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Böttner, Gottfried: Eine in Gott ruhende/ und also gantz ruhige Elisabeth. Zittau, 1686.

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Abdanckungs-Rede.
Lectionibus angemercket/ auff welchen schlag auch Hora-
tius
saget: de me supercilio nubem. Viele unter uns
sahen[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] wie die Soldaten/ welche unter dem Zunfft-Moister
Ampte des jungen Catonis Krieg geführet/ und jhn da er
wegreisen wollen mit Thränen begleitet/ nachdem sie jhn
zuvor mit jhren Händen umarmet/ und sonsten alle Eh-
re erwiesen hatten. Zum theil stunden wie die Jünger
Christi traurig/ welche jhrem Meister/ als Er gen Him-
mel fuhr/ nach sahen und jhm gerne vielleicht bald nach-
gewesen wären/ wenn sie GOttes-Rath nicht zurücke ge-
halten. Viele/ viele haben bey diesem wohlseeligen Tode
viel viel Thränen vergossen/ nicht als wenn sie Jhr/ O
Hochseelige Todte/ den glückseligen Wechsel verübelten/
in welchem Sie eine Folter-Banck um einen Kömglichen
Stuhl/ eine zerbrechliche Hütte um einen ewigen Palast/
Traurige Elende Nächte um einen Tag ohne Abend kurtz
nichts um alles und ewiges v[e]rtauschet/ auch nicht/ als
wenn Sie sich über GOttes strenge beklageten/ sondern
weil auf seiten Unserer gar zu viel guttes und nützliches
auf einmahl und so balde hingegangen. Dorten liß mei-
ne gnädige Frau aus den betrübten Augen über die Wan-
gen herab ströhmen/ weil der Tod einer hertzinniglich ge-
liebtesten Jungfr. Schwester zuschmertzlich war. Hierauf
sammlete mein Hochgebietender Herr etliche Augen Per-
len in sein Wischtüchlein/ weil es doch einem Tugend-
hafften Herren wohl anstehet/ auch in den aller empfind-
lichsten Fällen/ mit dieser Waare sparsamer zu handeln. Jn
meinen Armen netzete sein Kleid mit Thränen der so herz-
lich geliebte Hoch-Adeliche Pflege-Sohn/ und die Hoch-
Adeliche Jungfr. Schwester Weinete mir zur rechten Sei-

ten
N 2

Abdanckungs-Rede.
Lectionibus angemercket/ auff welchen ſchlag auch Hora-
tius
ſaget: de me ſupercilio nubem. Viele unter uns
ſahen[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] wie die Soldaten/ welche unter dem Zunfft-Moiſter
Ampte des jungen Catonis Krieg gefuͤhret/ und jhn da er
wegreiſen wollen mit Thraͤnen begleitet/ nachdem ſie jhn
zuvor mit jhren Haͤnden umarmet/ und ſonſten alle Eh-
re erwieſen hatten. Zum theil ſtunden wie die Juͤnger
Chriſti traurig/ welche jhrem Meiſter/ als Er gen Him-
mel fuhr/ nach ſahen und jhm gerne vielleicht bald nach-
geweſen waͤren/ wenn ſie GOttes-Rath nicht zuruͤcke ge-
halten. Viele/ viele haben bey dieſem wohlſeeligen Tode
viel viel Thraͤnen vergoſſen/ nicht als wenn ſie Jhr/ O
Hochſeelige Todte/ den gluͤckſeligen Wechſel veruͤbelten/
in welchem Sie eine Folter-Banck um einen Koͤmglichen
Stuhl/ eine zerbrechliche Huͤtte um einen ewigen Palaſt/
Traurige Elende Naͤchte um einen Tag ohne Abend kurtz
nichts um alles und ewiges v[e]rtauſchet/ auch nicht/ als
wenn Sie ſich uͤber GOttes ſtrenge beklageten/ ſondern
weil auf ſeiten Unſerer gar zu viel guttes und nuͤtzliches
auf einmahl und ſo balde hingegangen. Dorten liß mei-
ne gnaͤdige Frau aus den betruͤbten Augen uͤber die Wan-
gen herab ſtroͤhmen/ weil der Tod einer hertzinniglich ge-
liebteſten Jungfr. Schweſter zuſchmertzlich war. Hierauf
ſammlete mein Hochgebietender Herr etliche Augen Per-
len in ſein Wiſchtuͤchlein/ weil es doch einem Tugend-
hafften Herren wohl anſtehet/ auch in den aller empfind-
lichſten Faͤllen/ mit dieſer Waare ſparſamer zu handeln. Jn
meinen Armen netzete ſein Kleid mit Thraͤnen der ſo herz-
lich geliebte Hoch-Adeliche Pflege-Sohn/ und die Hoch-
Adeliche Jungfr. Schweſter Weinete mir zur rechten Sei-

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N 2
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[91[99]/0099] Abdanckungs-Rede. Lectionibus angemercket/ auff welchen ſchlag auch Hora- tius ſaget: de me ſupercilio nubem. Viele unter uns ſahen_ wie die Soldaten/ welche unter dem Zunfft-Moiſter Ampte des jungen Catonis Krieg gefuͤhret/ und jhn da er wegreiſen wollen mit Thraͤnen begleitet/ nachdem ſie jhn zuvor mit jhren Haͤnden umarmet/ und ſonſten alle Eh- re erwieſen hatten. Zum theil ſtunden wie die Juͤnger Chriſti traurig/ welche jhrem Meiſter/ als Er gen Him- mel fuhr/ nach ſahen und jhm gerne vielleicht bald nach- geweſen waͤren/ wenn ſie GOttes-Rath nicht zuruͤcke ge- halten. Viele/ viele haben bey dieſem wohlſeeligen Tode viel viel Thraͤnen vergoſſen/ nicht als wenn ſie Jhr/ O Hochſeelige Todte/ den gluͤckſeligen Wechſel veruͤbelten/ in welchem Sie eine Folter-Banck um einen Koͤmglichen Stuhl/ eine zerbrechliche Huͤtte um einen ewigen Palaſt/ Traurige Elende Naͤchte um einen Tag ohne Abend kurtz nichts um alles und ewiges vertauſchet/ auch nicht/ als wenn Sie ſich uͤber GOttes ſtrenge beklageten/ ſondern weil auf ſeiten Unſerer gar zu viel guttes und nuͤtzliches auf einmahl und ſo balde hingegangen. Dorten liß mei- ne gnaͤdige Frau aus den betruͤbten Augen uͤber die Wan- gen herab ſtroͤhmen/ weil der Tod einer hertzinniglich ge- liebteſten Jungfr. Schweſter zuſchmertzlich war. Hierauf ſammlete mein Hochgebietender Herr etliche Augen Per- len in ſein Wiſchtuͤchlein/ weil es doch einem Tugend- hafften Herren wohl anſtehet/ auch in den aller empfind- lichſten Faͤllen/ mit dieſer Waare ſparſamer zu handeln. Jn meinen Armen netzete ſein Kleid mit Thraͤnen der ſo herz- lich geliebte Hoch-Adeliche Pflege-Sohn/ und die Hoch- Adeliche Jungfr. Schweſter Weinete mir zur rechten Sei- ten N 2

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Zitationshilfe: Böttner, Gottfried: Eine in Gott ruhende/ und also gantz ruhige Elisabeth. Zittau, 1686, S. 91[99]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/358833/99>, abgerufen am 01.05.2024.