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Allgemeine Zeitung. Nr. 147. Augsburg, 26. Mai 1840.

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Weg von der Hauptstadt Spaniens über Burgos und durch die baskischen Provinzen nach Bayonne führt, zu durchwandern hat. In Spanien, dem Lande der Täuschungen und der Widersprüche, war er darauf gefaßt, Elend und Entvölkerung zu finden, wo ein sechsjähriger Bürgerkrieg hauste; er bestieg die Diligence in Madrid mit dem unangenehmen Vorgefühl, seine bewegliche Habe unterwegs den Freibeutern der Landstraße abtreten zu müssen, um wenigstens sein körperliches Daseyn erhalten zu können. Welche freudige Ueberraschung harrt seiner, wenn sich ihm, statt der erwarteten Unbilde, eine, wo die Natur es erlaubt, wohlangebaute Gegend, jede billige Anforderung befriedigende Gasthöfe, eine thätige, den Künsten des Friedens zurückgegebene Bevölkerung und aus der Asche stolz emporsteigende Prachtgebäude darbieten. - Der Reisende hat die Wahl, entweder in dem Zeitraum von nur 48 Stunden von Madrid bis an die französische Gränze (Irun) zu eilen, und zu diesem Behuf die dreimal wöchentlich abgehende Mallepost zu nehmen, in welcher neben dem Courier drei Reisende Platz haben, oder, falls er einen weniger raschen Blick auf das Land zu werfen wünscht, sich für die Diligence oder für die sogenannten Caleseros zu entscheiden. Beide gehen ebenfalls dreimal wöchentlich von Madrid nach Bayonne, und von hier dorthin zurück, so daß seit Anfang dieses Monats eine tägliche Gelegenheit stattfindet. Ein Platz in dem Coupe der Diligence kostet von Madrid bis hier, alle Trinkgelder einbegriffen, 24 Piaster, wobei der Reisende jedoch nur 24 Pfund Gepäck frei hat. Die Preise für das, was unterwegs verzehrt wird, sind - für Spanien - nicht übertrieben; auch kann man durch den Conducteur Alles vermittelst einer runden Summe abmachen lassen, und selbst in den kleinsten Städtchen Castiliens (in Buitrago, Aranda) findet man silberne Gabel und Löffel und so vortreffliches Brod, wie in keinem andern Lande Europa's. Die Diligence ist mit acht Maulthieren bespannt, die häufig gewechselt werden und den Weg rasch zurücklegen. Um 10 Uhr Vormittags verläßt man Madrid, und schläft Abends einige Stunden in Buitrago; dann übersteigt man die Somosierra und erreicht am folgenden Abend Burgos, am dritten Vitoria, am vierten Astigarraga (zwischen Hernani und Oyarzun) und am fünften Vormittags Bayonne.

Die einzigen Spuren des überstandenen Kriegs, auf die man in Castilien stößt, bestehen in einigen sogenannten Forts, welche übrigens nichts Anderes sind, als mit Schießscharten versehene Häuser. Zwei Meilen vor Burgos kamen wir (Sonntags) durch ein Dorf, an dessen Eingang etwa 20 Soldaten schlagfertig aufgestellt waren, während die übrigen Truppen ihre Flinten zur Seite gesetzt hatten und in frohen Tänzen den Reizen der Dorfschönen huldigten. Ein zerlumpter Kerl stand unterdessen auf dem platten Dache der Kirche, um die Bewegungen einer Faction, deren Annäherung man befürchtete, zu beobachten.

Sobald man diesseits des Ebro die Provinz Alava betritt, erblickt man in den Feldern zahlreiche Arbeiter, an deren Woynas man die dem Frieden zurückgegebenen Carlistischen Krieger erkennt. Auch stößt man auf Paare von Bewaffneten, welche unter dem Namen von Minnonez de Alava ausgerüstet sind, um über die Sicherheit der Heerstraße zu wachen, mit deren Ausbesserung andere, die Spuren durchgemachter Feldzüge tragende Arbeiter beschäftigt sind. In Vitoria, wo sich lange Zeit hindurch das Hauptquartier einer ganzen Armee befand, besteht jetzt die Besatzung nur aus 2 Bataillonen und einiger Artillerie, und fast wünschen die Einwohner die Gräuel des Kriegs zurück, die ihnen zur ergiebigen Quelle des Wohlstandes geworden sind.

