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Allgemeine Zeitung. Nr. 140. Augsburg, 19. Mai 1840.

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zugleich der Wohlthäter von Frankreich wie von Europa geworden, dadurch nämlich, daß er statt den Krieg neu zu beginnen, der seiner Natur nach allgemein geworden wäre, seinem Volke und uns das Wunder eines europäischen Friedens mit den reichen Ernten seines Segens nun auf ein Vierteljahrhundert auszudehnen so wesentlich beigetragen hat. Hier also, wir wiederholen es, auf diesem Punkte kann von einer Trennung der Interessen der Dynastie und der Nation nicht die Rede seyn. Die Dynastie Orleans hat den Frieden erhalten können, weil Frankreich die Erhaltung des Friedens gewollt hat. Was aber war der Grund dieses auf den Frieden gerichteten Willens anders als die Besorgniß oder die Furcht? Wie? glaubt der Gegner, der so gut den Wünschen seiner Nation die Pulse zu fühlen weiß, daß in irgend einem nicht ein rascher Schlag für den Ruhm, für die Wiedergewinnung der Rheingränze sich rege, daß irgend ein eingefleischter Philippist sey, der nicht durch die Idee derselben bewegt und belebt würde? und was anders, wenn nicht die Furcht des gehofften Gewinns nicht theilhaftig zu werden und den gesicherten Gewinn an eine eitle Hoffnung zu setzen, hielt den Nachbar von der Realisirung seiner Wünsche zurück? Wir bezeichnen mit Furcht eine Sache, welche die Franzosen als crainte und peur unterscheiden. Peur, avoir peur de quelque chose setzt etwas Unmännliches und Schwaches voraus, und mir scheint, daß überhaupt keine Nation, die sich fühlt, von einer solchen Furcht beherrscht wird. Sie bemächtigt sich der Herzen der Individuen und der Massen in einzelnen Fällen, z. B. wenn, was den Franzosen so gut begegnet ist, wie andern, ein Heer sich zur Flucht mit dem Ausruf wendet: sauve qui peut! jedoch im Herzen einer gesunden Nation kann sie unmöglich als ein dauernder Zustand nisten, so wenig als in dem Herzen eines wahren Mannes; aber etwas anders ist es mit der Furcht, welche die Franzosen crainte nennen, und die mehr unserer Besorgniß und Sorge entspricht. Sie ist in der Natur und ist geziemend, wo man daran geht, ein großes und theures Gut an irgend eine Hoffnung oder einen Wunsch zu wagen, oder es in einer von unserm Willen unabhängigen Gefahr sieht, und die uns treibt dieser zu begegnen und es sicher zu stellen. Ein Gemüth, das sie nicht empfunden, eine Nation, die ihr unzugänglich wäre, würde der Sorglosigkeit, der Gefühllosigkeit oder Verblendung verfallen seyn. In diesem Sinne darf man sagen, Frankreich, d. i. die in Frankreich als handelnde Macht sich darstellende Masse der Ansichten und Interessen, fürchtete, in Folge früherer Erfahrungen, die Güter seines Friedens auf ein vergebliches Spiel zu setzen, wenn es uns im Jahr 1831-1832 angriff und die Wechselfälle eines Kriegs erneuerte, denen es 15 Jahre früher erlegen war. Hätte irgend ein Gott dem Nachbar die Versicherung gegeben, daß er siegreich den Rhein behaupten, d. i. nicht den Heeren begegnen und ihnen erliegen würde, die ihn früher bis in seine Hauptstadt heimgesucht haben, so sind wir wohl Alle überzeugt, daß gegen eine solche Zusage kein "Napoleon des Friedens" die nach diesem Ziel hinstrebende Meinung gehemmt und den Frieden erhalten hätte.

