Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Hauptpunkt einzuschärfen, daß es nämlich
ihre Pflicht sey laut und vernehmlich zu
sprechen. Sie fanden hierbey mehr Wider¬
stand und Unwillen, als sie anfangs gedacht
hatten. Die meisten wollten so gehört seyn
wie sie sprachen, und wenige bemühten sich
so zu sprechen, daß man sie hören könnte.
Einige schoben den Fehler aufs Gebäude,
andere sagten, man könne doch nicht schreyen,
wenn man natürlich, heimlich oder zärtlich
zu sprechen habe.

Unsre Theaterfreunde, die eine unsägliche
Geduld hatten, suchten auf alle Weise diese
Verwirrung zu lösen, diesem Eigensinne bey¬
zukommen. Sie sparten weder Gründe noch
Schmeicheleyen, und erreichten zuletzt doch
ihren Endzweck, wobey ihnen das gute Bey¬
spiel Wilhelms besonders zu statten kam.
Er bat sich aus, daß sie sich bey den Pro¬
ben in die entferntsten Ecken setzen, und so¬

Hauptpunkt einzuſchärfen, daß es nämlich
ihre Pflicht ſey laut und vernehmlich zu
ſprechen. Sie fanden hierbey mehr Wider¬
ſtand und Unwillen, als ſie anfangs gedacht
hatten. Die meiſten wollten ſo gehört ſeyn
wie ſie ſprachen, und wenige bemühten ſich
ſo zu ſprechen, daß man ſie hören könnte.
Einige ſchoben den Fehler aufs Gebäude,
andere ſagten, man könne doch nicht ſchreyen,
wenn man natürlich, heimlich oder zärtlich
zu ſprechen habe.

Unſre Theaterfreunde, die eine unſägliche
Geduld hatten, ſuchten auf alle Weiſe dieſe
Verwirrung zu löſen, dieſem Eigenſinne bey¬
zukommen. Sie ſparten weder Gründe noch
Schmeicheleyen, und erreichten zuletzt doch
ihren Endzweck, wobey ihnen das gute Bey¬
ſpiel Wilhelms beſonders zu ſtatten kam.
Er bat ſich aus, daß ſie ſich bey den Pro¬
ben in die entferntſten Ecken ſetzen, und ſo¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0094" n="88"/>
Hauptpunkt einzu&#x017F;chärfen, daß es nämlich<lb/>
ihre Pflicht &#x017F;ey laut und vernehmlich zu<lb/>
&#x017F;prechen. Sie fanden hierbey mehr Wider¬<lb/>
&#x017F;tand und Unwillen, als &#x017F;ie anfangs gedacht<lb/>
hatten. Die mei&#x017F;ten wollten &#x017F;o gehört &#x017F;eyn<lb/>
wie &#x017F;ie &#x017F;prachen, und wenige bemühten &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;o zu &#x017F;prechen, daß man &#x017F;ie hören könnte.<lb/>
Einige &#x017F;choben den Fehler aufs Gebäude,<lb/>
andere &#x017F;agten, man könne doch nicht &#x017F;chreyen,<lb/>
wenn man natürlich, heimlich oder zärtlich<lb/>
zu &#x017F;prechen habe.</p><lb/>
            <p>Un&#x017F;re Theaterfreunde, die eine un&#x017F;ägliche<lb/>
Geduld hatten, &#x017F;uchten auf alle Wei&#x017F;e die&#x017F;e<lb/>
Verwirrung zu lö&#x017F;en, die&#x017F;em Eigen&#x017F;inne bey¬<lb/>
zukommen. Sie &#x017F;parten weder Gründe noch<lb/>
Schmeicheleyen, und erreichten zuletzt doch<lb/>
ihren Endzweck, wobey ihnen das gute Bey¬<lb/>
&#x017F;piel Wilhelms be&#x017F;onders zu &#x017F;tatten kam.<lb/>
Er bat &#x017F;ich aus, daß &#x017F;ie &#x017F;ich bey den Pro¬<lb/>
ben in die entfernt&#x017F;ten Ecken &#x017F;etzen, und &#x017F;<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0094] Hauptpunkt einzuſchärfen, daß es nämlich ihre Pflicht ſey laut und vernehmlich zu ſprechen. Sie fanden hierbey mehr Wider¬ ſtand und Unwillen, als ſie anfangs gedacht hatten. Die meiſten wollten ſo gehört ſeyn wie ſie ſprachen, und wenige bemühten ſich ſo zu ſprechen, daß man ſie hören könnte. Einige ſchoben den Fehler aufs Gebäude, andere ſagten, man könne doch nicht ſchreyen, wenn man natürlich, heimlich oder zärtlich zu ſprechen habe. Unſre Theaterfreunde, die eine unſägliche Geduld hatten, ſuchten auf alle Weiſe dieſe Verwirrung zu löſen, dieſem Eigenſinne bey¬ zukommen. Sie ſparten weder Gründe noch Schmeicheleyen, und erreichten zuletzt doch ihren Endzweck, wobey ihnen das gute Bey¬ ſpiel Wilhelms beſonders zu ſtatten kam. Er bat ſich aus, daß ſie ſich bey den Pro¬ ben in die entferntſten Ecken ſetzen, und ſo¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/94
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/94>, abgerufen am 27.04.2024.