Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 36. Augsburg, 5. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite


Herrsche auch im Lande eine anscheinende Ruhe, so sey dieß die schwüle Stille einer von schweren Gewitterwolken bedrohten Gegend, von denen man noch nicht wisse, ob sie sich nicht verheerend entladen würden. Wenn der Antrag nun die Erwartung beruhigender Mittheilung ausspreche, so könne dieß bei unserer hohen Landesregierung, der wir die eigene Verfassung verdankten, nur eine willkommene Anregung seyn, das ausgesprochene Vertrauen zu rechtfertigen. Er glaube nicht nöthig zu haben, vor einer deutschen Ständeversammlung noch mehr zur Motivirung seines Antrags hinzuzufügen.

(Beschluß folgt.)

Oesterreich.

Heute Abends wird die Herzogin von Berry, von ihrer Herrschaft Brunnsee kommend, hier erwartet. Ihre Kinder, sowie ein Theil ihres Gefolges, ist bereits gestern hier eingetroffen. Der Aufenthalt der Herzogin in Grätz dürfte bis Ende Mai dauern, da sie ihre Entbindung, die im Monate März stattfinden soll, hier abzuwarten beabsichtigt.

Gestern um 6 Uhr Abends berührte, wie Sie wohl bereits wissen, der Tod einen der ausgezeichnetsten und hochgestelltesten Männer unseres Vaterlandes. Graf Carl Clam-Martinitz, Generaladjutant des Kaisers, und Chef der Militär-Section im Staatsrathe, starb, 48 Jahre alt, nach achttägigen Leiden, an einer Entzündungskrankheit. Das Kaiserhaus und der Staat wie seine Familie, die Armee wie seine Freunde, fühlen welchen Verlust sie an diesem einen Manne erlitten, und eine gemeinsame Trauer umfaßt die Herzen in den verschiedensten und entferntesten Kreisen der Gesellschaft. Die edle, schöne, ritterliche Gestalt, die ein so heller und kräftiger Geist, ein so gefühlvolles, redliches, großmüthiges Herz belebten, liegt nun eine stille Leiche, von den Thränen einer geliebten Gattin und vier unmündiger Kinder benetzt. Es wird späterer Mittheilung vorbehalten bleiben über die großen und überall nützlichen und ruhmvollen Leistungen zu berichten, die dem Grafen Clam im Heere und im Staatsleben eine so ausgezeichnete Stellung begründeten, und ihm den Dank seines Vaterlandes über das Grab hinaus sichern. Für seine Familie und seine Freunde gibt es keinen Ersatz, und kaum einen Trost als den Gedanken, daß er wie wenige im Leben geehrt, und wie wenige im Tode beweint, von hinnen schied.

Türkei.

