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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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beim Zipfel und schwenkte sie weit hinaus in die Wel-
len; da hat der Wind die Mütze weggeweht sagte ich,
ich drückte ihm meinen Kranz auf den Kopf der ihm
wirklich schön stand, Lehne wollt es nicht leiden, die
frischen Blätter könnten ihm schaden. Lasse ihn mir
doch, sagte Jacobi sanft, ich legte die Hand über den
Kranz. Jacobi sagte ich: Ihre feinen Züge leuchten im
gebrochnen Licht dieser schönen Blätter wie die des ver-
klärten Plato. Sie sind schön, und es bedarf nur eines
Kranzes den Sie so wohl verdienen, um Sie würdig
der Unsterblichkeit darzustellen; ich war vor Zorn be-
geistert und Jacobi freute sich; ich setzte mich neben ihn
an die Erde und hielt seine Hand die er mir auch ließ,
keiner sagte etwas, sie wendeten sich alle ab, um die
Aussicht zu betrachten, und sprachen unter sich, da lachte
ich ihn heimlich an. Da wir an's Ufer kamen nahm
ich ihm den Kranz ab und reichte ihn den Hut. --
Das war meine kleine Liebesgeschichte jenes schönen Ta-
ges, ohne welche der Tag nicht schön gewesen sein
würde; nun hängt der Kranz verwelkt an meinen Spie-
gel, ich bin seit dem nicht wieder hingegangen, denn
ich fürchte mich vor Helenen, die aus beleidigter Würde
ganz stumm war und mir nicht Adieu sagte; so mag
denn Jacobi freundlich meiner gedenken wenn ich ihn

beim Zipfel und ſchwenkte ſie weit hinaus in die Wel-
len; da hat der Wind die Mütze weggeweht ſagte ich,
ich drückte ihm meinen Kranz auf den Kopf der ihm
wirklich ſchön ſtand, Lehne wollt es nicht leiden, die
friſchen Blätter könnten ihm ſchaden. Laſſe ihn mir
doch, ſagte Jacobi ſanft, ich legte die Hand über den
Kranz. Jacobi ſagte ich: Ihre feinen Züge leuchten im
gebrochnen Licht dieſer ſchönen Blätter wie die des ver-
klärten Plato. Sie ſind ſchön, und es bedarf nur eines
Kranzes den Sie ſo wohl verdienen, um Sie würdig
der Unſterblichkeit darzuſtellen; ich war vor Zorn be-
geiſtert und Jacobi freute ſich; ich ſetzte mich neben ihn
an die Erde und hielt ſeine Hand die er mir auch ließ,
keiner ſagte etwas, ſie wendeten ſich alle ab, um die
Ausſicht zu betrachten, und ſprachen unter ſich, da lachte
ich ihn heimlich an. Da wir an's Ufer kamen nahm
ich ihm den Kranz ab und reichte ihn den Hut. —
Das war meine kleine Liebesgeſchichte jenes ſchönen Ta-
ges, ohne welche der Tag nicht ſchön geweſen ſein
würde; nun hängt der Kranz verwelkt an meinen Spie-
gel, ich bin ſeit dem nicht wieder hingegangen, denn
ich fürchte mich vor Helenen, die aus beleidigter Würde
ganz ſtumm war und mir nicht Adieu ſagte; ſo mag
denn Jacobi freundlich meiner gedenken wenn ich ihn

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[78/0088] beim Zipfel und ſchwenkte ſie weit hinaus in die Wel- len; da hat der Wind die Mütze weggeweht ſagte ich, ich drückte ihm meinen Kranz auf den Kopf der ihm wirklich ſchön ſtand, Lehne wollt es nicht leiden, die friſchen Blätter könnten ihm ſchaden. Laſſe ihn mir doch, ſagte Jacobi ſanft, ich legte die Hand über den Kranz. Jacobi ſagte ich: Ihre feinen Züge leuchten im gebrochnen Licht dieſer ſchönen Blätter wie die des ver- klärten Plato. Sie ſind ſchön, und es bedarf nur eines Kranzes den Sie ſo wohl verdienen, um Sie würdig der Unſterblichkeit darzuſtellen; ich war vor Zorn be- geiſtert und Jacobi freute ſich; ich ſetzte mich neben ihn an die Erde und hielt ſeine Hand die er mir auch ließ, keiner ſagte etwas, ſie wendeten ſich alle ab, um die Ausſicht zu betrachten, und ſprachen unter ſich, da lachte ich ihn heimlich an. Da wir an's Ufer kamen nahm ich ihm den Kranz ab und reichte ihn den Hut. — Das war meine kleine Liebesgeſchichte jenes ſchönen Ta- ges, ohne welche der Tag nicht ſchön geweſen ſein würde; nun hängt der Kranz verwelkt an meinen Spie- gel, ich bin ſeit dem nicht wieder hingegangen, denn ich fürchte mich vor Helenen, die aus beleidigter Würde ganz ſtumm war und mir nicht Adieu ſagte; ſo mag denn Jacobi freundlich meiner gedenken wenn ich ihn

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/88>, abgerufen am 30.04.2024.