Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Jer jesuitische Gehorsam im Staate.

Bei Erörterung des zweiten Themas, dem Gehorsam der Jesuiten,
folgen wir im Wesentlichen der soeben erschienenen kleinen, aber gehaltvollen
Schrift des Breslauer Docenten Weber über diesen Gegenstand, welche durch¬
weg aus den Quellen schöpft.*)

Ignatius Loyola war, als er den Gedanken zur Gründung der Jesuiten-
Genossenschaft faßte, von Reminiscenzen aus seinem Soldatenleben geleitet.
Diese Genossenschaft sollte eine "Compagnie Jesu." eine Cohorte von Kriegern
sein, nach strengster Subordination gegliedert, von der eisernen Disciplin der
Heere Aldas beherrscht, ganz Gehorsam und nichts als Gehorsam gegen ihre
Officiere und in letzter Instanz gegen ihren Hauptmann Jesus. Die Com¬
pagnie wuchs im Laufe der Zeit zum Heere an. das sich in Bataillone und
Regimenter theilte. Zwischen Jesus und seine Leutnants traten andere
Chargen, Majore, Obersten, ein General; an dem Geiste aber, der den Or¬
ganismus zusammenhielt und durchdrang. wurde nichts geändert; die höchste
Tugend, die oberste Pflicht der Soldaten Jesu blieb'der Gehorsam, wie ihn
die "Regeln der Genossenschaft Jesu" und der aus dem Jahre 1533 stammende
Brief Loyola's "Ueber die Tugend des Gehorsams" verlangt hatten.

"Eifrig wünsche ich," so lesen wir in dem Briefe, "daß diese Tugend so
fleißig geübt werde und so kräftig blühe, als ob in ihr das ganze Gut und
Heil unserer Gesellschaft bestehe." Die Mitglieder derselben sollen vor Allem
durch Gehorsam sich hervorthun, "nicht blos wegen der außerordentlichen und
eigenthümlichen Bordseite desselben, welche durch so viele und so leuchtende
Zeugnisse und Beispiele der heiligen Schriften sowohl des alten wie des neuen
Testaments bezeugt werden, sondern auch weil der Gehorsam die einzige
Tugend is?, welche dem Geiste die übrigen Tugenden einflößt und bewahrt."
"Lassen wir uns," so fährt der Brief fort, "von anderen Orden durch Fasten,
Nachtwachen und strenge Lebensweise gern übertreffen, an wahrem und voll-
kommnem Gehorsam aber und an Entsagung in Betreff des eigenen Willens
und Urtheils sollen die. welche in dieser Genossenschaft Gott, unserm Herrn
dienen, am meisten leuchten und sich vor allen Andern auszeichnen."

Von Rechten der Untergebenen gegenüber den Vorgesetzten ist in der
Compagnie Jesu kaum die Rede. Zwar erlauben die "Regeln." daß jene
diesen "Borstellungen machen, wenn ihnen eine Speise, Kleidung, Wohnung,
Beschäftigung oder Uebung fehlt oder schadet, aber dann haben sie dem Obern
die Sorge in Betreff der ihm auseinandergesetzten Angelegenheit ganz zu über-



Dcr Gehorsam in der Gesellschaft Ich"- Urkundlich dargestellt von v. Th. Weber.
Breslau, 1872. /
Jer jesuitische Gehorsam im Staate.

Bei Erörterung des zweiten Themas, dem Gehorsam der Jesuiten,
folgen wir im Wesentlichen der soeben erschienenen kleinen, aber gehaltvollen
Schrift des Breslauer Docenten Weber über diesen Gegenstand, welche durch¬
weg aus den Quellen schöpft.*)

Ignatius Loyola war, als er den Gedanken zur Gründung der Jesuiten-
Genossenschaft faßte, von Reminiscenzen aus seinem Soldatenleben geleitet.
Diese Genossenschaft sollte eine „Compagnie Jesu." eine Cohorte von Kriegern
sein, nach strengster Subordination gegliedert, von der eisernen Disciplin der
Heere Aldas beherrscht, ganz Gehorsam und nichts als Gehorsam gegen ihre
Officiere und in letzter Instanz gegen ihren Hauptmann Jesus. Die Com¬
pagnie wuchs im Laufe der Zeit zum Heere an. das sich in Bataillone und
Regimenter theilte. Zwischen Jesus und seine Leutnants traten andere
Chargen, Majore, Obersten, ein General; an dem Geiste aber, der den Or¬
ganismus zusammenhielt und durchdrang. wurde nichts geändert; die höchste
Tugend, die oberste Pflicht der Soldaten Jesu blieb'der Gehorsam, wie ihn
die „Regeln der Genossenschaft Jesu" und der aus dem Jahre 1533 stammende
Brief Loyola's „Ueber die Tugend des Gehorsams" verlangt hatten.