Es mag unangenehm seyn, daran erinnert zu werden; aber es gibt ein gutes Mittel, sich und uns diese Erinnerung zu ersparen. Man entschlage sich der auf Kosten unserer Sicherheit, Ehre und Wohlfahrt unterhaltenen Wünsche und lasse davon ab, uns mit den eiteln Reden über vorgebliches Unrecht, das man nicht erduldet, über natürliche Gränzen, die nicht da sind, wo man sie sucht, über französische Präponderanz, die Europa nicht zugeben wird, und über die alleinige Hemmung derselben durch dynastische Interessen zu behelligen. Man begnüge sich an dem Besitz, der Ausdehnung und den Gütern, die Frankreich groß und stark machen, ohne die Größe und Freiheit der übrigen Glieder der europäischen Staatenfamilie aufzuheben. Wir werden dann gegen kein Lob der belle France und der Nation "ohne Furcht und Tadel" etwas zu erinnern haben. Kann man sich aber nicht entschließen, mit uns in einem socialen, auf voller Anerkennung ruhenden Frieden zu leben, so lange die Waffen ruhen; will man sich nicht gewöhnen, in Deutschland etwas anders als den lächerlichen Popanz der Unbeholfenheit und Traumsucht mit Zopf und Schlafkappe zu sehen, den gallische Unwissenheit und Aufgeblasenheit statt einer durch öffentliche und industrielle Thätigkeit reichen, durch Waffen starken, durch Bildung, Gesinnung und Tugend keiner fremden nachstehenden, durch Wissenschaft allen vorgehenden Nation diesseits des Rheins erblickt oder zu erblicken vorgibt, so wird man sich auch in Zukunft gewöhnen müssen, über sich selbst von unserer Seite zu hören, was den delicaten Ohren als Enormität oder Dissonanz erscheint; die Selbstvertheidigung mit der Waffe des Worts wird dann ihren Gang haben, bis die Zeit eintritt, wie sie denn am Ende eintreten wird, wo unsere Söhne gegen die neuen Eindringlinge zu zeigen haben und zeigen werden, daß der Stahl ihrer Waffen so gut wie jener ist, der in den Kriegen der Befreiung von ihren Vätern geschwungen wurde.

(Beschluß folgt.)

Die Juden in Damaskus.

Wir haben über die den Juden in Damaskus zugeschriebene Ermordung des Paters Thomas eine Reihe von Documenten vor uns liegen, deren nähere Mittheilung nicht ohne Interesse seyn dürfte, weil sie den Geist der orientalischen Juden, den Kampf der Religionen und den Charakter der türkisch-ägyptischen Herrschaft charakterisiren, zu geschweigen von der Theilnahme, mit welcher die Juden in Europa den Gang jenes blutigen Processes verfolgten, der in den Massen neue Vorurtheile gegen sie aufzuregen drohte.

Der apostolische Vorsteher der katholischen Mission zu Beyrut hatte den Capucinermönch, Pater Franciscus von Sardinien, nach Damaskus gesendet, um Nachrichten über das Schicksal des Paters Thomas einzuziehen, und die "Annales de la Propagation de la Foi" veröffentlichen jetzt den Bericht, den Pater Franciscus an seinen geistlichen Obern erstattete. Pater Franciscus erklärt, daß er auf Grund der von den Juden unter der Tortur gemachten Aussagen die gegen sie erhobenen Beschuldigungen für vollkommen wahr halte. Ferner berichtet er, daß die in den Gassen gefundenen (angeblichen) Gebeine des Paters Thomas in einen Sarg gelegt und unter Begleitung des englischen, französischen und österreichischen Consuls, so wie der meisten Franken in Damaskus nach dem Hause des französischen Consuls gebracht wurden, wo sich dann die sämmtliche Geistlichkeit der Stadt versammelte. Nachdem im Hause des französischen Consuls am Sarg eine Messe gelesen, hielt Pater Joseph, ein maronitischer Priester, die Leichenrede, und der Sarg wurde dann in die Capucinerkirche gebracht und neben dem Altar des heil. Elias beigesetzt, wo auch ein Denkmal mit einer Inschrift zur Erinnerung an diesen Vorfall errichtet werden soll. Viele Türken begleiteten die Procession mit Verwünschungen gegen die Juden. Pater Franciscus fügt hinzu, daß der französische Consul in dieser Angelegenheit "die äußerste Thätigkeit und den größten Eifer" bewiesen, so wie auch die Ortsbehörde die Sache mit erstaunlicher Energie verfolgt habe. Ferner berichtet Pater Franciscus, daß der französische Consul die Auslieferung des angeblich in einer Flasche enthaltenen Blutes vom Pater Thomas und des aus Holz vom wahren

