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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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Die Aegypter aßen, nach Prosper Alpin's ausführli-
chen Berichten, höchst ärmlich und tranken keinen Wein. In
der Regel mit Einem Gerichte zufrieden, welches meistens aus
Reis oder anderen Hülsenfrüchten, Gemüsen oder Wurzeln, oder
aus Milch bestand, aßen sie nur noch ausnahmsweise Fische
oder Kameelfleisch, und ob sie gleich das Vorschneiden schon
kannten, wandten sie es doch zunächst nur auf Schafböcke an.
Daß das Volk Zwiebeln und Kohl anbetete, ist bekannt. Frei-
lich sind die Aegyptischen Zwiebeln von ganz besonderem Wohl-
geschmack. Erst zu Prosper Alpin's Zeit fingen wenige
Gebildetere, von fremden Kaufleuten belehrt, an, Hühnerfleisch
zu essen. Was läßt sich aber auch von dieser wunderlichen
und tristen Nation erwarten?

Wenn Winckelmann es nicht über sein ästhetisches Herz
bringen konnte, zu sagen, daß die jungen Ringer unter den
Griechen Käse zur Speise erhielten und es für schöner hielt,
dafür Milchspeise zu setzen, so kommt auch mir es hart an,
zu berichten, daß die alten Römer in der ersten Zeit fast ganz
allein von einem Breie gelebt haben, welcher von Kornmehl,
bisweilen auch von Spelz, Weizen, Haber bereitet wurde.
Nach Cäsar's Beschreibung lebten die alten Helveti beinahe
von gleicher Speise, und Plinius berichtet, die deutschen Völ-
ker bedienten sich außer dem Haberbrei keines andern. Taci-
tus
fügt Holzäpfel und saure Milch hinzu.

Doch ich eile von solchen Objekten wegzukommen; nur
will ich noch erwähnen, daß man auf die Kraft und Körper-
stärke dieser schlecht essenden Völker nicht so stark pochen sollte.
Die Homerischen Roastbeef-Helden schleuderten mit Einer
Hand Steine, welche wohl ein Dutzend solcher späterer Brei-
esser zusammengenommen nicht einmal heben konnten. Und
dann ist erst noch die Frage: was die alten Deutschen wohl
ohne ihr Bier gewesen wären.


Die Aegypter aßen, nach Prosper Alpin’s ausfuͤhrli-
chen Berichten, hoͤchſt aͤrmlich und tranken keinen Wein. In
der Regel mit Einem Gerichte zufrieden, welches meiſtens aus
Reis oder anderen Huͤlſenfruͤchten, Gemuͤſen oder Wurzeln, oder
aus Milch beſtand, aßen ſie nur noch ausnahmsweiſe Fiſche
oder Kameelfleiſch, und ob ſie gleich das Vorſchneiden ſchon
kannten, wandten ſie es doch zunaͤchſt nur auf Schafboͤcke an.
Daß das Volk Zwiebeln und Kohl anbetete, iſt bekannt. Frei-
lich ſind die Aegyptiſchen Zwiebeln von ganz beſonderem Wohl-
geſchmack. Erſt zu Prosper Alpin’s Zeit fingen wenige
Gebildetere, von fremden Kaufleuten belehrt, an, Huͤhnerfleiſch
zu eſſen. Was laͤßt ſich aber auch von dieſer wunderlichen
und triſten Nation erwarten?

Wenn Winckelmann es nicht uͤber ſein aͤſthetiſches Herz
bringen konnte, zu ſagen, daß die jungen Ringer unter den
Griechen Kaͤſe zur Speiſe erhielten und es fuͤr ſchoͤner hielt,
dafuͤr Milchſpeiſe zu ſetzen, ſo kommt auch mir es hart an,
zu berichten, daß die alten Roͤmer in der erſten Zeit faſt ganz
allein von einem Breie gelebt haben, welcher von Kornmehl,
bisweilen auch von Spelz, Weizen, Haber bereitet wurde.
Nach Caͤſar’s Beſchreibung lebten die alten Helveti beinahe
von gleicher Speiſe, und Plinius berichtet, die deutſchen Voͤl-
ker bedienten ſich außer dem Haberbrei keines andern. Taci-
tus
fuͤgt Holzaͤpfel und ſaure Milch hinzu.

Doch ich eile von ſolchen Objekten wegzukommen; nur
will ich noch erwaͤhnen, daß man auf die Kraft und Koͤrper-
ſtaͤrke dieſer ſchlecht eſſenden Voͤlker nicht ſo ſtark pochen ſollte.
Die Homeriſchen Roaſtbeef-Helden ſchleuderten mit Einer
Hand Steine, welche wohl ein Dutzend ſolcher ſpaͤterer Brei-
eſſer zuſammengenommen nicht einmal heben konnten. Und
dann iſt erſt noch die Frage: was die alten Deutſchen wohl
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[31/0045] Die Aegypter aßen, nach Prosper Alpin’s ausfuͤhrli- chen Berichten, hoͤchſt aͤrmlich und tranken keinen Wein. In der Regel mit Einem Gerichte zufrieden, welches meiſtens aus Reis oder anderen Huͤlſenfruͤchten, Gemuͤſen oder Wurzeln, oder aus Milch beſtand, aßen ſie nur noch ausnahmsweiſe Fiſche oder Kameelfleiſch, und ob ſie gleich das Vorſchneiden ſchon kannten, wandten ſie es doch zunaͤchſt nur auf Schafboͤcke an. Daß das Volk Zwiebeln und Kohl anbetete, iſt bekannt. Frei- lich ſind die Aegyptiſchen Zwiebeln von ganz beſonderem Wohl- geſchmack. Erſt zu Prosper Alpin’s Zeit fingen wenige Gebildetere, von fremden Kaufleuten belehrt, an, Huͤhnerfleiſch zu eſſen. Was laͤßt ſich aber auch von dieſer wunderlichen und triſten Nation erwarten? Wenn Winckelmann es nicht uͤber ſein aͤſthetiſches Herz bringen konnte, zu ſagen, daß die jungen Ringer unter den Griechen Kaͤſe zur Speiſe erhielten und es fuͤr ſchoͤner hielt, dafuͤr Milchſpeiſe zu ſetzen, ſo kommt auch mir es hart an, zu berichten, daß die alten Roͤmer in der erſten Zeit faſt ganz allein von einem Breie gelebt haben, welcher von Kornmehl, bisweilen auch von Spelz, Weizen, Haber bereitet wurde. Nach Caͤſar’s Beſchreibung lebten die alten Helveti beinahe von gleicher Speiſe, und Plinius berichtet, die deutſchen Voͤl- ker bedienten ſich außer dem Haberbrei keines andern. Taci- tus fuͤgt Holzaͤpfel und ſaure Milch hinzu. Doch ich eile von ſolchen Objekten wegzukommen; nur will ich noch erwaͤhnen, daß man auf die Kraft und Koͤrper- ſtaͤrke dieſer ſchlecht eſſenden Voͤlker nicht ſo ſtark pochen ſollte. Die Homeriſchen Roaſtbeef-Helden ſchleuderten mit Einer Hand Steine, welche wohl ein Dutzend ſolcher ſpaͤterer Brei- eſſer zuſammengenommen nicht einmal heben konnten. Und dann iſt erſt noch die Frage: was die alten Deutſchen wohl ohne ihr Bier geweſen waͤren.

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/45>, abgerufen am 30.04.2024.