„Eifrig wünsche ich," so lesen wir in dem Briefe, „daß diese Tugend so
fleißig geübt werde und so kräftig blühe, als ob in ihr das ganze Gut und
Heil unserer Gesellschaft bestehe." Die Mitglieder derselben sollen vor Allem
durch Gehorsam sich hervorthun, „nicht blos wegen der außerordentlichen und
eigenthümlichen Bordseite desselben, welche durch so viele und so leuchtende
Zeugnisse und Beispiele der heiligen Schriften sowohl des alten wie des neuen
Testaments bezeugt werden, sondern auch weil der Gehorsam die einzige
Tugend is?, welche dem Geiste die übrigen Tugenden einflößt und bewahrt."
„Lassen wir uns," so fährt der Brief fort, „von anderen Orden durch Fasten,
Nachtwachen und strenge Lebensweise gern übertreffen, an wahrem und voll-
kommnem Gehorsam aber und an Entsagung in Betreff des eigenen Willens
und Urtheils sollen die. welche in dieser Genossenschaft Gott, unserm Herrn
dienen, am meisten leuchten und sich vor allen Andern auszeichnen."

Von Rechten der Untergebenen gegenüber den Vorgesetzten ist in der
Compagnie Jesu kaum die Rede. Zwar erlauben die „Regeln." daß jene
diesen „Borstellungen machen, wenn ihnen eine Speise, Kleidung, Wohnung,
Beschäftigung oder Uebung fehlt oder schadet, aber dann haben sie dem Obern
die Sorge in Betreff der ihm auseinandergesetzten Angelegenheit ganz zu über-



