Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Kindertage wo ich dort mit dem reinlichen Kies spielte,
und mit rosenfarbnen Steinchen und schwarzen und gel¬
ben, bunte Reihen um ihre Stämme legte. -- Und
konnte so versteckt hinüberklettern ins Bosket, wie kann
einem doch das Paradies wo die Seele all ihren Zauber
einpflanzt so jämmerlich zerstört werden? -- aber be¬
daure Du mich nur nicht, denn hör nur; -- als ich
zurückkam zur Großmutter -- sah ich blaß und zerstört
aus und sie sah wohl die Spuren von meinen Thränen.
-- Sie sah mich an ein Weilchen -- und sagte: "Du
warst im Garten?"-- da reichte sie mir die Hand. -- Was
sollt ich sagen? -- ich schwieg, und sie auch. -- Sie sagte:
"Ich werd wohl nicht mehr lang leben!" -- ich wagte
nichts zu sagen -- aber bald darauf machte sie das
Nebenzimmer auf, von wo man nach dem Garten sieht,
und sagte: "das Rauschen im Abendwind war meine
Freude, ich werds nicht mehr wieder hören, ich hätt mirs
lassen gefallen wenn ich unter ihrem Rauschen am letz¬
ten Abend wär eingeschlafen! sie hätten mir diesen feierli¬
chen Dienst geleistet die lieben Freunde die ich jeden
Tag besuchte, die ich mit großer Freude hoch über
mir sah; -- Du hast sie auch geliebt, es war Dein
liebster Aufenthalt -- ich hab Dich oft vom Fenster

se¬

Kindertage wo ich dort mit dem reinlichen Kies ſpielte,
und mit roſenfarbnen Steinchen und ſchwarzen und gel¬
ben, bunte Reihen um ihre Stämme legte. — Und
konnte ſo verſteckt hinüberklettern ins Bosket, wie kann
einem doch das Paradies wo die Seele all ihren Zauber
einpflanzt ſo jämmerlich zerſtört werden? — aber be¬
daure Du mich nur nicht, denn hör nur; — als ich
zurückkam zur Großmutter — ſah ich blaß und zerſtört
aus und ſie ſah wohl die Spuren von meinen Thränen.
— Sie ſah mich an ein Weilchen — und ſagte: „Du
warſt im Garten?“— da reichte ſie mir die Hand. — Was
ſollt ich ſagen? — ich ſchwieg, und ſie auch. — Sie ſagte:
„Ich werd wohl nicht mehr lang leben!“ — ich wagte
nichts zu ſagen — aber bald darauf machte ſie das
Nebenzimmer auf, von wo man nach dem Garten ſieht,
und ſagte: „das Rauſchen im Abendwind war meine
Freude, ich werds nicht mehr wieder hören, ich hätt mirs
laſſen gefallen wenn ich unter ihrem Rauſchen am letz¬
ten Abend wär eingeſchlafen! ſie hätten mir dieſen feierli¬
chen Dienſt geleiſtet die lieben Freunde die ich jeden
Tag beſuchte, die ich mit großer Freude hoch über
mir ſah; — Du haſt ſie auch geliebt, es war Dein
liebſter Aufenthalt — ich hab Dich oft vom Fenſter

ſe¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0038" n="24"/>
Kindertage wo ich dort mit dem reinlichen Kies &#x017F;pielte,<lb/>
und mit ro&#x017F;enfarbnen Steinchen und &#x017F;chwarzen und gel¬<lb/>
ben, bunte Reihen um ihre Stämme legte. &#x2014; Und<lb/>
konnte &#x017F;o ver&#x017F;teckt hinüberklettern ins Bosket, wie kann<lb/>
einem doch das Paradies wo die Seele all ihren Zauber<lb/>
einpflanzt &#x017F;o jämmerlich zer&#x017F;tört werden? &#x2014; aber be¬<lb/>
daure Du mich nur nicht, denn hör nur; &#x2014; als ich<lb/>
zurückkam zur Großmutter &#x2014; &#x017F;ah ich blaß und zer&#x017F;tört<lb/>
aus und &#x017F;ie &#x017F;ah wohl die Spuren von meinen Thränen.<lb/>
&#x2014; Sie &#x017F;ah mich an ein Weilchen &#x2014; und &#x017F;agte: &#x201E;Du<lb/>
war&#x017F;t im Garten?&#x201C;&#x2014; da reichte &#x017F;ie mir die Hand. &#x2014; Was<lb/>
&#x017F;ollt ich &#x017F;agen? &#x2014; ich &#x017F;chwieg, und &#x017F;ie auch. &#x2014; Sie &#x017F;agte:<lb/>
&#x201E;Ich werd wohl nicht mehr lang leben!&#x201C; &#x2014; ich wagte<lb/>
nichts zu &#x017F;agen &#x2014; aber bald darauf machte &#x017F;ie das<lb/>
Nebenzimmer auf, von wo man nach dem Garten &#x017F;ieht,<lb/>
und &#x017F;agte: &#x201E;das Rau&#x017F;chen im Abendwind war meine<lb/>
Freude, ich werds nicht mehr wieder hören, ich hätt mirs<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en gefallen wenn ich unter ihrem Rau&#x017F;chen am letz¬<lb/>
ten Abend wär einge&#x017F;chlafen! &#x017F;ie hätten mir die&#x017F;en feierli¬<lb/>
chen Dien&#x017F;t gelei&#x017F;tet die lieben Freunde die ich jeden<lb/>
Tag be&#x017F;uchte, die ich mit großer Freude hoch über<lb/>
mir &#x017F;ah; &#x2014; Du ha&#x017F;t &#x017F;ie auch geliebt, es war Dein<lb/>
lieb&#x017F;ter Aufenthalt &#x2014; ich hab Dich oft vom Fen&#x017F;ter<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0038] Kindertage wo ich dort mit dem reinlichen Kies ſpielte, und mit roſenfarbnen Steinchen und ſchwarzen und gel¬ ben, bunte Reihen um ihre Stämme legte. — Und konnte ſo verſteckt hinüberklettern ins Bosket, wie kann einem doch das Paradies wo die Seele all ihren Zauber einpflanzt ſo jämmerlich zerſtört werden? — aber be¬ daure Du mich nur nicht, denn hör nur; — als ich zurückkam zur Großmutter — ſah ich blaß und zerſtört aus und ſie ſah wohl die Spuren von meinen Thränen. — Sie ſah mich an ein Weilchen — und ſagte: „Du warſt im Garten?“— da reichte ſie mir die Hand. — Was ſollt ich ſagen? — ich ſchwieg, und ſie auch. — Sie ſagte: „Ich werd wohl nicht mehr lang leben!“ — ich wagte nichts zu ſagen — aber bald darauf machte ſie das Nebenzimmer auf, von wo man nach dem Garten ſieht, und ſagte: „das Rauſchen im Abendwind war meine Freude, ich werds nicht mehr wieder hören, ich hätt mirs laſſen gefallen wenn ich unter ihrem Rauſchen am letz¬ ten Abend wär eingeſchlafen! ſie hätten mir dieſen feierli¬ chen Dienſt geleiſtet die lieben Freunde die ich jeden Tag beſuchte, die ich mit großer Freude hoch über mir ſah; — Du haſt ſie auch geliebt, es war Dein liebſter Aufenthalt — ich hab Dich oft vom Fenſter ſe¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/38
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/38>, abgerufen am 30.04.2024.