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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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die Zeit, und es ist das Werk des Erschaffens nichts
anders, als die Zeit umwandlen in die Ewigkeit, wer
aber die Zeit nicht umwandelt in die Ewigkeit, oder
die Ewigkeit herabziehet in die Zeit, der wirkt böses,
denn alles was ein Ende nimmt, das ist böse.

Die Ewigkeit in die Zeit herabziehen, aber heißt
wenn die Zeit der Ewigkeit mächtig wird, wenn die
Nichtigkeit mächtiger wird, als die Gewalt des Schaf¬
fens, wenn der Stoff des Meisters sich bemeistert, der
ihn behandelt.

Böse ist also der Selbstmord, denn der Willen der
Vernichtung ist zeitlich, und der Gedanke geht in sich
selbst zu Grund, weil er ein Kleid der Zeitlichkeit ist,
nicht aber eine sichtbare Erscheinung des ewigen Gei¬
stes, und hier lehnt sich der Stoff -- die Zeit, gegen
seinen Meister (das Schicksal der Ewigkeit) auf.

Wenn man aber sagt, der Mensch ist im Guten
geboren, so ist dieses wahr, weil er im Glauben gebo¬
ren ist; wenn man aber sagt, er hat das Böse nicht,
sondern er zieht es nur an, so ist dieses nicht wahr,
denn er hat die Kraft, das Böse von sich zu stoßen,
nicht aber es an sich zu ziehen, denn das Böse ist die
Zeit, und sie dient zur Nahrung für das Göttliche und
Ewige, die Zeit aber frißt die Ewigkeit und den Geist,

die Zeit, und es iſt das Werk des Erſchaffens nichts
anders, als die Zeit umwandlen in die Ewigkeit, wer
aber die Zeit nicht umwandelt in die Ewigkeit, oder
die Ewigkeit herabziehet in die Zeit, der wirkt böſes,
denn alles was ein Ende nimmt, das iſt böſe.

Die Ewigkeit in die Zeit herabziehen, aber heißt
wenn die Zeit der Ewigkeit mächtig wird, wenn die
Nichtigkeit mächtiger wird, als die Gewalt des Schaf¬
fens, wenn der Stoff des Meiſters ſich bemeiſtert, der
ihn behandelt.

Böſe iſt alſo der Selbſtmord, denn der Willen der
Vernichtung iſt zeitlich, und der Gedanke geht in ſich
ſelbſt zu Grund, weil er ein Kleid der Zeitlichkeit iſt,
nicht aber eine ſichtbare Erſcheinung des ewigen Gei¬
ſtes, und hier lehnt ſich der Stoff — die Zeit, gegen
ſeinen Meiſter (das Schickſal der Ewigkeit) auf.

Wenn man aber ſagt, der Menſch iſt im Guten
geboren, ſo iſt dieſes wahr, weil er im Glauben gebo¬
ren iſt; wenn man aber ſagt, er hat das Böſe nicht,
ſondern er zieht es nur an, ſo iſt dieſes nicht wahr,
denn er hat die Kraft, das Böſe von ſich zu ſtoßen,
nicht aber es an ſich zu ziehen, denn das Böſe iſt die
Zeit, und ſie dient zur Nahrung für das Göttliche und
Ewige, die Zeit aber frißt die Ewigkeit und den Geiſt,

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[41/0057] die Zeit, und es iſt das Werk des Erſchaffens nichts anders, als die Zeit umwandlen in die Ewigkeit, wer aber die Zeit nicht umwandelt in die Ewigkeit, oder die Ewigkeit herabziehet in die Zeit, der wirkt böſes, denn alles was ein Ende nimmt, das iſt böſe. Die Ewigkeit in die Zeit herabziehen, aber heißt wenn die Zeit der Ewigkeit mächtig wird, wenn die Nichtigkeit mächtiger wird, als die Gewalt des Schaf¬ fens, wenn der Stoff des Meiſters ſich bemeiſtert, der ihn behandelt. Böſe iſt alſo der Selbſtmord, denn der Willen der Vernichtung iſt zeitlich, und der Gedanke geht in ſich ſelbſt zu Grund, weil er ein Kleid der Zeitlichkeit iſt, nicht aber eine ſichtbare Erſcheinung des ewigen Gei¬ ſtes, und hier lehnt ſich der Stoff — die Zeit, gegen ſeinen Meiſter (das Schickſal der Ewigkeit) auf. Wenn man aber ſagt, der Menſch iſt im Guten geboren, ſo iſt dieſes wahr, weil er im Glauben gebo¬ ren iſt; wenn man aber ſagt, er hat das Böſe nicht, ſondern er zieht es nur an, ſo iſt dieſes nicht wahr, denn er hat die Kraft, das Böſe von ſich zu ſtoßen, nicht aber es an ſich zu ziehen, denn das Böſe iſt die Zeit, und ſie dient zur Nahrung für das Göttliche und Ewige, die Zeit aber frißt die Ewigkeit und den Geiſt,

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/57>, abgerufen am 27.04.2024.