Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Die philosophischen Gastmähler der Griechen verdienen
mehr durch das, was dabei gesprochen, als was gegessen wurde,
Rücksicht, und es möge genügen, ihrer erwähnt zu haben.

Wie die Römer ihre Bildung überhaupt den Griechen
verdanken, so kam ihnen auch von daher zuerst die Ahnung,
es gäbe was Anderes und Besseres als Brei. Selbst die ersten
Elementarbegriffe, wie z. B. das Brod, erhielten sie von den
Griechen. (Eine rundgeschnittene Scheibe Brod, die später
nach dem Gebrauch den Armen geschenkt wurde, vertrat Jahr-
hunderte lang die Stelle des Tellers.) Wie aber die Bewoh-
ner der neuen Amerikanischen Welt sich ihr Bischen Bildung
fix und fertig aus Europa kommen lassen und sich damit zu
überkleistern suchen, so gut es eben geht, -- ähnlich verhielten
sich die Römer zu den Griechen. Ohne eigentlichen Sinn, ohne
jenes zarte innerlichere Verständniß nahmen sie, was zu neh-
men war, und hätten gern noch mehr genommen, suchten pro
captu
damit zurechtzukommen, entstellten, übertrieben, manie-
rirten, überluden aber (mit Asa foetida und Salmiak) bis zur
Unkenntlichkeit der nachgeahmten und entstellten Urbilder. Ho-
mer
und Virgil! --

Wie lieblich sind die mimischen Tänze bei den Gastmäh-
lern der Griechen; wie abscheulich die Thierhatzen und Zerflei-
schungen der Gladiatoren bei denen der Römer!

Man stößt allenthalben auf griechische Reminiscenzen.
So war es, nach Macrobius, in Rom Mode, in dem Bauche
eines Schweines mehrere andere Thiere zu braten, was man,
mit feiner Anspielung auf das Trojanische Roß, ein Trojani-
sches Schwein nannte. Es ist immerhin etwas Klassisches bei
solchen Essen. Auf einer Nachbildung des mehrgedachten Ho-
merischen Weinmuses gab das Römische Frühstück eine mit ge-
kochten Eiern, Zwiebeln, Weihrauch und Pfeffer gefüllte Wurst.
Welche unnatürliche Uebermengung und Verkünstlung! Austern
von Lucrin und in Schnee gekühlter Sorrente-Wein, die dazu-

Die philoſophiſchen Gaſtmaͤhler der Griechen verdienen
mehr durch das, was dabei geſprochen, als was gegeſſen wurde,
Ruͤckſicht, und es moͤge genuͤgen, ihrer erwaͤhnt zu haben.

Wie die Roͤmer ihre Bildung uͤberhaupt den Griechen
verdanken, ſo kam ihnen auch von daher zuerſt die Ahnung,
es gaͤbe was Anderes und Beſſeres als Brei. Selbſt die erſten
Elementarbegriffe, wie z. B. das Brod, erhielten ſie von den
Griechen. (Eine rundgeſchnittene Scheibe Brod, die ſpaͤter
nach dem Gebrauch den Armen geſchenkt wurde, vertrat Jahr-
hunderte lang die Stelle des Tellers.) Wie aber die Bewoh-
ner der neuen Amerikaniſchen Welt ſich ihr Bischen Bildung
fix und fertig aus Europa kommen laſſen und ſich damit zu
uͤberkleiſtern ſuchen, ſo gut es eben geht, — aͤhnlich verhielten
ſich die Roͤmer zu den Griechen. Ohne eigentlichen Sinn, ohne
jenes zarte innerlichere Verſtaͤndniß nahmen ſie, was zu neh-
men war, und haͤtten gern noch mehr genommen, ſuchten pro
captu
damit zurechtzukommen, entſtellten, uͤbertrieben, manie-
rirten, uͤberluden aber (mit Asa foetida und Salmiak) bis zur
Unkenntlichkeit der nachgeahmten und entſtellten Urbilder. Ho-
mer
und Virgil! —

Wie lieblich ſind die mimiſchen Taͤnze bei den Gaſtmaͤh-
lern der Griechen; wie abſcheulich die Thierhatzen und Zerflei-
ſchungen der Gladiatoren bei denen der Roͤmer!

