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Allgemeine Zeitung. Nr. 129. Augsburg, 8. Mai 1840.

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"Ich habe die an mich abgesandte Zuschrift des russischen Senats erhalten. Es heißt in derselben, daß mehrere Eleuren, welche sich in den Gränzen des russischen Reichs aufgehalten, nachdem sie einige Orte verwüstet, aus dem Lande gegangen wären.... Ihr in unserem Ministerium schreibet dem russischen Statthalter, daß die gedachten Eleuten, welche aus verschiedenen Geschlechtern und Stämmen bestehen und einige zehntausend Köpfe ausmachen, von den Russen in so leere Gegenden geführt und durch Arbeit und Elend so entkräftet worden, daß sie ihre Zuflucht hieher aus keiner andern Ursache genommen haben, als weil die Russen sie nicht ernähren konnten und sie Hunger leiden ließen. Ich bin der große und allgemeine Beherrscher dieses unermeßlichen Reichs, und nehme Alle, welche sich mir ergeben und meine Gnade anflehen, vornehmlich aber diejenigen Eleuten zu meinen Unterthanen auf, welche an aller Nothdurft Mangel leiden, äußerst entkräftet sind, und deren Elend aufs höchste gestiegen ist. Wie könnte ich ein so hartes Herz haben, daß ich sie, die vor Kälte und Hunger umkommen müßten, nicht ernähren und ihren Fürsten nicht vor meine Augen zu kommen erlauben sollte? Ich habe deßhalb Sorge getragen, daß ihnen die besten Weideplätze angewiesen werden, wo sie sich dann Wohnungen bauen und ruhig und bequem leben können. Ich habe ihnen auch Unterhalt, Geld und Schafe geben lassen. In Betreff der Fürsten und Großen, die unter ihnen sind, habe ich befohlen, daß alle an meinen Hof geführt werden sollen, damit sie den Glanz meiner Majestät sehen, die Speisen meines Tisches genießen, vergnügt seyn und durch meine Wohlthaten reich werden mögen. Hiedurch werde ich sie rühren, und wenn sie ihre Pflichten beobachten, mit Ehrenstellen, königlichen Würden und Titeln geschmückt, entlassen, damit jeder seine Unterthanen regieren und sein Leben mit ihnen in Ruhe und Frieden zubringen könne. Ich will nicht entscheiden, ob es sich guten Regenten geziemt, diejenigen, welche sich ihnen gutwillig und mit aller Aufrichtigkeit ergeben, auszuliefern, um gestraft zu werden. Was aber insbesondere die Eleuten anbelangt, so hätten die Russen, als der Friede in Dschongarien hergestellt ward, die während der Unruhen zu ihnen entlaufenen Eleuten uns zurückgeben sollen.... Im 36sten Jahre am 13ten Tage des 7ten Monats (September 1771) der Periode Kien long."

"Die Bewohner des russischen Reichs, fährt unser chinesischer Berichterstatter fort, haben eingefallene Augen, eine hohe Nase; der Augapfel ist grün; die Bart- und Kopfhaare sind hellblau und roth. Das männliche wie das weibliche Geschlecht lassen die Haare wachsen. Die Männer befeuchten die Haare mit Leimwasser, damit sie sich locken, und die Weiber kämmen die ihrigen und binden sie dann auf dem Kopf in einen Büschel zusammen. Das männliche Geschlecht hat enge, am ganzen Körper anliegende Kleider; die Frauenzimmer hingegen tragen Röcke, lange Hemden und Pelzmäntel, denen der Chinesen gleich; sie reichen aber nicht, wie dieß bei uns der Fall ist, über die Füße hinab. Unterkleider tragen sie nicht, weßhalb ihre Röcke lang und von beiden Seiten geschlossen sind. Ihre Münze besteht aus Silber, worauf das Porträt ihres Chans sich befindet. In der Eintheilung der Jahreszeiten und Monate folgen sie der europäischen Zeitrechnung; sie beobachten die Tag- und Nachtgleiche und die Sonnenhöhe. Sie verstehen sich darauf, die Sonnen- und Mondsfinsternisse ganz genau auszurechnen. Sie lieben hohe Häuser.... In den Zimmern haben die Russen Sophas, Tische, Stühle, Bänke, gleichwie