Beim Eintritt in die Provinz Guipuscoa stößt man auf die Trümmer verbrannter Häuser, um deren Besitz, als den Schlüssel der sich bei Ulibarri Gamboa eröffnenden Gebirgspässe, mehr als ein blutiger Kampf gefochten wurde. Man zeigte uns den Schutthaufen, wo nach dem Gefecht auf den Höhen von Arlaban eine Menge verwundeter Engländer in den Flammen umkam. Aber nur die äußern Gränzen von Guipuscoa sind mit diesen blutigen Spuren bezeichnet; das Innere gleicht einem Garten, auf dessen lieblichen Gefilden die Segnungen des Friedens Jahre lang geruht zu haben scheinen. Bei kaum anbrechendem Tage, unter herabströmendem Regen, fanden wir die Einwohner, Weiber wie Männer, an den Bergrücken vertheilt, die Früchte des Feldes einsammelnd und freundlich die Vorüberziehenden grüßend. Die Versuche einiger ausgewanderten Carlisten, mit bewaffneter Hand von Frankreich aus in Navarra und Guipuscoa aufs neue einzudringen, hatten die Behörde des Landes, die in Azpeitia residirende Provincialdeputation, veranlaßt, ein Corps von 400 Mann unter der Benennung von Minnones de Guipuscoa auszurüsten, die ein förmliches Treibjagen gegen die Eindringlinge anstellen. Sie sind aus den Tapfersten der aufgelösten Carlistischen Bataillone ausgesucht, tragen ihre alte Uniform und Waffen und flößen durch ihr wildes Ansehen den Reisenden, welche sie bis an die Gränze geleiten, einen Schrecken ein, der sich jedoch, sobald man ein Gespräch mit ihnen eröffnet, in die höchste Theilnahme und unbedingtes Zutrauen umwandelt. Jeder von ihnen erhält von der Provinz täglich 6 Realen und ein freiwilliges Geschenk von den Reisenden. Der unsere Bedeckung befehligende Chef, Don Hilarion, war Brigadier gewesen, und so berühmt durch seine Tapferkeit, daß, den Versicherungen seiner Untergebenen zufolge, zehn Mann es nicht wagen würden, es mit ihm allein aufzunehmen. Unfern von Vergara zeigte er mir die Stellungen, welche die gegenseitigen Truppen einnahmen, als die berühmte Umarmung stattfand, und in dem alterthümlichen Schlosse von Berueta den Balcon, von welchem herab Espartero die vorüberziehenden Krieger begrüßte. Während wir die Engpässe von Descarga, wo Zumalacarregui seinen ersten glänzenden Sieg erfocht, hinanfuhren, entwarf mir Hilarion ein höchst anziehendes Gemälde von dem Zustande des Landes, dessen sämmtliche Züge das Gepräge der Wahrheit trugen.

An verschiedenen Stellen des Weges, so wie in Mondragon, Villareal, Villafranca trafen wir kleinere Abtheilungen von Linientruppen unter dem Gewehr, und als wir in Tolosa ankamen, war so eben der mit den Waffen in der Hand zurückgekehrte Carlistenchef Vicanna erschossen worden. Zwei andere Carlistische Officiere, die mit ihm in Verbindung gestanden hatten, wurden unter einer Bedeckung von 12 Soldaten auf die Galeeren abgeführt; in ihren bleichen Zügen waren die Spuren der Todesangst, welche sie überstanden, deutlich zu lesen.

Nicht die entfernteste Möglichkeit des Gelingens neuer Versuche, den Bürgerkrieg in jenen Provinzen zu entflammen, ist vorhanden; überall betrachten die Einwohner die zurückkehrenden Eindringlinge als ihre gefährlichsten Feinde, und erblicken in der wiederhergestellten Verbindung mit den übrigen Provinzen, in den zahlreichen Reisenden, welche täglich das Land durchziehen, in der ihnen zugesicherten Aufrechthaltung ihrer volksthümlichen Einrichtungen, das sicherste Mittel, den durch den Krieg erschütterten Wohlstand wiederherzustellen. Gelitten hat derselbe, jedoch weniger als man erwarten sollte. Während die übrigen Provinzen Spaniens die ganze Last des Kriegs und alle Uebel einer ungeordneten Verwaltung zu tragen hatten, blieben die Wohnsitze der Basken und Navarresen ein

