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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
Ehcontrakt, und ich weiß selbst nicht wofür.
Steht wohl von allen diesem ein Wort darinnen?
Nicht ein Wort. Wie blind sind wir Mädchen,
wenn wir uns einmal von den albernen Schmeiche-
leyen der verführerischen Mannspersonen fangen,
und uns von einer Liebe einnehmen lassen, von
der uns unser Stand, und die Vernunft abhalten
sollte! Mein Lieutenant kam, wie er versprochen
hatte. Er sagte mir tausend läppische Sachen vor,
die mir damals sehr wichtig vorkamen. Jch muß-
te mich in seiner Gegenwart hinsetzen, und an mei-
nen Liebhaber folgenden Brief schreiben.

Hochzuehrender Herr Doctor,

"Wenn Sie Sich auf den Puls nicht besser ver-
"stehn, als auf die Herzen der Mädchen:
"so sind Sie ein ziemlicher Pfuscher. Die Sor-
"ge für die Gesundheit meines Vaters hat mir
"Jhre Gegenwart etliche Monate über erträglich
"gemacht. Nun ist er wieder gesund, Sie sind
"für Jhre Mühe bezahlt; haben Sie weiter ei-
"nen Anspruch an ihn, oder soll er seine Gesund-
"heit mit seiner Tochter erkaufen? Nein, Hocher-
"fahrner Herr Doctor, dieser Kauf wäre zu theu-
"er. Der Himmel erhalte meinen Vater bestän-
"dig gesund! Blos darum wünsche ich es, da-
"mit er Jhnen nicht vom neuen eine Wohlthat zu

"dan-

Satyriſche Briefe.
Ehcontrakt, und ich weiß ſelbſt nicht wofuͤr.
Steht wohl von allen dieſem ein Wort darinnen?
Nicht ein Wort. Wie blind ſind wir Maͤdchen,
wenn wir uns einmal von den albernen Schmeiche-
leyen der verfuͤhreriſchen Mannsperſonen fangen,
und uns von einer Liebe einnehmen laſſen, von
der uns unſer Stand, und die Vernunft abhalten
ſollte! Mein Lieutenant kam, wie er verſprochen
hatte. Er ſagte mir tauſend laͤppiſche Sachen vor,
die mir damals ſehr wichtig vorkamen. Jch muß-
te mich in ſeiner Gegenwart hinſetzen, und an mei-
nen Liebhaber folgenden Brief ſchreiben.

Hochzuehrender Herr Doctor,

Wenn Sie Sich auf den Puls nicht beſſer ver-
„ſtehn, als auf die Herzen der Maͤdchen:
„ſo ſind Sie ein ziemlicher Pfuſcher. Die Sor-
„ge fuͤr die Geſundheit meines Vaters hat mir
„Jhre Gegenwart etliche Monate uͤber ertraͤglich
„gemacht. Nun iſt er wieder geſund, Sie ſind
„fuͤr Jhre Muͤhe bezahlt; haben Sie weiter ei-
„nen Anſpruch an ihn, oder ſoll er ſeine Geſund-
„heit mit ſeiner Tochter erkaufen? Nein, Hocher-
„fahrner Herr Doctor, dieſer Kauf waͤre zu theu-
„er. Der Himmel erhalte meinen Vater beſtaͤn-
„dig geſund! Blos darum wuͤnſche ich es, da-
„mit er Jhnen nicht vom neuen eine Wohlthat zu

„dan-
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[194/0222] Satyriſche Briefe. Ehcontrakt, und ich weiß ſelbſt nicht wofuͤr. Steht wohl von allen dieſem ein Wort darinnen? Nicht ein Wort. Wie blind ſind wir Maͤdchen, wenn wir uns einmal von den albernen Schmeiche- leyen der verfuͤhreriſchen Mannsperſonen fangen, und uns von einer Liebe einnehmen laſſen, von der uns unſer Stand, und die Vernunft abhalten ſollte! Mein Lieutenant kam, wie er verſprochen hatte. Er ſagte mir tauſend laͤppiſche Sachen vor, die mir damals ſehr wichtig vorkamen. Jch muß- te mich in ſeiner Gegenwart hinſetzen, und an mei- nen Liebhaber folgenden Brief ſchreiben. Hochzuehrender Herr Doctor, „Wenn Sie Sich auf den Puls nicht beſſer ver- „ſtehn, als auf die Herzen der Maͤdchen: „ſo ſind Sie ein ziemlicher Pfuſcher. Die Sor- „ge fuͤr die Geſundheit meines Vaters hat mir „Jhre Gegenwart etliche Monate uͤber ertraͤglich „gemacht. Nun iſt er wieder geſund, Sie ſind „fuͤr Jhre Muͤhe bezahlt; haben Sie weiter ei- „nen Anſpruch an ihn, oder ſoll er ſeine Geſund- „heit mit ſeiner Tochter erkaufen? Nein, Hocher- „fahrner Herr Doctor, dieſer Kauf waͤre zu theu- „er. Der Himmel erhalte meinen Vater beſtaͤn- „dig geſund! Blos darum wuͤnſche ich es, da- „mit er Jhnen nicht vom neuen eine Wohlthat zu „dan-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/222>, abgerufen am 26.04.2024.