die Bewohner der südlichen Kreise unseres Reichs. Weder die Frauenzimmer noch die Mannsleute verstehen zu sitzen, wenn sie die Füße unter sich schlagen. Täglich waschen sie sich zweimal. Bei der Begrüßung der Verwandten, Freunde und Gäste biegen sie die Knie, bewegen den Körper und verbeugen sich mit dem Kopfe; auch halten sie es für schicklich, sich gegenseitig zu küssen. Sie lieben den Thee und trinken ihn mit Zucker. *) Die Residenz ist prächtig und hat einige zehn Li im Umfange. Von drei Personen wird eine, von fünf zwei zum Militär genommen; der Kriegsdienst beginnt mit sechzehn Jahren, wo dann Jeder ein Pferd erhält und Waffen; es ist nicht erlaubt, nach Hause zurückzukehren und zu heirathen. Mit fünfzig Jahren werden die Soldaten entlassen. Die Gesetze der Russen sind sehr streng. Diebstahl, Ehebruch, Mordthaten, sey es mit oder ohne Vorsatz, so auch Entlaufen in ein fremdes Reich werden sämmtlich mit dem Tode bestraft. Die Verbrecher werden vermittelst der Beile in Stücke zerhauen. Die Russen stehen unter den Dschongaren; ihr Regent ist ihnen schon seit langer Zeit unterthan und zahlt regelmäßig Tribut. In dem zwanzigsten Jahre der Periode Kien long (1755) wollte der weiße Chan an die Dschongaren keinen Tribut mehr zahlen. Er vertraute auf die Macht und Größe seines Reichs, griff zu dem Schwert und verwüstete die Gränzen des Reichs seines obersten Lehnsherrn. Der Krieg zwischen den Vasallen und Gebietern dauerte mehrere Jahre, und die Russen haben gar viele Schlachten verloren; es wurden ihnen mehr denn 200,000 Soldaten getödtet. Hiedurch entkräftet, konnte der Chan nicht länger widerstehen und trat wiederum in das alte Vasallenverhältniß zurück. Er mußte aber jetzt, über den gewöhnlichen Tribut, sich noch dazu verstehen, jährlich 500 Knaben und 500 Mädchen auszuliefern. Auf diese Weise ward der Krieg beendigt. Die Russen sind gar sehr ihrem Herrscher ergeben. Selbst wenn ihr Chan einige Mängel hätte, würden sie es doch nicht wagen, sich gegen ihn zu erheben. Aus diesem Grunde fand bei ihnen noch nie ein Aufruhr statt oder Wechsel der Dynastie. Man weiß nicht, wie viele tausend Jahre das russische Regentenhaus schon ungestört regierte, während in den übrigen Reichen viele Veränderungen in der Herrscherfamilie vorgefallen sind. Die Russen lieben übrigens saure und scharfe Sachen und sind leidenschaftlich dem Branntwein ergeben."

Es finden sich in der officiellen Beschreibung des chinesischen Reichs und der umliegenden Lande überdieß mehrere Angaben in Betreff der Gebirge, der Flüsse und der Eintheilung des russischen Gebiets, welche nicht minder fehlerhaft sind. Wir übergehen sie hier, wo es uns bloß darum zu thun war, die in politischer Beziehung mangelhafte Kenntniß der Chinesen nachzuweisen. Die Russen, welche im kaiserlichen Collegium zu Peking Unterricht erhalten, werden auf Befehl des Himmelssohnes einigemal im Jahre von einer eigens hiezu ernannten Commission geprüft. Die Resultate dieser Prüfungen werden regelmäßig in der Staatszeitung zu Peking bekannt gemacht. Im Jahr 1830 wurden der Präsident des Kriegsministeriums, Se. Excellenz (Taschin) Song und Pavschang zu Prüfungscommissären ernannt. Der Kaiser selbst hatte das Thema angegeben,

*) Verkehr statt; es geschehen alle Verhandlungen vermittelst der Gränzbeamten, und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, der dem Herkommen gemäß im Namen des Senats schreibt. Ihm antwortet von chinesischer Seite das Ministerium der Colonien im Namen des Kaisers.
*) Die Chinesen trinken bekanntlich den Thee ohne Zucker, der auch in der That, so lange der Thee frisch und noch sein ganzes Aroma hat, nicht nothwendig befunden wird.