Die Abstellung des Haradsch ist eine weitere Entwicklung der Reformen im Verwaltungswesen. Wie die Pforte den dadurch entstehenden Ausfall zu decken denke, darüber hat sie sich noch nicht ausgesprochen. Wir fürchten aber, daß ihre Hoffnungen auf die Wirkung dieser Maaßregel nicht ihre volle Erfüllung finden, denn das Princip, welches Rajas und Muselmänner im türkischen Reiche scheidet, liegt tiefer, als daß es durch den Haradsch erreichbar wäre. Der Haradsch ist schon im Koran begründet. Es ist dieß die Karte, wodurch dem Raja bestätiget wird, die Kopfsteuer für das laufende Jahr bezahlt zu haben, und diese Kopfsteuer war bei der ursprünglichen Einrichtung das Aequivalent, welches nichtmuselmännische Unterthanen statt des Waffendienstes, wozu sie nicht zugelassen wurden, dem Staate darbrachten. In den letzten Zeiten betrug diese Steuer 60, 30 oder 15 Piaster für den Kopf, nach Maaßgabe als der Raja der wohlhabenden, mittlern oder armen Classe angehörte. Kein Raja war ausgenommen von diesem Beitrage, der jährlich entrichtet wurde. Verlor er den Zettel, und konnte also denselben auf Begehren nicht nachweisen, so mußte er ein zweitesmal bezahlen. Die Art der Perception machte die an sich wenig drückenden Abgaben zu einer lastenden. Sie wurde von dem Dzezzie Emini aus dem Finanzministerium jährlich provinzenweise verpachtet, und dem Pächter die Einbringung überlassen. Durch einen Ferman vom Jahr 1834 war die türkische Regierung schon bestrebt gewesen, der Habgier dieser Steuereinnehmer einen Zaum anzulegen, aber gegen die gänzliche Aufhebung stritt der Koran. Reschid Pascha erklärt nun heute, die Auslegung, die man seit dreizehn Jahrhunderten dem Koran gegeben, für eine falsche, und in einem Conseil, gehalten beim Scheik-ul-Islam am 9, wurde die Aufhebung des Haradsch entschieden. Kein Raja wird fortan genöthiget seyn, wie bis jetzt, den Zettel stets mit sich herum zu tragen, und inmitten seiner Geschäfte jedem Türken über seine Nationalität Rechenschaft zu stehen. Da aber über dem Raja der Staat nicht vergessen werden darf, so bleibt die Abgabe vor der Hand noch, doch wird ihre Perception ausschließend den Gemeinden überlassen, und diese mögen sie unter sich vertheilen und hereinbringen wie sie eben wollen. Es ergibt sich aus dieser Maaßregel daher eine Erweiterung der Rechte der Municipalitäten der Rajas.

Aegypten.

Die Vertheilung der Officiere von einer Flotte auf die andere hat in folgender Weise stattgefunden: auf jedes großherrliche Kriegsschiff kamen zwei Jusbaschi, drei Melasim und vier Aspiranten von Seite der ägyptischen, welche durch eben so viele Individuen gleichen Ranges aus der Mitte der großherrlichen ersetzt wurden; den ägyptischen en Second-Commandanten ist die Schiffspolizei und die Abrichtung anvertraut. Besoldungen und Rationen sind auf beiden Flotten gleichgestellt worden. Dadurch erhält der gemeine Mann der türkischen Flotte etwas weniger Sold als bisher, der Officier, und namentlich der Commandant aber bedeutend mehr. Die Besoldung des Kapudan Pascha ist auf 120,000 fl. C.M. festgesetzt. Der Vicekönig motivirt die Gleichstellung der Flotten auch in Bezug der Kleidung durch die dem Klima angemessenere ägyptische Bekleidung, durch die Unmöglichkeit für ihn die abgenützten russischen Röcke zu ersetzen und durch den Wunsch der Mannschaft. Er versichert, der Pforte einen großen Dienst zu leisten durch die Abrichtung der Flotte, und sagt, er zweifle nicht, die Zeit werde kommen, wo er Anerkennung finden werde.


Herrsche auch im Lande eine anscheinende Ruhe, so sey dieß die schwüle Stille einer von schweren Gewitterwolken bedrohten Gegend, von denen man noch nicht wisse, ob sie sich nicht verheerend entladen würden. Wenn der Antrag nun die Erwartung beruhigender Mittheilung ausspreche, so könne dieß bei unserer hohen Landesregierung, der wir die eigene Verfassung verdankten, nur eine willkommene Anregung seyn, das ausgesprochene Vertrauen zu rechtfertigen. Er glaube nicht nöthig zu haben, vor einer deutschen Ständeversammlung noch mehr zur Motivirung seines Antrags hinzuzufügen.

(Beschluß folgt.)

Oesterreich.

Heute Abends wird die Herzogin von Berry, von ihrer Herrschaft Brunnsee kommend, hier erwartet. Ihre Kinder, sowie ein Theil ihres Gefolges, ist bereits gestern hier eingetroffen. Der Aufenthalt der Herzogin in Grätz dürfte bis Ende Mai dauern, da sie ihre Entbindung, die im Monate März stattfinden soll, hier abzuwarten beabsichtigt.

