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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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schönsten davon abschreiben lassen, wenn Du sie selbsten
nicht hast, schreib nur ein Wort drum, denn die Musik
ist einzig herrlich und nicht gar leicht zu haben. Auch
die Duetten von Durante sind schön, das Gehör muß
sich erst dran gewöhnen eh es ihre harmonische Dishar-
monie bändigen mag, eine Schaar gebrochner Seufzer
und Liebesklagen, die in die Luft wie ein irrendes Ver-
hallen abbricht; drum sind sie aber auch so gewaltig,
wenn sie recht gesungen werden, daß man sich immer
wieder neu in diesen Schmerzen verschmachten ließe.
Man hatte indessen ein barbarisches Urtheil über diese
und Marcello gefällt, ich wurde bizarr genannt, daß
ich täglich zweimal, Morgens und Abends, nur diese
Musik singen ließ. Nach und nach, wie jeder Sänger
seinen Posten verstehen lernte, gewann er auch mehr In-
teresse. -- Auf Apoll's hohen Kothurnen schreiten, mit
Jupiter's Blitzen um sich schleudern, mit Mars Schlach-
ten liefern, Sclavenketten zerbrechen, den Jubel der Frei-
heit ausströmen, bachantische Lust ausrasen, mit dem
Schild der Minerva die anstürmenden Chöre zusammen-
drängen, ihre Evolutionen ordnend schützen, das sind so
einzelne Theile dieser Musik, an denen ein jeder die
Kraft seiner Begeisterung kann wirksam machen. Da
ist denn auch kein Widerstand; Musik macht die Seele

ſchönſten davon abſchreiben laſſen, wenn Du ſie ſelbſten
nicht haſt, ſchreib nur ein Wort drum, denn die Muſik
iſt einzig herrlich und nicht gar leicht zu haben. Auch
die Duetten von Durante ſind ſchön, das Gehör muß
ſich erſt dran gewöhnen eh es ihre harmoniſche Dishar-
monie bändigen mag, eine Schaar gebrochner Seufzer
und Liebesklagen, die in die Luft wie ein irrendes Ver-
hallen abbricht; drum ſind ſie aber auch ſo gewaltig,
wenn ſie recht geſungen werden, daß man ſich immer
wieder neu in dieſen Schmerzen verſchmachten ließe.
Man hatte indeſſen ein barbariſches Urtheil über dieſe
und Marcello gefällt, ich wurde bizarr genannt, daß
ich täglich zweimal, Morgens und Abends, nur dieſe
Muſik ſingen ließ. Nach und nach, wie jeder Sänger
ſeinen Poſten verſtehen lernte, gewann er auch mehr In-
tereſſe. — Auf Apoll's hohen Kothurnen ſchreiten, mit
Jupiter's Blitzen um ſich ſchleudern, mit Mars Schlach-
ten liefern, Sclavenketten zerbrechen, den Jubel der Frei-
heit ausſtrömen, bachantiſche Luſt ausraſen, mit dem
Schild der Minerva die anſtürmenden Chöre zuſammen-
drängen, ihre Evolutionen ordnend ſchützen, das ſind ſo
einzelne Theile dieſer Muſik, an denen ein jeder die
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[124/0134] ſchönſten davon abſchreiben laſſen, wenn Du ſie ſelbſten nicht haſt, ſchreib nur ein Wort drum, denn die Muſik iſt einzig herrlich und nicht gar leicht zu haben. Auch die Duetten von Durante ſind ſchön, das Gehör muß ſich erſt dran gewöhnen eh es ihre harmoniſche Dishar- monie bändigen mag, eine Schaar gebrochner Seufzer und Liebesklagen, die in die Luft wie ein irrendes Ver- hallen abbricht; drum ſind ſie aber auch ſo gewaltig, wenn ſie recht geſungen werden, daß man ſich immer wieder neu in dieſen Schmerzen verſchmachten ließe. Man hatte indeſſen ein barbariſches Urtheil über dieſe und Marcello gefällt, ich wurde bizarr genannt, daß ich täglich zweimal, Morgens und Abends, nur dieſe Muſik ſingen ließ. Nach und nach, wie jeder Sänger ſeinen Poſten verſtehen lernte, gewann er auch mehr In- tereſſe. — Auf Apoll's hohen Kothurnen ſchreiten, mit Jupiter's Blitzen um ſich ſchleudern, mit Mars Schlach- ten liefern, Sclavenketten zerbrechen, den Jubel der Frei- heit ausſtrömen, bachantiſche Luſt ausraſen, mit dem Schild der Minerva die anſtürmenden Chöre zuſammen- drängen, ihre Evolutionen ordnend ſchützen, das ſind ſo einzelne Theile dieſer Muſik, an denen ein jeder die Kraft ſeiner Begeiſterung kann wirkſam machen. Da iſt denn auch kein Widerſtand; Muſik macht die Seele

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/134>, abgerufen am 26.04.2024.