zugleich der Wohlthäter von Frankreich wie von Europa geworden, dadurch nämlich, daß er statt den Krieg neu zu beginnen, der seiner Natur nach allgemein geworden wäre, seinem Volke und uns das Wunder eines europäischen Friedens mit den reichen Ernten seines Segens nun auf ein Vierteljahrhundert auszudehnen so wesentlich beigetragen hat. Hier also, wir wiederholen es, auf diesem Punkte kann von einer Trennung der Interessen der Dynastie und der Nation nicht die Rede seyn. Die Dynastie Orleans hat den Frieden erhalten können, weil Frankreich die Erhaltung des Friedens gewollt hat. Was aber war der Grund dieses auf den Frieden gerichteten Willens anders als die Besorgniß oder die Furcht? Wie? glaubt der Gegner, der so gut den Wünschen seiner Nation die Pulse zu fühlen weiß, daß in irgend einem nicht ein rascher Schlag für den Ruhm, für die Wiedergewinnung der Rheingränze sich rege, daß irgend ein eingefleischter Philippist sey, der nicht durch die Idee derselben bewegt und belebt würde? und was anders, wenn nicht die Furcht des gehofften Gewinns nicht theilhaftig zu werden und den gesicherten Gewinn an eine eitle Hoffnung zu setzen, hielt den Nachbar von der Realisirung seiner Wünsche zurück? Wir bezeichnen mit Furcht eine Sache, welche die Franzosen als crainte und peur unterscheiden. Peur, avoir peur de quelque chose setzt etwas Unmännliches und Schwaches voraus, und mir scheint, daß überhaupt keine Nation, die sich fühlt, von einer solchen Furcht beherrscht wird. Sie bemächtigt sich der Herzen der Individuen und der Massen in einzelnen Fällen, z. B. wenn, was den Franzosen so gut begegnet ist, wie andern, ein Heer sich zur Flucht mit dem Ausruf wendet: sauve qui peut! jedoch im Herzen einer gesunden Nation kann sie unmöglich als ein dauernder Zustand nisten, so wenig als in dem Herzen eines wahren Mannes; aber etwas anders ist es mit der Furcht, welche die Franzosen crainte nennen, und die mehr unserer Besorgniß und Sorge entspricht. Sie ist in der Natur und ist geziemend, wo man daran geht, ein großes und theures Gut an irgend eine Hoffnung oder einen Wunsch zu wagen, oder es in einer von unserm Willen unabhängigen Gefahr sieht, und die uns treibt dieser zu begegnen und es sicher zu stellen. Ein Gemüth, das sie nicht empfunden, eine Nation, die ihr unzugänglich wäre, würde der Sorglosigkeit, der Gefühllosigkeit oder Verblendung verfallen seyn. In diesem Sinne darf man sagen, Frankreich, d. i. die in Frankreich als handelnde Macht sich darstellende Masse der Ansichten und Interessen, fürchtete, in Folge früherer Erfahrungen, die Güter seines Friedens auf ein vergebliches Spiel zu setzen, wenn es uns im Jahr 1831-1832 angriff und die Wechselfälle eines Kriegs erneuerte, denen es 15 Jahre früher erlegen war. Hätte irgend ein Gott dem Nachbar die Versicherung gegeben, daß er siegreich den Rhein behaupten, d. i. nicht den Heeren begegnen und ihnen erliegen würde, die ihn früher bis in seine Hauptstadt heimgesucht haben, so sind wir wohl Alle überzeugt, daß gegen eine solche Zusage kein „Napoleon des Friedens“ die nach diesem Ziel hinstrebende Meinung gehemmt und den Frieden erhalten hätte.