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„Ich habe die an mich abgesandte Zuschrift des russischen Senats erhalten. Es heißt in derselben, daß mehrere Eleuren, welche sich in den Gränzen des russischen Reichs aufgehalten, nachdem sie einige Orte verwüstet, aus dem Lande gegangen wären.... Ihr in unserem Ministerium schreibet dem russischen Statthalter, daß die gedachten Eleuten, welche aus verschiedenen Geschlechtern und Stämmen bestehen und einige zehntausend Köpfe ausmachen, von den Russen in so leere Gegenden geführt und durch Arbeit und Elend so entkräftet worden, daß sie ihre Zuflucht hieher aus keiner andern Ursache genommen haben, als weil die Russen sie nicht ernähren konnten und sie Hunger leiden ließen. Ich bin der große und allgemeine Beherrscher dieses unermeßlichen Reichs, und nehme Alle, welche sich mir ergeben und meine Gnade anflehen, vornehmlich aber diejenigen Eleuten zu meinen Unterthanen auf, welche an aller Nothdurft Mangel leiden, äußerst entkräftet sind, und deren Elend aufs höchste gestiegen ist. Wie könnte ich ein so hartes Herz haben, daß ich sie, die vor Kälte und Hunger umkommen müßten, nicht ernähren und ihren Fürsten nicht vor meine Augen zu kommen erlauben sollte? Ich habe deßhalb Sorge getragen, daß ihnen die besten Weideplätze angewiesen werden, wo sie sich dann Wohnungen bauen und ruhig und bequem leben können. Ich habe ihnen auch Unterhalt, Geld und Schafe geben lassen. In Betreff der Fürsten und Großen, die unter ihnen sind, habe ich befohlen, daß alle an meinen Hof geführt werden sollen, damit sie den Glanz meiner Majestät sehen, die Speisen meines Tisches genießen, vergnügt seyn und durch meine Wohlthaten reich werden mögen. Hiedurch werde ich sie rühren, und wenn sie ihre Pflichten beobachten, mit Ehrenstellen, königlichen Würden und Titeln geschmückt, entlassen, damit jeder seine Unterthanen regieren und sein Leben mit ihnen in Ruhe und Frieden zubringen könne. Ich will nicht entscheiden, ob es sich guten Regenten geziemt, diejenigen, welche sich ihnen gutwillig und mit aller Aufrichtigkeit ergeben, auszuliefern, um gestraft zu werden. Was aber insbesondere die Eleuten anbelangt, so hätten die Russen, als der Friede in Dschongarien hergestellt ward, die während der Unruhen zu ihnen entlaufenen Eleuten uns zurückgeben sollen.... Im 36sten Jahre am 13ten Tage des 7ten Monats (September 1771) der Periode Kien long.“

„Die Bewohner des russischen Reichs, fährt unser chinesischer Berichterstatter fort, haben eingefallene Augen, eine hohe Nase; der Augapfel ist grün; die Bart- und Kopfhaare sind hellblau und roth. Das männliche wie das weibliche Geschlecht lassen die Haare wachsen. Die Männer befeuchten die Haare mit Leimwasser, damit sie sich locken, und die Weiber kämmen die ihrigen und binden sie dann auf dem Kopf in einen Büschel zusammen. Das männliche Geschlecht hat enge, am ganzen Körper anliegende Kleider; die Frauenzimmer hingegen tragen Röcke, lange Hemden und Pelzmäntel, denen der Chinesen gleich; sie reichen aber nicht, wie dieß bei uns der Fall ist, über die Füße hinab. Unterkleider tragen sie nicht, weßhalb ihre Röcke lang und von beiden Seiten geschlossen sind. Ihre Münze besteht aus Silber, worauf das Porträt ihres Chans sich befindet. In der Eintheilung der Jahreszeiten und Monate folgen sie der europäischen Zeitrechnung; sie beobachten die Tag- und Nachtgleiche und die Sonnenhöhe. Sie verstehen sich darauf, die Sonnen- und Mondsfinsternisse ganz genau auszurechnen. Sie lieben hohe Häuser.... In den Zimmern haben die Russen Sophas, Tische, Stühle, Bänke, gleichwie die Bewohner der südlichen Kreise