Dcr Gehorsam in der Gesellschaft Ich"- Urkundlich dargestellt von v. Th. Weber.
Breslau, 1872. /
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127330"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Jer jesuitische Gehorsam im Staate.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1582"> Bei Erörterung des zweiten Themas, dem Gehorsam der Jesuiten,<lb/>
folgen wir im Wesentlichen der soeben erschienenen kleinen, aber gehaltvollen<lb/>
Schrift des Breslauer Docenten Weber über diesen Gegenstand, welche durch¬<lb/>
weg aus den Quellen schöpft.*)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1583"> Ignatius Loyola war, als er den Gedanken zur Gründung der Jesuiten-<lb/>
Genossenschaft faßte, von Reminiscenzen aus seinem Soldatenleben geleitet.<lb/>
Diese Genossenschaft sollte eine &#x201E;Compagnie Jesu." eine Cohorte von Kriegern<lb/>
sein, nach strengster Subordination gegliedert, von der eisernen Disciplin der<lb/>
Heere Aldas beherrscht, ganz Gehorsam und nichts als Gehorsam gegen ihre<lb/>
Officiere und in letzter Instanz gegen ihren Hauptmann Jesus. Die Com¬<lb/>
pagnie wuchs im Laufe der Zeit zum Heere an. das sich in Bataillone und<lb/>
Regimenter theilte. Zwischen Jesus und seine Leutnants traten andere<lb/>
Chargen, Majore, Obersten, ein General; an dem Geiste aber, der den Or¬<lb/>
ganismus zusammenhielt und durchdrang. wurde nichts geändert; die höchste<lb/>
Tugend, die oberste Pflicht der Soldaten Jesu blieb'der Gehorsam, wie ihn<lb/>
die &#x201E;Regeln der Genossenschaft Jesu" und der aus dem Jahre 1533 stammende<lb/>
Brief Loyola's &#x201E;Ueber die Tugend des Gehorsams" verlangt hatten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1584"> &#x201E;Eifrig wünsche ich," so lesen wir in dem Briefe, &#x201E;daß diese Tugend so<lb/>
fleißig geübt werde und so kräftig blühe, als ob in ihr das ganze Gut und<lb/>
Heil unserer Gesellschaft bestehe." Die Mitglieder derselben sollen vor Allem<lb/>
durch Gehorsam sich hervorthun, &#x201E;nicht blos wegen der außerordentlichen und<lb/>
eigenthümlichen Bordseite desselben, welche durch so viele und so leuchtende<lb/>
Zeugnisse und Beispiele der heiligen Schriften sowohl des alten wie des neuen<lb/>
Testaments bezeugt werden, sondern auch weil der Gehorsam die einzige<lb/>
Tugend is?, welche dem Geiste die übrigen Tugenden einflößt und bewahrt."<lb/>
&#x201E;Lassen wir uns," so fährt der Brief fort, &#x201E;von anderen Orden durch Fasten,<lb/>
Nachtwachen und strenge Lebensweise gern übertreffen, an wahrem und voll-<lb/>
kommnem Gehorsam aber und an Entsagung in Betreff des eigenen Willens<lb/>
und Urtheils sollen die. welche in dieser Genossenschaft Gott, unserm Herrn<lb/>
dienen, am meisten leuchten und sich vor allen Andern auszeichnen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1585" next="#ID_1586"> Von Rechten der Untergebenen gegenüber den Vorgesetzten ist in der<lb/>
Compagnie Jesu kaum die Rede. Zwar erlauben die &#x201E;Regeln." daß jene<lb/>
diesen &#x201E;Borstellungen machen, wenn ihnen eine Speise, Kleidung, Wohnung,<lb/>
Beschäftigung oder Uebung fehlt oder schadet, aber dann haben sie dem Obern<lb/>
die Sorge in Betreff der ihm auseinandergesetzten Angelegenheit ganz zu über-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_164" place="foot"> Dcr Gehorsam in der Gesellschaft Ich"-  Urkundlich dargestellt von v. Th. Weber.<lb/>
Breslau, 1872. /</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0476] Jer jesuitische Gehorsam im Staate. Bei Erörterung des zweiten Themas, dem Gehorsam der Jesuiten, folgen wir im Wesentlichen der soeben erschienenen kleinen, aber gehaltvollen Schrift des Breslauer Docenten Weber über diesen Gegenstand, welche durch¬ weg aus den Quellen schöpft.*) Ignatius Loyola war, als er den Gedanken zur Gründung der Jesuiten- Genossenschaft faßte, von Reminiscenzen aus seinem Soldatenleben geleitet. Diese Genossenschaft sollte eine „Compagnie Jesu." eine Cohorte von Kriegern sein, nach strengster Subordination gegliedert, von der eisernen Disciplin der Heere Aldas beherrscht, ganz Gehorsam und nichts als Gehorsam gegen ihre Officiere und in letzter Instanz gegen ihren Hauptmann Jesus. Die Com¬ pagnie wuchs im Laufe der Zeit zum Heere an. das sich in Bataillone und Regimenter theilte. Zwischen Jesus und seine Leutnants traten andere Chargen, Majore, Obersten, ein General; an dem Geiste aber, der den Or¬ ganismus zusammenhielt und durchdrang. wurde nichts geändert; die höchste Tugend, die oberste Pflicht der Soldaten Jesu blieb'der Gehorsam, wie ihn die „Regeln der Genossenschaft Jesu" und der aus dem Jahre 1533 stammende Brief Loyola's „Ueber die Tugend des Gehorsams" verlangt hatten. „Eifrig wünsche ich," so lesen wir in dem Briefe, „daß diese Tugend so fleißig geübt werde und so kräftig blühe, als ob in ihr das ganze Gut und Heil unserer Gesellschaft bestehe." Die Mitglieder derselben sollen vor Allem durch Gehorsam sich hervorthun, „nicht blos wegen der außerordentlichen und eigenthümlichen Bordseite desselben, welche durch so viele und so leuchtende Zeugnisse und Beispiele der heiligen Schriften sowohl des alten wie des neuen Testaments bezeugt werden, sondern auch weil der Gehorsam die einzige Tugend is?, welche dem Geiste die übrigen Tugenden einflößt und bewahrt." „Lassen wir uns," so fährt der Brief fort, „von anderen Orden durch Fasten, Nachtwachen und strenge Lebensweise gern übertreffen, an wahrem und voll- kommnem Gehorsam aber und an Entsagung in Betreff des eigenen Willens und Urtheils sollen die. welche in dieser Genossenschaft Gott, unserm Herrn dienen, am meisten leuchten und sich vor allen Andern auszeichnen." Von Rechten der Untergebenen gegenüber den Vorgesetzten ist in der Compagnie Jesu kaum die Rede. Zwar erlauben die „Regeln." daß jene diesen „Borstellungen machen, wenn ihnen eine Speise, Kleidung, Wohnung, Beschäftigung oder Uebung fehlt oder schadet, aber dann haben sie dem Obern die Sorge in Betreff der ihm auseinandergesetzten Angelegenheit ganz zu über- Dcr Gehorsam in der Gesellschaft Ich"- Urkundlich dargestellt von v. Th. Weber. Breslau, 1872. /

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/476
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/476>, abgerufen am 07.05.2024.