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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. III. De Incommodis,
sten gemacht, cum jam esset mortuus. Daher haben diese die Sachen
nicht recht ausgemacht. Mir gefället wohl, was ein Prediger zu Delft
Elies Benoist, in einem Tract. von dieser materie geschrieben, daraus ich
einen Extract in die N. B. gemacht. Dieser sagt: Es sind lauter Pos-
sen, was man in abstracto vorbeinget, wenn man von einer republica
Atheorum
redet, so supponiret man, daß die Atheisten gantz raisonable,
als wie der Atheist Julianus Apostata alles mit Uberlegung gethan, denn
daß ein Atheist kan raisonniren, ist kein Zweiffel. Es kan ja einer
die gantze Mathematic lernen, ohne daß er einen GOtt glaubet, er kan
auch eine Moral lernen, wenn er die menschlichen Affecten so ansiehet,
aber er sagt, man solle bedencken, wenn solche Leute boßhafft würden,
da würde es werden, wie bey denen Tartarn, die halten alles vor erlau-
bet, wo sie einen schaden können, thun sie es. Ein solcher Atheus fürch-
tet sich vor niemanden, er ist ein Esprit fort. Daher meynet Benoist
nun, tauge sowohl Respublica Enthusiastica als Atheistica nichts, denn
vom ewigen Leben wissen Athei nichts, verlangen auch nichts zu wissen,
was soll man da disputiren, welche schlimmer? Es sind hier zwey diffe-
ren
te Narren, da kan man nicht accurat ausmachen, welche schlimmer,
und braucht man die Zeit nicht zu verderben. Man kan in einer Epistel
an den M. Elswig in Gundlingianis mehrers hievon lesen.

Cap. IV.
de
Vera cujuslibet status felicitate.
§. 1. 2.
Was wahre
Glückseligkeit
sey?

BIsher ist more Medicorum gewiesen worden, quod desit nobis,
was vor eine infelicitas in singulis statibus sey, und in was vor
einer infelicitate singuli homines stehen. Wir haben auch bey
der societate civili wahrgenommen, daß, da sie dolores empfunden, so
haben sie sich gesucht zu helffen, fielen aber auf Betrügereyen, welches
nicht anders als ruinam zuwege bringet. Ab infelicitate tendunt ho-
mines ad felicitatem;
daher muß man sich vornehmlich einen generalen
concept machen, was felicitas sey, welches auch sonst schon in der Mo-
ral
gewiesen wird. Es sind hier viel praejudicia: Denn der vulgus, und
auch Leute, welche sich vom vulgo distinguiren wollen, haben keinen rech-
ten concept hievon. Das gibt grosse Hindernisse in der cognitione mo-

rali.

Cap. III. De Incommodis,
ſten gemacht, cum jam eſſet mortuus. Daher haben dieſe die Sachen
nicht recht ausgemacht. Mir gefaͤllet wohl, was ein Prediger zu Delft
Elies Benoiſt, in einem Tract. von dieſer materie geſchrieben, daraus ich
einen Extract in die N. B. gemacht. Dieſer ſagt: Es ſind lauter Poſ-
ſen, was man in abſtracto vorbeinget, wenn man von einer republica
Atheorum
redet, ſo ſupponiret man, daß die Atheiſten gantz raiſonable,
als wie der Atheiſt Julianus Apoſtata alles mit Uberlegung gethan, denn
daß ein Atheiſt kan raiſonniren, iſt kein Zweiffel. Es kan ja einer
die gantze Mathematic lernen, ohne daß er einen GOtt glaubet, er kan
auch eine Moral lernen, wenn er die menſchlichen Affecten ſo anſiehet,
aber er ſagt, man ſolle bedencken, wenn ſolche Leute boßhafft wuͤrden,
da wuͤrde es werden, wie bey denen Tartarn, die halten alles vor erlau-
bet, wo ſie einen ſchaden koͤnnen, thun ſie es. Ein ſolcher Atheus fuͤrch-
tet ſich vor niemanden, er iſt ein Eſprit fort. Daher meynet Benoiſt
nun, tauge ſowohl Respublica Enthuſiaſtica als Atheiſtica nichts, denn
vom ewigen Leben wiſſen Athei nichts, verlangen auch nichts zu wiſſen,
was ſoll man da diſputiren, welche ſchlimmer? Es ſind hier zwey diffe-
ren
te Narren, da kan man nicht accurat ausmachen, welche ſchlimmer,
und braucht man die Zeit nicht zu verderben. Man kan in einer Epiſtel
an den M. Elswig in Gundlingianis mehrers hievon leſen.