Gestern um 6 Uhr Abends berührte, wie Sie wohl bereits wissen, der Tod einen der ausgezeichnetsten und hochgestelltesten Männer unseres Vaterlandes. Graf Carl Clam-Martinitz, Generaladjutant des Kaisers, und Chef der Militär-Section im Staatsrathe, starb, 48 Jahre alt, nach achttägigen Leiden, an einer Entzündungskrankheit. Das Kaiserhaus und der Staat wie seine Familie, die Armee wie seine Freunde, fühlen welchen Verlust sie an diesem einen Manne erlitten, und eine gemeinsame Trauer umfaßt die Herzen in den verschiedensten und entferntesten Kreisen der Gesellschaft. Die edle, schöne, ritterliche Gestalt, die ein so heller und kräftiger Geist, ein so gefühlvolles, redliches, großmüthiges Herz belebten, liegt nun eine stille Leiche, von den Thränen einer geliebten Gattin und vier unmündiger Kinder benetzt. Es wird späterer Mittheilung vorbehalten bleiben über die großen und überall nützlichen und ruhmvollen Leistungen zu berichten, die dem Grafen Clam im Heere und im Staatsleben eine so ausgezeichnete Stellung begründeten, und ihm den Dank seines Vaterlandes über das Grab hinaus sichern. Für seine Familie und seine Freunde gibt es keinen Ersatz, und kaum einen Trost als den Gedanken, daß er wie wenige im Leben geehrt, und wie wenige im Tode beweint, von hinnen schied.

Türkei.

Die Abstellung des Haradsch ist eine weitere Entwicklung der Reformen im Verwaltungswesen. Wie die Pforte den dadurch entstehenden Ausfall zu decken denke, darüber hat sie sich noch nicht ausgesprochen. Wir fürchten aber, daß ihre Hoffnungen auf die Wirkung dieser Maaßregel nicht ihre volle Erfüllung finden, denn das Princip, welches Rajas und Muselmänner im türkischen Reiche scheidet, liegt tiefer, als daß es durch den Haradsch erreichbar wäre. Der Haradsch ist schon im Koran begründet. Es ist dieß die Karte, wodurch dem Raja bestätiget wird, die Kopfsteuer für das laufende Jahr bezahlt zu haben, und diese Kopfsteuer war bei der ursprünglichen Einrichtung das Aequivalent, welches nichtmuselmännische Unterthanen statt des Waffendienstes, wozu sie nicht zugelassen wurden, dem Staate darbrachten. In den letzten Zeiten betrug diese Steuer 60, 30 oder 15 Piaster für den Kopf, nach Maaßgabe als der Raja der wohlhabenden, mittlern oder armen Classe angehörte. Kein Raja war ausgenommen von diesem Beitrage, der jährlich entrichtet wurde. Verlor er den Zettel, und konnte also denselben auf Begehren nicht nachweisen, so mußte er ein zweitesmal bezahlen. Die Art der Perception machte die an sich wenig drückenden Abgaben zu einer lastenden. Sie wurde von dem Dzezzié Emini aus dem Finanzministerium jährlich provinzenweise verpachtet, und dem Pächter die Einbringung überlassen. Durch einen Ferman vom Jahr 1834 war die türkische Regierung schon bestrebt gewesen, der Habgier dieser Steuereinnehmer einen Zaum anzulegen, aber gegen die gänzliche Aufhebung stritt der Koran. Reschid Pascha erklärt nun heute, die Auslegung, die man seit dreizehn Jahrhunderten dem Koran gegeben, für eine falsche, und in einem Conseil, gehalten beim Scheik-ul-Islam am 9, wurde die Aufhebung des Haradsch entschieden. Kein Raja wird fortan genöthiget seyn, wie bis jetzt, den Zettel stets mit sich herum zu tragen, und inmitten seiner Geschäfte jedem Türken über seine Nationalität Rechenschaft zu stehen. Da aber über dem Raja der Staat nicht vergessen werden darf, so bleibt die Abgabe vor der Hand noch, doch wird ihre Perception ausschließend den Gemeinden überlassen, und diese mögen sie unter sich vertheilen und hereinbringen wie sie eben wollen. Es ergibt sich aus dieser Maaßregel daher eine Erweiterung der Rechte der Municipalitäten der Rajas.