Man ſtoͤßt allenthalben auf griechiſche Reminiscenzen.
So war es, nach Macrobius, in Rom Mode, in dem Bauche
eines Schweines mehrere andere Thiere zu braten, was man,
mit feiner Anſpielung auf das Trojaniſche Roß, ein Trojani-
ſches Schwein nannte. Es iſt immerhin etwas Klaſſiſches bei
ſolchen Eſſen. Auf einer Nachbildung des mehrgedachten Ho-
meriſchen Weinmuſes gab das Roͤmiſche Fruͤhſtuͤck eine mit ge-
kochten Eiern, Zwiebeln, Weihrauch und Pfeffer gefuͤllte Wurſt.
Welche unnatuͤrliche Uebermengung und Verkuͤnſtlung! Auſtern
von Lucrin und in Schnee gekuͤhlter Sorrente-Wein, die dazu-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0046" n="32"/>
        <p>Die philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Ga&#x017F;tma&#x0364;hler der Griechen verdienen<lb/>
mehr durch das, was dabei ge&#x017F;prochen, als was gege&#x017F;&#x017F;en wurde,<lb/>
Ru&#x0364;ck&#x017F;icht, und es mo&#x0364;ge genu&#x0364;gen, ihrer erwa&#x0364;hnt zu haben.</p><lb/>
        <p>Wie die Ro&#x0364;mer ihre Bildung u&#x0364;berhaupt den Griechen<lb/>
verdanken, &#x017F;o kam ihnen auch von daher zuer&#x017F;t die Ahnung,<lb/>
es ga&#x0364;be was Anderes und Be&#x017F;&#x017F;eres als Brei. Selb&#x017F;t die er&#x017F;ten<lb/>
Elementarbegriffe, wie z. B. das Brod, erhielten &#x017F;ie von den<lb/>
Griechen. (Eine rundge&#x017F;chnittene Scheibe Brod, die &#x017F;pa&#x0364;ter<lb/>
nach dem Gebrauch den Armen ge&#x017F;chenkt wurde, vertrat Jahr-<lb/>
hunderte lang die Stelle des Tellers.) Wie aber die Bewoh-<lb/>
ner der neuen Amerikani&#x017F;chen Welt &#x017F;ich ihr Bischen Bildung<lb/>
fix und fertig aus Europa kommen la&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;ich damit zu<lb/>
u&#x0364;berklei&#x017F;tern &#x017F;uchen, &#x017F;o gut es eben geht, &#x2014; a&#x0364;hnlich verhielten<lb/>
&#x017F;ich die Ro&#x0364;mer zu den Griechen. Ohne eigentlichen Sinn, ohne<lb/>
jenes zarte innerlichere Ver&#x017F;ta&#x0364;ndniß nahmen &#x017F;ie, was zu neh-<lb/>
men war, und ha&#x0364;tten gern noch mehr genommen, &#x017F;uchten <hi rendition="#aq">pro<lb/>
captu</hi> damit zurechtzukommen, ent&#x017F;tellten, u&#x0364;bertrieben, manie-<lb/>
rirten, u&#x0364;berluden aber (mit <hi rendition="#aq">Asa foetida</hi> und Salmiak) bis zur<lb/>
Unkenntlichkeit der nachgeahmten und ent&#x017F;tellten Urbilder. <hi rendition="#g">Ho-<lb/>
mer</hi> und <hi rendition="#g">Virgil</hi>! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wie lieblich &#x017F;ind die mimi&#x017F;chen Ta&#x0364;nze bei den Ga&#x017F;tma&#x0364;h-<lb/>
lern der Griechen; wie ab&#x017F;cheulich die Thierhatzen und Zerflei-<lb/>
&#x017F;chungen der Gladiatoren bei denen der Ro&#x0364;mer!</p><lb/>
        <p>Man &#x017F;to&#x0364;ßt allenthalben auf griechi&#x017F;che Reminiscenzen.<lb/>
So war es, nach <hi rendition="#g">Macrobius</hi>, in Rom Mode, in dem Bauche<lb/>