unseres Reichs. Weder die Frauenzimmer noch die Mannsleute verstehen zu sitzen, wenn sie die Füße unter sich schlagen. Täglich waschen sie sich zweimal. Bei der Begrüßung der Verwandten, Freunde und Gäste biegen sie die Knie, bewegen den Körper und verbeugen sich mit dem Kopfe; auch halten sie es für schicklich, sich gegenseitig zu küssen. Sie lieben den Thee und trinken ihn mit Zucker. *) Die Residenz ist prächtig und hat einige zehn Li im Umfange. Von drei Personen wird eine, von fünf zwei zum Militär genommen; der Kriegsdienst beginnt mit sechzehn Jahren, wo dann Jeder ein Pferd erhält und Waffen; es ist nicht erlaubt, nach Hause zurückzukehren und zu heirathen. Mit fünfzig Jahren werden die Soldaten entlassen. Die Gesetze der Russen sind sehr streng. Diebstahl, Ehebruch, Mordthaten, sey es mit oder ohne Vorsatz, so auch Entlaufen in ein fremdes Reich werden sämmtlich mit dem Tode bestraft. Die Verbrecher werden vermittelst der Beile in Stücke zerhauen. Die Russen stehen unter den Dschongaren; ihr Regent ist ihnen schon seit langer Zeit unterthan und zahlt regelmäßig Tribut. In dem zwanzigsten Jahre der Periode Kien long (1755) wollte der weiße Chan an die Dschongaren keinen Tribut mehr zahlen. Er vertraute auf die Macht und Größe seines Reichs, griff zu dem Schwert und verwüstete die Gränzen des Reichs seines obersten Lehnsherrn. Der Krieg zwischen den Vasallen und Gebietern dauerte mehrere Jahre, und die Russen haben gar viele Schlachten verloren; es wurden ihnen mehr denn 200,000 Soldaten getödtet. Hiedurch entkräftet, konnte der Chan nicht länger widerstehen und trat wiederum in das alte Vasallenverhältniß zurück. Er mußte aber jetzt, über den gewöhnlichen Tribut, sich noch dazu verstehen, jährlich 500 Knaben und 500 Mädchen auszuliefern. Auf diese Weise ward der Krieg beendigt. Die Russen sind gar sehr ihrem Herrscher ergeben. Selbst wenn ihr Chan einige Mängel hätte, würden sie es doch nicht wagen, sich gegen ihn zu erheben. Aus diesem Grunde fand bei ihnen noch nie ein Aufruhr statt oder Wechsel der Dynastie. Man weiß nicht, wie viele tausend Jahre das russische Regentenhaus schon ungestört regierte, während in den übrigen Reichen viele Veränderungen in der Herrscherfamilie vorgefallen sind. Die Russen lieben übrigens saure und scharfe Sachen und sind leidenschaftlich dem Branntwein ergeben.“

Es finden sich in der officiellen Beschreibung des chinesischen Reichs und der umliegenden Lande überdieß mehrere Angaben in Betreff der Gebirge, der Flüsse und der Eintheilung des russischen Gebiets, welche nicht minder fehlerhaft sind. Wir übergehen sie hier, wo es uns bloß darum zu thun war, die in politischer Beziehung mangelhafte Kenntniß der Chinesen nachzuweisen. Die Russen, welche im kaiserlichen Collegium zu Peking Unterricht erhalten, werden auf Befehl des Himmelssohnes einigemal im Jahre von einer eigens hiezu ernannten Commission geprüft. Die Resultate dieser Prüfungen werden regelmäßig in der Staatszeitung zu Peking bekannt gemacht. Im Jahr 1830 wurden der Präsident des Kriegsministeriums, Se. Excellenz (Taschin) Song und Pavschang zu Prüfungscommissären ernannt. Der Kaiser selbst hatte das Thema angegeben,

*) Verkehr statt; es geschehen alle Verhandlungen vermittelst der Gränzbeamten, und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, der dem Herkommen gemäß im Namen des Senats schreibt. Ihm antwortet von chinesischer Seite das Ministerium der Colonien im Namen des Kaisers.
*) Die Chinesen trinken bekanntlich den Thee ohne Zucker, der auch in der That, so lange der Thee frisch und noch sein ganzes Aroma hat, nicht nothwendig befunden wird.