Aegypten.

Die Vertheilung der Officiere von einer Flotte auf die andere hat in folgender Weise stattgefunden: auf jedes großherrliche Kriegsschiff kamen zwei Jusbaschi, drei Melasim und vier Aspiranten von Seite der ägyptischen, welche durch eben so viele Individuen gleichen Ranges aus der Mitte der großherrlichen ersetzt wurden; den ägyptischen en Second-Commandanten ist die Schiffspolizei und die Abrichtung anvertraut. Besoldungen und Rationen sind auf beiden Flotten gleichgestellt worden. Dadurch erhält der gemeine Mann der türkischen Flotte etwas weniger Sold als bisher, der Officier, und namentlich der Commandant aber bedeutend mehr. Die Besoldung des Kapudan Pascha ist auf 120,000 fl. C.M. festgesetzt. Der Vicekönig motivirt die Gleichstellung der Flotten auch in Bezug der Kleidung durch die dem Klima angemessenere ägyptische Bekleidung, durch die Unmöglichkeit für ihn die abgenützten russischen Röcke zu ersetzen und durch den Wunsch der Mannschaft. Er versichert, der Pforte einen großen Dienst zu leisten durch die Abrichtung der Flotte, und sagt, er zweifle nicht, die Zeit werde kommen, wo er Anerkennung finden werde.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0007" n="0287"/><lb/>
Herrsche auch im Lande eine anscheinende Ruhe, so sey dieß die schwüle Stille einer von schweren Gewitterwolken bedrohten Gegend, von denen man noch nicht wisse, ob sie sich nicht verheerend entladen würden. Wenn der Antrag nun die Erwartung beruhigender Mittheilung ausspreche, so könne dieß bei unserer hohen Landesregierung, der wir die eigene Verfassung verdankten, nur eine willkommene Anregung seyn, das ausgesprochene Vertrauen zu rechtfertigen. Er glaube nicht nöthig zu haben, vor einer deutschen Ständeversammlung noch mehr zur Motivirung seines Antrags hinzuzufügen.</p><lb/>
          <p>(Beschluß folgt.)</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Oesterreich.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>*</byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Grätz,</hi> 29 Jan.</dateline>
          <p> Heute Abends wird die Herzogin von Berry, von ihrer Herrschaft Brunnsee kommend, hier erwartet. Ihre Kinder, sowie ein Theil ihres Gefolges, ist bereits gestern hier eingetroffen. Der Aufenthalt der Herzogin in Grätz dürfte bis Ende Mai dauern, da sie ihre Entbindung, die im Monate März stattfinden soll, hier abzuwarten beabsichtigt.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>=</byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Wien</hi> 30 Jan.</dateline>
          <p> Gestern um 6 Uhr Abends berührte, wie Sie wohl bereits wissen, der Tod einen der ausgezeichnetsten und hochgestelltesten Männer unseres Vaterlandes. Graf Carl Clam-Martinitz, Generaladjutant des Kaisers, und Chef der Militär-Section im Staatsrathe, starb, 48 Jahre alt, nach achttägigen Leiden, an einer Entzündungskrankheit. Das Kaiserhaus und der Staat wie seine Familie, die Armee wie seine Freunde, fühlen welchen Verlust sie an diesem einen Manne erlitten, und eine gemeinsame Trauer umfaßt die Herzen in den verschiedensten und entferntesten Kreisen der Gesellschaft. Die edle, schöne, ritterliche Gestalt, die ein so heller und kräftiger Geist, ein so gefühlvolles, redliches, großmüthiges Herz belebten, liegt nun eine stille Leiche, von den Thränen einer geliebten Gattin und vier unmündiger Kinder benetzt. Es wird späterer Mittheilung vorbehalten bleiben über die großen und überall nützlichen und ruhmvollen Leistungen zu berichten, die dem Grafen Clam im Heere und im Staatsleben eine so ausgezeichnete Stellung begründeten, und ihm den Dank seines Vaterlandes über das Grab hinaus sichern. Für seine Familie und seine Freunde gibt es keinen Ersatz, und kaum einen Trost als den Gedanken, daß er wie wenige im Leben geehrt, und wie wenige im Tode beweint, von hinnen schied.