eines Schweines mehrere andere Thiere zu braten, was man,<lb/>
mit feiner An&#x017F;pielung auf das Trojani&#x017F;che Roß, ein Trojani-<lb/>
&#x017F;ches Schwein nannte. Es i&#x017F;t immerhin etwas Kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;ches bei<lb/>
&#x017F;olchen E&#x017F;&#x017F;en. Auf einer Nachbildung des mehrgedachten Ho-<lb/>
meri&#x017F;chen Weinmu&#x017F;es gab das Ro&#x0364;mi&#x017F;che Fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck eine mit ge-<lb/>
kochten Eiern, Zwiebeln, Weihrauch und Pfeffer gefu&#x0364;llte Wur&#x017F;t.<lb/>
Welche unnatu&#x0364;rliche Uebermengung und Verku&#x0364;n&#x017F;tlung! Au&#x017F;tern<lb/>
von Lucrin und in Schnee geku&#x0364;hlter Sorrente-Wein, die dazu-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0046] Die philoſophiſchen Gaſtmaͤhler der Griechen verdienen mehr durch das, was dabei geſprochen, als was gegeſſen wurde, Ruͤckſicht, und es moͤge genuͤgen, ihrer erwaͤhnt zu haben. Wie die Roͤmer ihre Bildung uͤberhaupt den Griechen verdanken, ſo kam ihnen auch von daher zuerſt die Ahnung, es gaͤbe was Anderes und Beſſeres als Brei. Selbſt die erſten Elementarbegriffe, wie z. B. das Brod, erhielten ſie von den Griechen. (Eine rundgeſchnittene Scheibe Brod, die ſpaͤter nach dem Gebrauch den Armen geſchenkt wurde, vertrat Jahr- hunderte lang die Stelle des Tellers.) Wie aber die Bewoh- ner der neuen Amerikaniſchen Welt ſich ihr Bischen Bildung fix und fertig aus Europa kommen laſſen und ſich damit zu uͤberkleiſtern ſuchen, ſo gut es eben geht, — aͤhnlich verhielten ſich die Roͤmer zu den Griechen. Ohne eigentlichen Sinn, ohne jenes zarte innerlichere Verſtaͤndniß nahmen ſie, was zu neh- men war, und haͤtten gern noch mehr genommen, ſuchten pro captu damit zurechtzukommen, entſtellten, uͤbertrieben, manie- rirten, uͤberluden aber (mit Asa foetida und Salmiak) bis zur Unkenntlichkeit der nachgeahmten und entſtellten Urbilder. Ho- mer und Virgil! — Wie lieblich ſind die mimiſchen Taͤnze bei den Gaſtmaͤh- lern der Griechen; wie abſcheulich die Thierhatzen und Zerflei- ſchungen der Gladiatoren bei denen der Roͤmer! Man ſtoͤßt allenthalben auf griechiſche Reminiscenzen. So war es, nach Macrobius, in Rom Mode, in dem Bauche eines Schweines mehrere andere Thiere zu braten, was man, mit feiner Anſpielung auf das Trojaniſche Roß, ein Trojani- ſches Schwein nannte. Es iſt immerhin etwas Klaſſiſches bei ſolchen Eſſen. Auf einer Nachbildung des mehrgedachten Ho- meriſchen Weinmuſes gab das Roͤmiſche Fruͤhſtuͤck eine mit ge- kochten Eiern, Zwiebeln, Weihrauch und Pfeffer gefuͤllte Wurſt. Welche unnatuͤrliche Uebermengung und Verkuͤnſtlung! Auſtern von Lucrin und in Schnee gekuͤhlter Sorrente-Wein, die dazu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/46
Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/46>, abgerufen am 30.04.2024.