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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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beschließe, ich bin so gewohnt deinen Namen zu nennen,
Nachts, eh ich einschlafe, Dir alle Hoffnung an's Herz
zu legen, und alle Bitten und Fragen in die Zukunft.

Da liegen sie um mich her die Papiere mit der Ge-
schichte des Tags und den Träumen der Nacht, lauter
Verwirrung, Unmuth, Sehnsucht und Seufzer der Ohn-
macht; ich mag Dir in dieser Zeit, die sich so geltend
macht, nichts von meinem bedürftigen Herzen mittheilen,
nur ein paar kleine Zufälle, die mich beschäftigten,
schrieb ich Dir auf, damit ich nicht verläugne vor Die
daß ein höheres Geschick auch mir Winke gab, obschon
ich zu unmündig mich fühle ihm zu folgen.

Im März war's, da leitete mir der Graf M..,
bei dessen Familie ich hier wohne, eine wunderliche Ge-
schichte ein, die artig ausging. Der Hofmeister seines
Sohnes giebt ihn bei der Polizei an, er sei östreichisch
gesinnt und man habe an seinem Tisch die Gesundheit
des Kaisers getrunken, er schiebt alles auf mich, und
nun bittet er mich daß ich auf diese Lüge eingehe, da
es ihm sehr nachtheilig sein könne, mir aber höchstens
einen kleinen Verweis zuziehen werde, sehr willkommen
war mir's, ihm einen Dienst leisten zu können, ich wil-
lige mit Vergnügen ein; in einer Gesellschaft wird mir
der Polizeipräsident vorgestellt, unter dem Vorwand,

beſchließe, ich bin ſo gewohnt deinen Namen zu nennen,
Nachts, eh ich einſchlafe, Dir alle Hoffnung an's Herz
zu legen, und alle Bitten und Fragen in die Zukunft.

Da liegen ſie um mich her die Papiere mit der Ge-
ſchichte des Tags und den Träumen der Nacht, lauter
Verwirrung, Unmuth, Sehnſucht und Seufzer der Ohn-
macht; ich mag Dir in dieſer Zeit, die ſich ſo geltend
macht, nichts von meinem bedürftigen Herzen mittheilen,
nur ein paar kleine Zufälle, die mich beſchäftigten,
ſchrieb ich Dir auf, damit ich nicht verläugne vor Die
daß ein höheres Geſchick auch mir Winke gab, obſchon
ich zu unmündig mich fühle ihm zu folgen.

Im März war's, da leitete mir der Graf M..,
bei deſſen Familie ich hier wohne, eine wunderliche Ge-
ſchichte ein, die artig ausging. Der Hofmeiſter ſeines
Sohnes giebt ihn bei der Polizei an, er ſei öſtreichiſch
geſinnt und man habe an ſeinem Tiſch die Geſundheit
des Kaiſers getrunken, er ſchiebt alles auf mich, und
nun bittet er mich daß ich auf dieſe Lüge eingehe, da
es ihm ſehr nachtheilig ſein könne, mir aber höchſtens
einen kleinen Verweis zuziehen werde, ſehr willkommen
war mir's, ihm einen Dienſt leiſten zu können, ich wil-
lige mit Vergnügen ein; in einer Geſellſchaft wird mir
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[44/0054] beſchließe, ich bin ſo gewohnt deinen Namen zu nennen, Nachts, eh ich einſchlafe, Dir alle Hoffnung an's Herz zu legen, und alle Bitten und Fragen in die Zukunft. Da liegen ſie um mich her die Papiere mit der Ge- ſchichte des Tags und den Träumen der Nacht, lauter Verwirrung, Unmuth, Sehnſucht und Seufzer der Ohn- macht; ich mag Dir in dieſer Zeit, die ſich ſo geltend macht, nichts von meinem bedürftigen Herzen mittheilen, nur ein paar kleine Zufälle, die mich beſchäftigten, ſchrieb ich Dir auf, damit ich nicht verläugne vor Die daß ein höheres Geſchick auch mir Winke gab, obſchon ich zu unmündig mich fühle ihm zu folgen. Im März war's, da leitete mir der Graf M.., bei deſſen Familie ich hier wohne, eine wunderliche Ge- ſchichte ein, die artig ausging. Der Hofmeiſter ſeines Sohnes giebt ihn bei der Polizei an, er ſei öſtreichiſch geſinnt und man habe an ſeinem Tiſch die Geſundheit des Kaiſers getrunken, er ſchiebt alles auf mich, und nun bittet er mich daß ich auf dieſe Lüge eingehe, da es ihm ſehr nachtheilig ſein könne, mir aber höchſtens einen kleinen Verweis zuziehen werde, ſehr willkommen war mir's, ihm einen Dienſt leiſten zu können, ich wil- lige mit Vergnügen ein; in einer Geſellſchaft wird mir der Polizeipräſident vorgeſtellt, unter dem Vorwand,

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/54>, abgerufen am 26.04.2024.