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Türkei.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>&#x2720;</byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Konstantinopel,</hi> 21 Jan.</dateline>
          <p> Die Abstellung des Haradsch ist eine weitere Entwicklung der Reformen im Verwaltungswesen. Wie die Pforte den dadurch entstehenden Ausfall zu decken denke, darüber hat sie sich noch nicht ausgesprochen. Wir fürchten aber, daß ihre Hoffnungen auf die Wirkung dieser Maaßregel nicht ihre volle Erfüllung finden, denn das Princip, welches Rajas und Muselmänner im türkischen Reiche scheidet, liegt tiefer, als daß es durch den Haradsch erreichbar wäre. Der Haradsch ist schon im Koran begründet. Es ist dieß die Karte, wodurch dem Raja bestätiget wird, die Kopfsteuer für das laufende Jahr bezahlt zu haben, und diese Kopfsteuer war bei der ursprünglichen Einrichtung das Aequivalent, welches nichtmuselmännische Unterthanen statt des Waffendienstes, wozu sie nicht zugelassen wurden, dem Staate darbrachten. In den letzten Zeiten betrug diese Steuer 60, 30 oder 15 Piaster für den Kopf, nach Maaßgabe als der Raja der wohlhabenden, mittlern oder armen Classe angehörte. Kein Raja war ausgenommen von diesem Beitrage, der jährlich entrichtet wurde. Verlor er den Zettel, und konnte also denselben auf Begehren nicht nachweisen, so mußte er ein zweitesmal bezahlen. Die Art der Perception machte die an sich wenig drückenden Abgaben zu einer lastenden. Sie wurde von dem Dzezzié Emini aus dem Finanzministerium jährlich provinzenweise verpachtet, und dem Pächter die Einbringung überlassen. Durch einen Ferman vom Jahr 1834 war die türkische Regierung schon bestrebt gewesen, der Habgier dieser Steuereinnehmer einen Zaum anzulegen, aber gegen die gänzliche Aufhebung stritt der Koran. Reschid Pascha erklärt nun heute, die Auslegung, die man seit dreizehn Jahrhunderten dem Koran gegeben, für eine falsche, und in einem Conseil, gehalten beim Scheik-ul-Islam am 9, wurde die Aufhebung des Haradsch entschieden. Kein Raja wird fortan genöthiget seyn, wie bis jetzt, den Zettel stets mit sich herum zu tragen, und inmitten seiner Geschäfte jedem Türken über seine Nationalität Rechenschaft zu stehen. Da aber über dem Raja der Staat nicht vergessen werden darf, so bleibt die Abgabe vor der Hand noch, doch wird ihre Perception ausschließend den Gemeinden überlassen, und diese mögen sie unter sich vertheilen und hereinbringen wie sie eben wollen. Es ergibt sich aus dieser Maaßregel daher eine Erweiterung der Rechte der Municipalitäten der Rajas.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Aegypten.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>&#x2720;</byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Alexandria,</hi> 31 Dec.</dateline>