Cap. IV.
de
Vera cujuslibet ſtatus felicitate.
§. 1. 2.
Was wahre
Gluͤckſeligkeit
ſey?

BIsher iſt more Medicorum gewieſen worden, quod deſit nobis,
was vor eine infelicitas in ſingulis ſtatibus ſey, und in was vor
einer infelicitate ſinguli homines ſtehen. Wir haben auch bey
der ſocietate civili wahrgenommen, daß, da ſie dolores empfunden, ſo
haben ſie ſich geſucht zu helffen, fielen aber auf Betruͤgereyen, welches
nicht anders als ruinam zuwege bringet. Ab infelicitate tendunt ho-
mines ad felicitatem;
daher muß man ſich vornehmlich einen generalen
concept machen, was felicitas ſey, welches auch ſonſt ſchon in der Mo-
ral
gewieſen wird. Es ſind hier viel præjudicia: Denn der vulgus, und
auch Leute, welche ſich vom vulgo diſtinguiren wollen, haben keinen rech-
ten concept hievon. Das gibt groſſe Hinderniſſe in der cognitione mo-

rali.
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[88/0108] Cap. III. De Incommodis, ſten gemacht, cum jam eſſet mortuus. Daher haben dieſe die Sachen nicht recht ausgemacht. Mir gefaͤllet wohl, was ein Prediger zu Delft Elies Benoiſt, in einem Tract. von dieſer materie geſchrieben, daraus ich einen Extract in die N. B. gemacht. Dieſer ſagt: Es ſind lauter Poſ- ſen, was man in abſtracto vorbeinget, wenn man von einer republica Atheorum redet, ſo ſupponiret man, daß die Atheiſten gantz raiſonable, als wie der Atheiſt Julianus Apoſtata alles mit Uberlegung gethan, denn daß ein Atheiſt kan raiſonniren, iſt kein Zweiffel. Es kan ja einer die gantze Mathematic lernen, ohne daß er einen GOtt glaubet, er kan auch eine Moral lernen, wenn er die menſchlichen Affecten ſo anſiehet, aber er ſagt, man ſolle bedencken, wenn ſolche Leute boßhafft wuͤrden, da wuͤrde es werden, wie bey denen Tartarn, die halten alles vor erlau- bet, wo ſie einen ſchaden koͤnnen, thun ſie es. Ein ſolcher Atheus fuͤrch- tet ſich vor niemanden, er iſt ein Eſprit fort. Daher meynet Benoiſt nun, tauge ſowohl Respublica Enthuſiaſtica als Atheiſtica nichts, denn vom ewigen Leben wiſſen Athei nichts, verlangen auch nichts zu wiſſen, was ſoll man da diſputiren, welche ſchlimmer? Es ſind hier zwey diffe- rente Narren, da kan man nicht accurat ausmachen, welche ſchlimmer, und braucht man die Zeit nicht zu verderben. Man kan in einer Epiſtel an den M. Elswig in Gundlingianis mehrers hievon leſen. Cap. IV. de Vera cujuslibet ſtatus felicitate. §. 1. 2. BIsher iſt more Medicorum gewieſen worden, quod deſit nobis, was vor eine infelicitas in ſingulis ſtatibus ſey, und in was vor einer infelicitate ſinguli homines ſtehen. Wir haben auch bey der ſocietate civili wahrgenommen, daß, da ſie dolores empfunden, ſo haben ſie ſich geſucht zu helffen, fielen aber auf Betruͤgereyen, welches nicht anders als ruinam zuwege bringet. Ab infelicitate tendunt ho- mines ad felicitatem; daher muß man ſich vornehmlich einen generalen concept machen, was felicitas ſey, welches auch ſonſt ſchon in der Mo- ral gewieſen wird. Es ſind hier viel præjudicia: Denn der vulgus, und auch Leute, welche ſich vom vulgo diſtinguiren wollen, haben keinen rech- ten concept hievon. Das gibt groſſe Hinderniſſe in der cognitione mo- rali.

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/108>, abgerufen am 26.04.2024.