Es mag unangenehm seyn, daran erinnert zu werden; aber es gibt ein gutes Mittel, sich und uns diese Erinnerung zu ersparen. Man entschlage sich der auf Kosten unserer Sicherheit, Ehre und Wohlfahrt unterhaltenen Wünsche und lasse davon ab, uns mit den eiteln Reden über vorgebliches Unrecht, das man nicht erduldet, über natürliche Gränzen, die nicht da sind, wo man sie sucht, über französische Präponderanz, die Europa nicht zugeben wird, und über die alleinige Hemmung derselben durch dynastische Interessen zu behelligen. Man begnüge sich an dem Besitz, der Ausdehnung und den Gütern, die Frankreich groß und stark machen, ohne die Größe und Freiheit der übrigen Glieder der europäischen Staatenfamilie aufzuheben. Wir werden dann gegen kein Lob der belle France und der Nation „ohne Furcht und Tadel“ etwas zu erinnern haben. Kann man sich aber nicht entschließen, mit uns in einem socialen, auf voller Anerkennung ruhenden Frieden zu leben, so lange die Waffen ruhen; will man sich nicht gewöhnen, in Deutschland etwas anders als den lächerlichen Popanz der Unbeholfenheit und Traumsucht mit Zopf und Schlafkappe zu sehen, den gallische Unwissenheit und Aufgeblasenheit statt einer durch öffentliche und industrielle Thätigkeit reichen, durch Waffen starken, durch Bildung, Gesinnung und Tugend keiner fremden nachstehenden, durch Wissenschaft allen vorgehenden Nation diesseits des Rheins erblickt oder zu erblicken vorgibt, so wird man sich auch in Zukunft gewöhnen müssen, über sich selbst von unserer Seite zu hören, was den delicaten Ohren als Enormität oder Dissonanz erscheint; die Selbstvertheidigung mit der Waffe des Worts wird dann ihren Gang haben, bis die Zeit eintritt, wie sie denn am Ende eintreten wird, wo unsere Söhne gegen die neuen Eindringlinge zu zeigen haben und zeigen werden, daß der Stahl ihrer Waffen so gut wie jener ist, der in den Kriegen der Befreiung von ihren Vätern geschwungen wurde.

(Beschluß folgt.)

Die Juden in Damaskus.

Wir haben über die den Juden in Damaskus zugeschriebene Ermordung des Paters Thomas eine Reihe von Documenten vor uns liegen, deren nähere Mittheilung nicht ohne Interesse seyn dürfte, weil sie den Geist der orientalischen Juden, den Kampf der Religionen und den Charakter der türkisch-ägyptischen Herrschaft charakterisiren, zu geschweigen von der Theilnahme, mit welcher die Juden in Europa den Gang jenes blutigen Processes verfolgten, der in den Massen neue Vorurtheile gegen sie aufzuregen drohte.

Der apostolische Vorsteher der katholischen Mission zu Beyrut hatte den Capucinermönch, Pater Franciscus von Sardinien, nach Damaskus gesendet, um Nachrichten über das Schicksal des Paters Thomas einzuziehen, und die „Annales de la Propagation de la Foi“ veröffentlichen jetzt den Bericht, den Pater Franciscus an seinen geistlichen Obern erstattete. Pater Franciscus erklärt, daß er auf Grund der von den Juden unter der Tortur gemachten Aussagen die gegen sie erhobenen Beschuldigungen für vollkommen wahr halte. Ferner berichtet er, daß die in den Gassen gefundenen (angeblichen) Gebeine des Paters Thomas in einen Sarg gelegt und unter Begleitung des englischen, französischen und österreichischen Consuls, so wie der meisten Franken in Damaskus nach dem Hause des französischen Consuls gebracht wurden, wo sich dann die sämmtliche Geistlichkeit der Stadt versammelte. Nachdem im Hause des französischen Consuls am Sarg eine Messe gelesen, hielt Pater Joseph, ein maronitischer Priester, die Leichenrede, und der Sarg wurde dann in die Capucinerkirche gebracht und neben dem Altar des heil. Elias beigesetzt, wo auch ein Denkmal mit einer Inschrift zur Erinnerung an diesen Vorfall errichtet werden soll. Viele Türken begleiteten die Procession mit Verwünschungen gegen die Juden. Pater Franciscus fügt hinzu, daß der französische Consul in dieser Angelegenheit „die äußerste Thätigkeit und den größten Eifer“ bewiesen, so wie auch die Ortsbehörde die Sache mit erstaunlicher Energie verfolgt habe. Ferner berichtet Pater Franciscus, daß der französische Consul die Auslieferung des angeblich in einer Flasche enthaltenen Blutes vom Pater Thomas und des aus Holz vom wahren