          <p> Die Vertheilung der Officiere von einer Flotte auf die andere hat in folgender Weise stattgefunden: auf jedes großherrliche Kriegsschiff kamen zwei Jusbaschi, drei Melasim und vier Aspiranten von Seite der ägyptischen, welche durch eben so viele Individuen gleichen Ranges aus der Mitte der großherrlichen ersetzt wurden; den ägyptischen en Second-Commandanten ist die Schiffspolizei und die Abrichtung anvertraut. Besoldungen und Rationen sind auf beiden Flotten gleichgestellt worden. Dadurch erhält der gemeine Mann der türkischen Flotte etwas weniger Sold als bisher, der Officier, und namentlich der Commandant aber bedeutend mehr. Die Besoldung des Kapudan Pascha ist auf 120,000 fl. C.M. festgesetzt. Der Vicekönig motivirt die Gleichstellung der Flotten auch in Bezug der Kleidung durch die dem Klima angemessenere ägyptische Bekleidung, durch die Unmöglichkeit für ihn die abgenützten russischen Röcke zu ersetzen und durch den Wunsch der Mannschaft. Er versichert, der Pforte einen großen Dienst zu leisten durch die Abrichtung der Flotte, und sagt, er zweifle nicht, die Zeit werde kommen, wo er Anerkennung finden werde.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0287/0007] Herrsche auch im Lande eine anscheinende Ruhe, so sey dieß die schwüle Stille einer von schweren Gewitterwolken bedrohten Gegend, von denen man noch nicht wisse, ob sie sich nicht verheerend entladen würden. Wenn der Antrag nun die Erwartung beruhigender Mittheilung ausspreche, so könne dieß bei unserer hohen Landesregierung, der wir die eigene Verfassung verdankten, nur eine willkommene Anregung seyn, das ausgesprochene Vertrauen zu rechtfertigen. Er glaube nicht nöthig zu haben, vor einer deutschen Ständeversammlung noch mehr zur Motivirung seines Antrags hinzuzufügen. (Beschluß folgt.) Oesterreich. *Grätz, 29 Jan. Heute Abends wird die Herzogin von Berry, von ihrer Herrschaft Brunnsee kommend, hier erwartet. Ihre Kinder, sowie ein Theil ihres Gefolges, ist bereits gestern hier eingetroffen. Der Aufenthalt der Herzogin in Grätz dürfte bis Ende Mai dauern, da sie ihre Entbindung, die im Monate März stattfinden soll, hier abzuwarten beabsichtigt. = Wien 30 Jan. Gestern um 6 Uhr Abends berührte, wie Sie wohl bereits wissen, der Tod einen der ausgezeichnetsten und hochgestelltesten Männer unseres Vaterlandes. Graf Carl Clam-Martinitz, Generaladjutant des Kaisers, und Chef der Militär-Section im Staatsrathe, starb, 48 Jahre alt, nach achttägigen Leiden, an einer Entzündungskrankheit. Das Kaiserhaus und der Staat wie seine Familie, die Armee wie seine Freunde, fühlen welchen Verlust sie an diesem einen Manne erlitten, und eine gemeinsame Trauer umfaßt die Herzen in den verschiedensten und entferntesten Kreisen der Gesellschaft. Die edle, schöne, ritterliche Gestalt, die ein so heller und kräftiger Geist, ein so gefühlvolles, redliches, großmüthiges Herz belebten, liegt nun eine stille Leiche, von den Thränen einer geliebten Gattin und vier unmündiger Kinder benetzt. Es wird späterer Mittheilung vorbehalten bleiben über die großen und überall nützlichen und ruhmvollen Leistungen zu berichten, die dem Grafen Clam im Heere und im Staatsleben eine so ausgezeichnete Stellung begründeten, und ihm den Dank seines Vaterlandes über das Grab hinaus sichern. Für seine Familie und seine Freunde gibt es keinen Ersatz, und kaum einen Trost als den Gedanken, daß er wie wenige im Leben geehrt, und wie wenige im Tode beweint, von hinnen schied. Türkei. ✠Konstantinopel, 21 Jan. Die Abstellung des Haradsch ist eine weitere Entwicklung der Reformen im Verwaltungswesen. Wie die Pforte den dadurch entstehenden Ausfall zu decken denke, darüber hat sie sich noch nicht ausgesprochen. Wir fürchten aber, daß ihre Hoffnungen auf die Wirkung dieser Maaßregel nicht ihre volle Erfüllung finden, denn das Princip, welches