Weg von der Hauptstadt Spaniens über Burgos und durch die baskischen Provinzen nach Bayonne führt, zu durchwandern hat. In Spanien, dem Lande der Täuschungen und der Widersprüche, war er darauf gefaßt, Elend und Entvölkerung zu finden, wo ein sechsjähriger Bürgerkrieg hauste; er bestieg die Diligence in Madrid mit dem unangenehmen Vorgefühl, seine bewegliche Habe unterwegs den Freibeutern der Landstraße abtreten zu müssen, um wenigstens sein körperliches Daseyn erhalten zu können. Welche freudige Ueberraschung harrt seiner, wenn sich ihm, statt der erwarteten Unbilde, eine, wo die Natur es erlaubt, wohlangebaute Gegend, jede billige Anforderung befriedigende Gasthöfe, eine thätige, den Künsten des Friedens zurückgegebene Bevölkerung und aus der Asche stolz emporsteigende Prachtgebäude darbieten. – Der Reisende hat die Wahl, entweder in dem Zeitraum von nur 48 Stunden von Madrid bis an die französische Gränze (Irun) zu eilen, und zu diesem Behuf die dreimal wöchentlich abgehende Mallepost zu nehmen, in welcher neben dem Courier drei Reisende Platz haben, oder, falls er einen weniger raschen Blick auf das Land zu werfen wünscht, sich für die Diligence oder für die sogenannten Caleseros zu entscheiden. Beide gehen ebenfalls dreimal wöchentlich von Madrid nach Bayonne, und von hier dorthin zurück, so daß seit Anfang dieses Monats eine tägliche Gelegenheit stattfindet. Ein Platz in dem Coupé der Diligence kostet von Madrid bis hier, alle Trinkgelder einbegriffen, 24 Piaster, wobei der Reisende jedoch nur 24 Pfund Gepäck frei hat. Die Preise für das, was unterwegs verzehrt wird, sind – für Spanien – nicht übertrieben; auch kann man durch den Conducteur Alles vermittelst einer runden Summe abmachen lassen, und selbst in den kleinsten Städtchen Castiliens (in Buitrago, Aranda) findet man silberne Gabel und Löffel und so vortreffliches Brod, wie in keinem andern Lande Europa's. Die Diligence ist mit acht Maulthieren bespannt, die häufig gewechselt werden und den Weg rasch zurücklegen. Um 10 Uhr Vormittags verläßt man Madrid, und schläft Abends einige Stunden in Buitrago; dann übersteigt man die Somosierra und erreicht am folgenden Abend Burgos, am dritten Vitoria, am vierten Astigarraga (zwischen Hernani und Oyarzun) und am fünften Vormittags Bayonne.

Die einzigen Spuren des überstandenen Kriegs, auf die man in Castilien stößt, bestehen in einigen sogenannten Forts, welche übrigens nichts Anderes sind, als mit Schießscharten versehene Häuser. Zwei Meilen vor Burgos kamen wir (Sonntags) durch ein Dorf, an dessen Eingang etwa 20 Soldaten schlagfertig aufgestellt waren, während die übrigen Truppen ihre Flinten zur Seite gesetzt hatten und in frohen Tänzen den Reizen der Dorfschönen huldigten. Ein zerlumpter Kerl stand unterdessen auf dem platten Dache der Kirche, um die Bewegungen einer Faction, deren Annäherung man befürchtete, zu beobachten.

Sobald man diesseits des Ebro die Provinz Alava betritt, erblickt man in den Feldern zahlreiche Arbeiter, an deren Woynas man die dem Frieden zurückgegebenen Carlistischen Krieger erkennt. Auch stößt man auf Paare von Bewaffneten, welche unter dem Namen von Miñonez de Alava ausgerüstet sind, um über die Sicherheit der Heerstraße zu wachen, mit deren Ausbesserung andere, die Spuren durchgemachter Feldzüge tragende Arbeiter beschäftigt sind. In Vitoria, wo sich lange Zeit hindurch das Hauptquartier einer ganzen Armee befand, besteht jetzt die Besatzung nur aus 2 Bataillonen und einiger Artillerie, und fast wünschen die Einwohner die Gräuel des Kriegs zurück, die ihnen zur ergiebigen Quelle des Wohlstandes geworden sind.