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zugleich der Wohlthäter von Frankreich wie von Europa geworden, dadurch nämlich, daß er statt den Krieg neu zu beginnen, der seiner Natur nach allgemein geworden wäre, seinem Volke und uns das Wunder eines europäischen Friedens mit den reichen Ernten seines Segens nun auf ein Vierteljahrhundert auszudehnen so wesentlich beigetragen hat. Hier also, wir wiederholen es, auf diesem Punkte kann von einer Trennung der Interessen der Dynastie und der Nation nicht die Rede seyn. Die Dynastie Orleans hat den Frieden erhalten können, weil <hi rendition="#g">Frankreich</hi> die Erhaltung des Friedens gewollt hat. Was aber war der Grund dieses auf den Frieden gerichteten Willens anders als die Besorgniß oder die Furcht? Wie? glaubt der Gegner, der so gut den Wünschen seiner Nation die Pulse zu fühlen weiß, daß in irgend einem nicht ein rascher Schlag für den Ruhm, für die Wiedergewinnung der Rheingränze sich rege, daß irgend ein eingefleischter Philippist sey, der nicht durch die Idee derselben bewegt und belebt würde? und was anders, wenn nicht die Furcht des gehofften Gewinns nicht theilhaftig zu werden und den gesicherten Gewinn an eine eitle Hoffnung zu setzen, hielt den Nachbar von der Realisirung seiner Wünsche zurück? Wir bezeichnen mit Furcht eine Sache, welche die Franzosen als <hi rendition="#i">crainte</hi> und <hi rendition="#i">peur</hi> unterscheiden. Peur, avoir peur de quelque chose setzt etwas Unmännliches und Schwaches voraus, und mir scheint, daß überhaupt keine Nation, die sich fühlt, von einer solchen Furcht beherrscht wird. Sie bemächtigt sich der Herzen der Individuen und der Massen in einzelnen Fällen, z. B. wenn, was den Franzosen so gut begegnet ist, wie andern, ein Heer sich zur Flucht mit dem Ausruf wendet: sauve qui peut! jedoch im Herzen einer gesunden Nation kann sie unmöglich als ein dauernder Zustand nisten, so wenig als in dem Herzen eines wahren Mannes; aber etwas anders ist es mit der Furcht, welche die Franzosen <hi rendition="#i">crainte</hi> nennen, und die mehr unserer <hi rendition="#g">Besorgniß</hi> und <hi rendition="#g">Sorge</hi> entspricht. Sie ist in der Natur und ist geziemend, wo man daran geht, ein großes und theures Gut an irgend eine Hoffnung oder einen Wunsch zu wagen, oder es in einer von unserm Willen unabhängigen Gefahr sieht, und die uns treibt dieser zu begegnen und es sicher zu stellen. Ein Gemüth, das sie nicht empfunden, eine Nation, die ihr unzugänglich wäre, würde der Sorglosigkeit, der Gefühllosigkeit oder Verblendung verfallen seyn. In diesem Sinne darf man sagen, Frankreich, d. i. die in Frankreich als handelnde Macht sich darstellende Masse der Ansichten und Interessen, <hi rendition="#g">fürchtete</hi>, in Folge früherer Erfahrungen, die Güter seines Friedens auf ein vergebliches Spiel zu setzen, wenn es uns im Jahr 1831-1832 angriff und die Wechselfälle eines Kriegs erneuerte, denen es 15 Jahre früher erlegen war. Hätte irgend ein Gott dem Nachbar die Versicherung gegeben, daß er siegreich den Rhein behaupten, d. i. nicht den Heeren begegnen und ihnen erliegen würde, die ihn früher bis in seine Hauptstadt heimgesucht haben, so sind wir wohl Alle überzeugt, daß gegen eine solche Zusage kein &#x201E;Napoleon des Friedens&#x201C; die nach diesem Ziel hinstrebende Meinung gehemmt und den Frieden erhalten hätte.</p><lb/>