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[1029/0013] *) „Ich habe die an mich abgesandte Zuschrift des russischen Senats erhalten. Es heißt in derselben, daß mehrere Eleuren, welche sich in den Gränzen des russischen Reichs aufgehalten, nachdem sie einige Orte verwüstet, aus dem Lande gegangen wären.... Ihr in unserem Ministerium schreibet dem russischen Statthalter, daß die gedachten Eleuten, welche aus verschiedenen Geschlechtern und Stämmen bestehen und einige zehntausend Köpfe ausmachen, von den Russen in so leere Gegenden geführt und durch Arbeit und Elend so entkräftet worden, daß sie ihre Zuflucht hieher aus keiner andern Ursache genommen haben, als weil die Russen sie nicht ernähren konnten und sie Hunger leiden ließen. Ich bin der große und allgemeine Beherrscher dieses unermeßlichen Reichs, und nehme Alle, welche sich mir ergeben und meine Gnade anflehen, vornehmlich aber diejenigen Eleuten zu meinen Unterthanen auf, welche an aller Nothdurft Mangel leiden, äußerst entkräftet sind, und deren Elend aufs höchste gestiegen ist. Wie könnte ich ein so hartes Herz haben, daß ich sie, die vor Kälte und Hunger umkommen müßten, nicht ernähren und ihren Fürsten nicht vor meine Augen zu kommen erlauben sollte? Ich habe deßhalb Sorge getragen, daß ihnen die besten Weideplätze angewiesen werden, wo sie sich dann Wohnungen bauen und ruhig und bequem leben können. Ich habe ihnen auch Unterhalt, Geld und Schafe geben lassen. In Betreff der Fürsten und Großen, die unter ihnen sind, habe ich befohlen, daß alle an meinen Hof geführt werden sollen, damit sie den Glanz meiner Majestät sehen, die Speisen meines Tisches genießen, vergnügt seyn und durch meine Wohlthaten reich werden mögen. Hiedurch werde ich sie rühren, und wenn sie ihre Pflichten beobachten, mit Ehrenstellen, königlichen Würden und Titeln geschmückt, entlassen, damit jeder seine Unterthanen regieren und sein Leben mit ihnen in Ruhe und Frieden zubringen könne. Ich will nicht entscheiden, ob es sich guten Regenten geziemt, diejenigen, welche sich ihnen gutwillig und mit aller Aufrichtigkeit ergeben, auszuliefern, um gestraft zu werden. Was aber insbesondere die Eleuten anbelangt, so hätten die Russen, als der Friede in Dschongarien hergestellt ward, die während der Unruhen zu ihnen entlaufenen Eleuten uns zurückgeben sollen.... Im 36sten Jahre am 13ten Tage des 7ten Monats (September 1771) der Periode Kien long.“ „Die Bewohner des russischen Reichs, fährt unser chinesischer Berichterstatter fort, haben eingefallene Augen, eine hohe Nase; der Augapfel ist grün; die Bart- und Kopfhaare sind hellblau und roth. Das männliche wie das weibliche Geschlecht lassen die Haare wachsen. Die Männer befeuchten die Haare mit Leimwasser, damit sie sich locken, und die Weiber kämmen die ihrigen und binden sie dann auf dem Kopf in einen Büschel zusammen. Das männliche Geschlecht hat enge, am ganzen Körper anliegende Kleider; die Frauenzimmer hingegen tragen Röcke, lange Hemden und Pelzmäntel, denen der Chinesen gleich; sie reichen aber nicht, wie dieß bei uns der Fall ist, über die Füße hinab. Unterkleider tragen sie nicht, weßhalb ihre Röcke lang und von beiden Seiten geschlossen sind. Ihre Münze besteht aus Silber, worauf das Porträt ihres Chans sich befindet. In der Eintheilung der Jahreszeiten und Monate folgen sie der europäischen Zeitrechnung; sie beobachten die Tag- und Nachtgleiche und die Sonnenhöhe. Sie verstehen sich darauf, die Sonnen- und Mondsfinsternisse ganz genau auszurechnen. Sie lieben hohe Häuser.... In den Zimmern haben die Russen Sophas, Tische, Stühle, Bänke, gleichwie die Bewohner der südlichen Kreise unseres Reichs. Weder die Frauenzimmer noch die Mannsleute verstehen zu sitzen, wenn