wäre nicht Sr. Excellenz, der Ge¬
heimerath von Raumer, Galeerenhauptmann und sein
Onkel gewesen, auf dessen Schutz er rechnen durfte,
wenn man ihn wieder erwischte. Indessen er hatte
ihn. Gleich ließ er seine Heldenthaten, als sein eig¬
ner Homer, in die allgemeine Zeitung setzen. Das
war zu viel. Dagegen konnte ihn auch sein gnädi¬
ger Onkel nicht schützen, das griff die preußische
Monarchie zu gefährlich an. Man befahl dem Pro¬
fessor Raumer, seinen kühnen Schritt zu leugnen, und
er hatte die Feigheit, es zu thun und öffentlich be¬
kannt zu machen, er habe die Nachricht nicht in die
allgemeine Zeitung geschickt, er wisse nichts davon.
Und hätte er wirklich nichts davon gewußt, er hätte
das doch nicht erklären dürfen. Braucht man Uni¬
formen gegen oder für solche Menschen? Herr von
Raumer kam wieder zu Gnade und zu größerer als
vorher. Denn nicht aufrichtige, treuergebene Diener
will man haben, Menschen, die mit Herz und Glau¬

Bettler bis zum Oberknechte. Ach! ſo viele Um¬
ſtände wären gar nicht nöthig. Die Preußen ſind
gute Menſchen und leitſam wie die Hämmel. Der
Kühnſte unter ihnen, der Herr Profeſſor von Raumer,
iſt noch furchtſam wie ein Spatz. Er hatte einmal
den Muth, von der Galeerenbank der Cenſur weg¬
zulaufen. Es war in den Schreckenstagen der Cho¬
lera, wo Jeder den Kopf verlor. Er hätte ihn frei¬
lich nicht gehabt, wäre nicht Sr. Excellenz, der Ge¬
heimerath von Raumer, Galeerenhauptmann und ſein
Onkel geweſen, auf deſſen Schutz er rechnen durfte,
wenn man ihn wieder erwiſchte. Indeſſen er hatte
ihn. Gleich ließ er ſeine Heldenthaten, als ſein eig¬
ner Homer, in die allgemeine Zeitung ſetzen. Das
war zu viel. Dagegen konnte ihn auch ſein gnädi¬
ger Onkel nicht ſchützen, das griff die preußiſche
Monarchie zu gefährlich an. Man befahl dem Pro¬
feſſor Raumer, ſeinen kühnen Schritt zu leugnen, und
er hatte die Feigheit, es zu thun und öffentlich be¬
kannt zu machen, er habe die Nachricht nicht in die
allgemeine Zeitung geſchickt, er wiſſe nichts davon.
Und hätte er wirklich nichts davon gewußt, er hätte
das doch nicht erklären dürfen. Braucht man Uni¬
formen gegen oder für ſolche Menſchen? Herr von
Raumer kam wieder zu Gnade und zu größerer als
vorher. Denn nicht aufrichtige, treuergebene Diener
will man haben, Menſchen, die mit Herz und Glau¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0165" n="151"/>
Bettler bis zum Oberknechte. Ach! &#x017F;o viele Um¬<lb/>
&#x017F;tände wären gar nicht nöthig. Die Preußen &#x017F;ind<lb/>
gute Men&#x017F;chen und leit&#x017F;am wie die Hämmel. Der<lb/>
Kühn&#x017F;te unter ihnen, der Herr Profe&#x017F;&#x017F;or von Raumer,<lb/>
i&#x017F;t noch furcht&#x017F;am wie ein Spatz. Er hatte einmal<lb/>
den Muth, von der Galeerenbank der Cen&#x017F;ur weg¬<lb/>
zulaufen. Es war in den Schreckenstagen der Cho¬<lb/>
lera, wo Jeder den Kopf verlor. Er hätte ihn frei¬<lb/>
lich nicht gehabt, wäre nicht Sr. Excellenz, der Ge¬<lb/>
heimerath von Raumer, Galeerenhauptmann und &#x017F;ein<lb/>
Onkel gewe&#x017F;en, auf de&#x017F;&#x017F;en Schutz er rechnen durfte,<lb/>
wenn man ihn wieder erwi&#x017F;chte. Inde&#x017F;&#x017F;en er hatte<lb/>
ihn. Gleich ließ er &#x017F;eine Heldenthaten, als &#x017F;ein eig¬<lb/>
ner Homer, in die allgemeine Zeitung &#x017F;etzen. Das<lb/>
war zu viel. Dagegen konnte ihn auch &#x017F;ein gnädi¬<lb/>
ger Onkel nicht &#x017F;chützen, das griff die preußi&#x017F;che<lb/>
Monarchie zu gefährlich an. Man befahl dem Pro¬<lb/>
fe&#x017F;&#x017F;or Raumer, &#x017F;einen kühnen Schritt zu leugnen, und<lb/>
er hatte die Feigheit, es zu thun und öffentlich be¬<lb/>
kannt zu machen, er habe die Nachricht nicht in die<lb/>
allgemeine Zeitung ge&#x017F;chickt, er wi&#x017F;&#x017F;e nichts davon.<lb/>
Und hätte er wirklich nichts davon gewußt, er hätte<lb/>
das doch nicht erklären dürfen. Braucht man Uni¬<lb/>
formen gegen oder für &#x017F;olche Men&#x017F;chen? Herr von<lb/>
Raumer kam wieder zu Gnade und zu größerer als<lb/>
vorher. Denn nicht aufrichtige, treuergebene Diener<lb/>
will man haben, Men&#x017F;chen, die mit Herz und Glau¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0165] Bettler bis zum Oberknechte. Ach! ſo viele Um¬ ſtände wären gar nicht nöthig. Die Preußen ſind gute Menſchen und leitſam wie die Hämmel. Der Kühnſte unter ihnen, der Herr Profeſſor von Raumer, iſt noch furchtſam wie ein Spatz. Er hatte einmal den Muth, von der Galeerenbank der Cenſur weg¬ zulaufen. Es war in den Schreckenstagen der Cho¬ lera, wo Jeder den Kopf verlor. Er hätte ihn frei¬ lich nicht gehabt, wäre nicht Sr. Excellenz, der Ge¬ heimerath von Raumer, Galeerenhauptmann und ſein Onkel geweſen, auf deſſen Schutz er rechnen durfte, wenn man ihn wieder erwiſchte. Indeſſen er hatte ihn. Gleich ließ er ſeine Heldenthaten, als ſein eig¬ ner Homer, in die allgemeine Zeitung ſetzen. Das war zu viel. Dagegen konnte ihn auch ſein gnädi¬ ger Onkel nicht ſchützen, das griff die preußiſche Monarchie zu gefährlich an. Man befahl dem Pro¬ feſſor Raumer, ſeinen kühnen Schritt zu leugnen, und er hatte die Feigheit, es zu thun und öffentlich be¬ kannt zu machen, er habe die Nachricht nicht in die allgemeine Zeitung geſchickt, er wiſſe nichts davon. Und hätte er wirklich nichts davon gewußt, er hätte das doch nicht erklären dürfen. Braucht man Uni¬ formen gegen oder für ſolche Menſchen? Herr von Raumer kam wieder zu Gnade und zu größerer als vorher. Denn nicht aufrichtige, treuergebene Diener will man haben, Menſchen, die mit Herz und Glau¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/165
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/165>, abgerufen am 26.04.2024.