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[1115/0011] zugleich der Wohlthäter von Frankreich wie von Europa geworden, dadurch nämlich, daß er statt den Krieg neu zu beginnen, der seiner Natur nach allgemein geworden wäre, seinem Volke und uns das Wunder eines europäischen Friedens mit den reichen Ernten seines Segens nun auf ein Vierteljahrhundert auszudehnen so wesentlich beigetragen hat. Hier also, wir wiederholen es, auf diesem Punkte kann von einer Trennung der Interessen der Dynastie und der Nation nicht die Rede seyn. Die Dynastie Orleans hat den Frieden erhalten können, weil Frankreich die Erhaltung des Friedens gewollt hat. Was aber war der Grund dieses auf den Frieden gerichteten Willens anders als die Besorgniß oder die Furcht? Wie? glaubt der Gegner, der so gut den Wünschen seiner Nation die Pulse zu fühlen weiß, daß in irgend einem nicht ein rascher Schlag für den Ruhm, für die Wiedergewinnung der Rheingränze sich rege, daß irgend ein eingefleischter Philippist sey, der nicht durch die Idee derselben bewegt und belebt würde? und was anders, wenn nicht die Furcht des gehofften Gewinns nicht theilhaftig zu werden und den gesicherten Gewinn an eine eitle Hoffnung zu setzen, hielt den Nachbar von der Realisirung seiner Wünsche zurück? Wir bezeichnen mit Furcht eine Sache, welche die Franzosen als crainte und peur unterscheiden. Peur, avoir peur de quelque chose setzt etwas Unmännliches und Schwaches voraus, und mir scheint, daß überhaupt keine Nation, die sich fühlt, von einer solchen Furcht beherrscht wird. Sie bemächtigt sich der Herzen der Individuen und der Massen in einzelnen Fällen, z. B. wenn, was den Franzosen so gut begegnet ist, wie andern, ein Heer sich zur Flucht mit dem Ausruf wendet: sauve qui peut! jedoch im Herzen einer gesunden Nation kann sie unmöglich als ein dauernder Zustand nisten, so wenig als in dem Herzen eines wahren Mannes; aber etwas anders ist es mit der Furcht, welche die Franzosen crainte nennen, und die mehr unserer Besorgniß und Sorge entspricht. Sie ist in der Natur und ist geziemend, wo man daran geht, ein großes und theures Gut an irgend eine Hoffnung oder einen Wunsch zu wagen, oder es in einer von unserm Willen unabhängigen Gefahr sieht, und die uns treibt dieser zu begegnen und es sicher zu stellen. Ein Gemüth, das sie nicht empfunden, eine Nation, die ihr unzugänglich wäre, würde der Sorglosigkeit, der Gefühllosigkeit oder Verblendung verfallen seyn. In diesem Sinne darf man sagen, Frankreich, d. i. die in Frankreich als handelnde Macht sich darstellende Masse der Ansichten und Interessen, fürchtete, in Folge früherer Erfahrungen, die Güter seines Friedens auf ein vergebliches Spiel zu setzen, wenn es uns im Jahr 1831-1832 angriff und die Wechselfälle eines Kriegs erneuerte, denen es 15 Jahre früher erlegen war. Hätte irgend ein Gott dem Nachbar die Versicherung gegeben, daß er siegreich den Rhein behaupten, d. i. nicht den Heeren begegnen und ihnen erliegen würde, die ihn früher bis in seine Hauptstadt heimgesucht haben, so sind wir wohl Alle überzeugt, daß gegen eine solche Zusage kein „Napoleon des Friedens“ die nach diesem Ziel hinstrebende Meinung gehemmt und den Frieden erhalten hätte. Es mag unangenehm seyn, daran erinnert zu werden; aber es gibt ein gutes Mittel, sich und uns diese Erinnerung zu ersparen. Man entschlage sich der auf Kosten unserer Sicherheit, Ehre und Wohlfahrt unterhaltenen Wünsche und lasse davon ab, uns mit den eiteln Reden über vorgebliches Unrecht, das man nicht erduldet, über natürliche Gränzen, die nicht da sind, wo man sie sucht, über französische Präponderanz, die Europa nicht zugeben wird, und über die alleinige Hemmung derselben durch dynastische Interessen zu behelligen. Man begnüge sich an dem Besitz, der Ausdehnung und den Gütern, die Frankreich groß und stark machen, ohne die Größe und Freiheit der übrigen Glieder der europäischen