Rajas und Muselmänner im türkischen Reiche scheidet, liegt tiefer, als daß es durch den Haradsch erreichbar wäre. Der Haradsch ist schon im Koran begründet. Es ist dieß die Karte, wodurch dem Raja bestätiget wird, die Kopfsteuer für das laufende Jahr bezahlt zu haben, und diese Kopfsteuer war bei der ursprünglichen Einrichtung das Aequivalent, welches nichtmuselmännische Unterthanen statt des Waffendienstes, wozu sie nicht zugelassen wurden, dem Staate darbrachten. In den letzten Zeiten betrug diese Steuer 60, 30 oder 15 Piaster für den Kopf, nach Maaßgabe als der Raja der wohlhabenden, mittlern oder armen Classe angehörte. Kein Raja war ausgenommen von diesem Beitrage, der jährlich entrichtet wurde. Verlor er den Zettel, und konnte also denselben auf Begehren nicht nachweisen, so mußte er ein zweitesmal bezahlen. Die Art der Perception machte die an sich wenig drückenden Abgaben zu einer lastenden. Sie wurde von dem Dzezzié Emini aus dem Finanzministerium jährlich provinzenweise verpachtet, und dem Pächter die Einbringung überlassen. Durch einen Ferman vom Jahr 1834 war die türkische Regierung schon bestrebt gewesen, der Habgier dieser Steuereinnehmer einen Zaum anzulegen, aber gegen die gänzliche Aufhebung stritt der Koran. Reschid Pascha erklärt nun heute, die Auslegung, die man seit dreizehn Jahrhunderten dem Koran gegeben, für eine falsche, und in einem Conseil, gehalten beim Scheik-ul-Islam am 9, wurde die Aufhebung des Haradsch entschieden. Kein Raja wird fortan genöthiget seyn, wie bis jetzt, den Zettel stets mit sich herum zu tragen, und inmitten seiner Geschäfte jedem Türken über seine Nationalität Rechenschaft zu stehen. Da aber über dem Raja der Staat nicht vergessen werden darf, so bleibt die Abgabe vor der Hand noch, doch wird ihre Perception ausschließend den Gemeinden überlassen, und diese mögen sie unter sich vertheilen und hereinbringen wie sie eben wollen. Es ergibt sich aus dieser Maaßregel daher eine Erweiterung der Rechte der Municipalitäten der Rajas. Aegypten. ✠Alexandria, 31 Dec. Die Vertheilung der Officiere von einer Flotte auf die andere hat in folgender Weise stattgefunden: auf jedes großherrliche Kriegsschiff kamen zwei Jusbaschi, drei Melasim und vier Aspiranten von Seite der ägyptischen, welche durch eben so viele Individuen gleichen Ranges aus der Mitte der großherrlichen ersetzt wurden; den ägyptischen en Second-Commandanten ist die Schiffspolizei und die Abrichtung anvertraut. Besoldungen und Rationen sind auf beiden Flotten gleichgestellt worden. Dadurch erhält der gemeine Mann der türkischen Flotte etwas weniger Sold als bisher, der Officier, und namentlich der Commandant aber bedeutend mehr. Die Besoldung des Kapudan Pascha ist auf 120,000 fl. C.M. festgesetzt. Der Vicekönig motivirt die Gleichstellung der Flotten auch in Bezug der Kleidung durch die dem Klima angemessenere ägyptische Bekleidung, durch die Unmöglichkeit für ihn die abgenützten russischen Röcke zu ersetzen und durch den Wunsch der Mannschaft. Er versichert, der Pforte einen großen Dienst zu leisten durch die Abrichtung der Flotte, und sagt, er zweifle nicht, die Zeit werde kommen, wo er Anerkennung finden werde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_036_18400205
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_036_18400205/7
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 36. Augsburg, 5. Februar 1840, S. 0287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_036_18400205/7>, abgerufen am 29.04.2024.