sie die Füße unter sich schlagen. Täglich waschen sie sich zweimal. Bei der Begrüßung der Verwandten, Freunde und Gäste biegen sie die Knie, bewegen den Körper und verbeugen sich mit dem Kopfe; auch halten sie es für schicklich, sich gegenseitig zu küssen. Sie lieben den Thee und trinken ihn mit Zucker. *) Die Residenz ist prächtig und hat einige zehn Li im Umfange. Von drei Personen wird eine, von fünf zwei zum Militär genommen; der Kriegsdienst beginnt mit sechzehn Jahren, wo dann Jeder ein Pferd erhält und Waffen; es ist nicht erlaubt, nach Hause zurückzukehren und zu heirathen. Mit fünfzig Jahren werden die Soldaten entlassen. Die Gesetze der Russen sind sehr streng. Diebstahl, Ehebruch, Mordthaten, sey es mit oder ohne Vorsatz, so auch Entlaufen in ein fremdes Reich werden sämmtlich mit dem Tode bestraft. Die Verbrecher werden vermittelst der Beile in Stücke zerhauen. Die Russen stehen unter den Dschongaren; ihr Regent ist ihnen schon seit langer Zeit unterthan und zahlt regelmäßig Tribut. In dem zwanzigsten Jahre der Periode Kien long (1755) wollte der weiße Chan an die Dschongaren keinen Tribut mehr zahlen. Er vertraute auf die Macht und Größe seines Reichs, griff zu dem Schwert und verwüstete die Gränzen des Reichs seines obersten Lehnsherrn. Der Krieg zwischen den Vasallen und Gebietern dauerte mehrere Jahre, und die Russen haben gar viele Schlachten verloren; es wurden ihnen mehr denn 200,000 Soldaten getödtet. Hiedurch entkräftet, konnte der Chan nicht länger widerstehen und trat wiederum in das alte Vasallenverhältniß zurück. Er mußte aber jetzt, über den gewöhnlichen Tribut, sich noch dazu verstehen, jährlich 500 Knaben und 500 Mädchen auszuliefern. Auf diese Weise ward der Krieg beendigt. Die Russen sind gar sehr ihrem Herrscher ergeben. Selbst wenn ihr Chan einige Mängel hätte, würden sie es doch nicht wagen, sich gegen ihn zu erheben. Aus diesem Grunde fand bei ihnen noch nie ein Aufruhr statt oder Wechsel der Dynastie. Man weiß nicht, wie viele tausend Jahre das russische Regentenhaus schon ungestört regierte, während in den übrigen Reichen viele Veränderungen in der Herrscherfamilie vorgefallen sind. Die Russen lieben übrigens saure und scharfe Sachen und sind leidenschaftlich dem Branntwein ergeben.“ Es finden sich in der officiellen Beschreibung des chinesischen Reichs und der umliegenden Lande überdieß mehrere Angaben in Betreff der Gebirge, der Flüsse und der Eintheilung des russischen Gebiets, welche nicht minder fehlerhaft sind. Wir übergehen sie hier, wo es uns bloß darum zu thun war, die in politischer Beziehung mangelhafte Kenntniß der Chinesen nachzuweisen. Die Russen, welche im kaiserlichen Collegium zu Peking Unterricht erhalten, werden auf Befehl des Himmelssohnes einigemal im Jahre von einer eigens hiezu ernannten Commission geprüft. Die Resultate dieser Prüfungen werden regelmäßig in der Staatszeitung zu Peking bekannt gemacht. Im Jahr 1830 wurden der Präsident des Kriegsministeriums, Se. Excellenz (Taschin) Song und Pavschang zu Prüfungscommissären ernannt. Der Kaiser selbst hatte das Thema angegeben, *) Verkehr statt; es geschehen alle Verhandlungen vermittelst der Gränzbeamten, und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, der dem Herkommen gemäß im Namen des Senats schreibt. Ihm antwortet von chinesischer Seite das Ministerium der Colonien im Namen des Kaisers. *) Die Chinesen trinken bekanntlich den Thee ohne Zucker, der auch in der That, so lange der Thee frisch und noch sein ganzes Aroma hat, nicht nothwendig befunden wird.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 129. Augsburg, 8. Mai 1840, S. 1029. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_129_18400508/13>, abgerufen am 29.04.2024.