Staatenfamilie aufzuheben. Wir werden dann gegen kein Lob der belle France und der Nation „ohne Furcht und Tadel“ etwas zu erinnern haben. Kann man sich aber nicht entschließen, mit uns in einem socialen, auf voller Anerkennung ruhenden Frieden zu leben, so lange die Waffen ruhen; will man sich nicht gewöhnen, in Deutschland etwas anders als den lächerlichen Popanz der Unbeholfenheit und Traumsucht mit Zopf und Schlafkappe zu sehen, den gallische Unwissenheit und Aufgeblasenheit statt einer durch öffentliche und industrielle Thätigkeit reichen, durch Waffen starken, durch Bildung, Gesinnung und Tugend keiner fremden nachstehenden, durch Wissenschaft allen vorgehenden Nation diesseits des Rheins erblickt oder zu erblicken vorgibt, so wird man sich auch in Zukunft gewöhnen müssen, über sich selbst von unserer Seite zu hören, was den delicaten Ohren als Enormität oder Dissonanz erscheint; die Selbstvertheidigung mit der Waffe des Worts wird dann ihren Gang haben, bis die Zeit eintritt, wie sie denn am Ende eintreten wird, wo unsere Söhne gegen die neuen Eindringlinge zu zeigen haben und zeigen werden, daß der Stahl ihrer Waffen so gut wie jener ist, der in den Kriegen der Befreiung von ihren Vätern geschwungen wurde. (Beschluß folgt.) Die Juden in Damaskus. Wir haben über die den Juden in Damaskus zugeschriebene Ermordung des Paters Thomas eine Reihe von Documenten vor uns liegen, deren nähere Mittheilung nicht ohne Interesse seyn dürfte, weil sie den Geist der orientalischen Juden, den Kampf der Religionen und den Charakter der türkisch-ägyptischen Herrschaft charakterisiren, zu geschweigen von der Theilnahme, mit welcher die Juden in Europa den Gang jenes blutigen Processes verfolgten, der in den Massen neue Vorurtheile gegen sie aufzuregen drohte. Der apostolische Vorsteher der katholischen Mission zu Beyrut hatte den Capucinermönch, Pater Franciscus von Sardinien, nach Damaskus gesendet, um Nachrichten über das Schicksal des Paters Thomas einzuziehen, und die „Annales de la Propagation de la Foi“ veröffentlichen jetzt den Bericht, den Pater Franciscus an seinen geistlichen Obern erstattete. Pater Franciscus erklärt, daß er auf Grund der von den Juden unter der Tortur gemachten Aussagen die gegen sie erhobenen Beschuldigungen für vollkommen wahr halte. Ferner berichtet er, daß die in den Gassen gefundenen (angeblichen) Gebeine des Paters Thomas in einen Sarg gelegt und unter Begleitung des englischen, französischen und österreichischen Consuls, so wie der meisten Franken in Damaskus nach dem Hause des französischen Consuls gebracht wurden, wo sich dann die sämmtliche Geistlichkeit der Stadt versammelte. Nachdem im Hause des französischen Consuls am Sarg eine Messe gelesen, hielt Pater Joseph, ein maronitischer Priester, die Leichenrede, und der Sarg wurde dann in die Capucinerkirche gebracht und neben dem Altar des heil. Elias beigesetzt, wo auch ein Denkmal mit einer Inschrift zur Erinnerung an diesen Vorfall errichtet werden soll. Viele Türken begleiteten die Procession mit Verwünschungen gegen die Juden. Pater Franciscus fügt hinzu, daß der französische Consul in dieser Angelegenheit „die äußerste Thätigkeit und den größten Eifer“ bewiesen, so wie auch die Ortsbehörde die Sache mit erstaunlicher Energie verfolgt habe. Ferner berichtet Pater Franciscus, daß der französische Consul die Auslieferung des angeblich in einer Flasche enthaltenen Blutes vom Pater Thomas und des aus Holz vom wahren

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 140. Augsburg, 19. Mai 1840, S. 1115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_140_18400519/11>, abgerufen am 29.04.2024.