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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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laubte auf dem Schemel zu sitzen worauf sein Fuß
ruhte, daß er sich seine Zigarre von mir anrauchen ließ,
daß er meine Haarflechte aus den Krallen des bösen Af-
fen befreite, und gar nicht lachte obschon es sehr komisch
war; das vergesse ich gar nicht wie er dem Affen so
bittend zuredete; dann der Abend beim Soupee, wo er
dem Ohrenschlüpfer den Pfirsig hinhielt daß er sich drinn
verkriechen solle, und wie jemand anders das Thierchen
vom Tisch herunterwarf um es todt zu treten; er wen-
dete sich zu mir und sagte: so böse sind Sie nicht, das
hätten Sie nicht gethan! -- ich nahm mich zusammen
in dieser kitzlichen Affaire und sagte: Ohrenschlüpfer soll
man bei einem Fürsten nicht leiden; er fragte, hat man
auch die zu meiden die es hinter den Ohren haben, so
muß ich mich vor Ihnen hüten; auch die Promenade zu
den jungen ausgebrüteten Enten die ich mit ihm zählte
und wo Du dazu kamst und über unsre Geduld Dich
schon lange gewundert hattest, ehe wir fertig waren,
und so könnte ich Dir Zug für Zug jeden Moment wie-
der herbeirufen, der mir in seiner Nähe gegönnt war.
Wer ihm nah sein darf dem muß wohl werden, weil
er jeden gewähren läßt und doch mit dabei ist; und die
schönste Freiheit gestattet, und nicht unwillig ist um die
Herrschaft des Geistes, und dennoch sicher ist einen jeden

laubte auf dem Schemel zu ſitzen worauf ſein Fuß
ruhte, daß er ſich ſeine Zigarre von mir anrauchen ließ,
daß er meine Haarflechte aus den Krallen des böſen Af-
fen befreite, und gar nicht lachte obſchon es ſehr komiſch
war; das vergeſſe ich gar nicht wie er dem Affen ſo
bittend zuredete; dann der Abend beim Soupee, wo er
dem Ohrenſchlüpfer den Pfirſig hinhielt daß er ſich drinn
verkriechen ſolle, und wie jemand anders das Thierchen
vom Tiſch herunterwarf um es todt zu treten; er wen-
dete ſich zu mir und ſagte: ſo böſe ſind Sie nicht, das
hätten Sie nicht gethan! — ich nahm mich zuſammen
in dieſer kitzlichen Affaire und ſagte: Ohrenſchlüpfer ſoll
man bei einem Fürſten nicht leiden; er fragte, hat man
auch die zu meiden die es hinter den Ohren haben, ſo
muß ich mich vor Ihnen hüten; auch die Promenade zu
den jungen ausgebrüteten Enten die ich mit ihm zählte
und wo Du dazu kamſt und über unſre Geduld Dich
ſchon lange gewundert hatteſt, ehe wir fertig waren,
und ſo könnte ich Dir Zug für Zug jeden Moment wie-
der herbeirufen, der mir in ſeiner Nähe gegönnt war.
Wer ihm nah ſein darf dem muß wohl werden, weil
er jeden gewähren läßt und doch mit dabei iſt; und die
ſchönſte Freiheit geſtattet, und nicht unwillig iſt um die
Herrſchaft des Geiſtes, und dennoch ſicher iſt einen jeden

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[205/0215] laubte auf dem Schemel zu ſitzen worauf ſein Fuß ruhte, daß er ſich ſeine Zigarre von mir anrauchen ließ, daß er meine Haarflechte aus den Krallen des böſen Af- fen befreite, und gar nicht lachte obſchon es ſehr komiſch war; das vergeſſe ich gar nicht wie er dem Affen ſo bittend zuredete; dann der Abend beim Soupee, wo er dem Ohrenſchlüpfer den Pfirſig hinhielt daß er ſich drinn verkriechen ſolle, und wie jemand anders das Thierchen vom Tiſch herunterwarf um es todt zu treten; er wen- dete ſich zu mir und ſagte: ſo böſe ſind Sie nicht, das hätten Sie nicht gethan! — ich nahm mich zuſammen in dieſer kitzlichen Affaire und ſagte: Ohrenſchlüpfer ſoll man bei einem Fürſten nicht leiden; er fragte, hat man auch die zu meiden die es hinter den Ohren haben, ſo muß ich mich vor Ihnen hüten; auch die Promenade zu den jungen ausgebrüteten Enten die ich mit ihm zählte und wo Du dazu kamſt und über unſre Geduld Dich ſchon lange gewundert hatteſt, ehe wir fertig waren, und ſo könnte ich Dir Zug für Zug jeden Moment wie- der herbeirufen, der mir in ſeiner Nähe gegönnt war. Wer ihm nah ſein darf dem muß wohl werden, weil er jeden gewähren läßt und doch mit dabei iſt; und die ſchönſte Freiheit geſtattet, und nicht unwillig iſt um die Herrſchaft des Geiſtes, und dennoch ſicher iſt einen jeden

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/215>, abgerufen am 29.04.2024.