Beim Eintritt in die Provinz Guipuscoa stößt man auf die Trümmer verbrannter Häuser, um deren Besitz, als den Schlüssel der sich bei Ulibarri Gamboa eröffnenden Gebirgspässe, mehr als ein blutiger Kampf gefochten wurde. Man zeigte uns den Schutthaufen, wo nach dem Gefecht auf den Höhen von Arlaban eine Menge verwundeter Engländer in den Flammen umkam. Aber nur die äußern Gränzen von Guipuscoa sind mit diesen blutigen Spuren bezeichnet; das Innere gleicht einem Garten, auf dessen lieblichen Gefilden die Segnungen des Friedens Jahre lang geruht zu haben scheinen. Bei kaum anbrechendem Tage, unter herabströmendem Regen, fanden wir die Einwohner, Weiber wie Männer, an den Bergrücken vertheilt, die Früchte des Feldes einsammelnd und freundlich die Vorüberziehenden grüßend. Die Versuche einiger ausgewanderten Carlisten, mit bewaffneter Hand von Frankreich aus in Navarra und Guipuscoa aufs neue einzudringen, hatten die Behörde des Landes, die in Azpeitia residirende Provincialdeputation, veranlaßt, ein Corps von 400 Mann unter der Benennung von Miñones de Guipuscoa auszurüsten, die ein förmliches Treibjagen gegen die Eindringlinge anstellen. Sie sind aus den Tapfersten der aufgelösten Carlistischen Bataillone ausgesucht, tragen ihre alte Uniform und Waffen und flößen durch ihr wildes Ansehen den Reisenden, welche sie bis an die Gränze geleiten, einen Schrecken ein, der sich jedoch, sobald man ein Gespräch mit ihnen eröffnet, in die höchste Theilnahme und unbedingtes Zutrauen umwandelt. Jeder von ihnen erhält von der Provinz täglich 6 Realen und ein freiwilliges Geschenk von den Reisenden. Der unsere Bedeckung befehligende Chef, Don Hilarion, war Brigadier gewesen, und so berühmt durch seine Tapferkeit, daß, den Versicherungen seiner Untergebenen zufolge, zehn Mann es nicht wagen würden, es mit ihm allein aufzunehmen. Unfern von Vergara zeigte er mir die Stellungen, welche die gegenseitigen Truppen einnahmen, als die berühmte Umarmung stattfand, und in dem alterthümlichen Schlosse von Berueta den Balcon, von welchem herab Espartero die vorüberziehenden Krieger begrüßte. Während wir die Engpässe von Descarga, wo Zumalacarregui seinen ersten glänzenden Sieg erfocht, hinanfuhren, entwarf mir Hilarion ein höchst anziehendes Gemälde von dem Zustande des Landes, dessen sämmtliche Züge das Gepräge der Wahrheit trugen.

An verschiedenen Stellen des Weges, so wie in Mondragon, Villareal, Villafranca trafen wir kleinere Abtheilungen von Linientruppen unter dem Gewehr, und als wir in Tolosa ankamen, war so eben der mit den Waffen in der Hand zurückgekehrte Carlistenchef Vicaña erschossen worden. Zwei andere Carlistische Officiere, die mit ihm in Verbindung gestanden hatten, wurden unter einer Bedeckung von 12 Soldaten auf die Galeeren abgeführt; in ihren bleichen Zügen waren die Spuren der Todesangst, welche sie überstanden, deutlich zu lesen.

Nicht die entfernteste Möglichkeit des Gelingens neuer Versuche, den Bürgerkrieg in jenen Provinzen zu entflammen, ist vorhanden; überall betrachten die Einwohner die zurückkehrenden Eindringlinge als ihre gefährlichsten Feinde, und erblicken in der wiederhergestellten Verbindung mit den übrigen Provinzen, in den zahlreichen Reisenden, welche täglich das Land durchziehen, in der ihnen zugesicherten Aufrechthaltung ihrer volksthümlichen Einrichtungen, das sicherste Mittel, den durch den Krieg erschütterten Wohlstand wiederherzustellen. Gelitten hat derselbe, jedoch weniger als man erwarten sollte. Während die übrigen Provinzen Spaniens die ganze Last des Kriegs und alle Uebel einer ungeordneten Verwaltung zu tragen hatten, blieben die Wohnsitze der Basken und Navarresen ein

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Weg von der Hauptstadt Spaniens über Burgos und durch die baskischen Provinzen nach Bayonne führt, zu durchwandern hat. In Spanien, dem Lande der Täuschungen und der Widersprüche, war er darauf gefaßt, Elend und Entvölkerung zu finden, wo ein sechsjähriger Bürgerkrieg hauste; er bestieg die Diligence in Madrid mit dem unangenehmen Vorgefühl, seine bewegliche Habe unterwegs den Freibeutern der Landstraße abtreten zu müssen, um wenigstens sein körperliches Daseyn erhalten zu können. Welche freudige Ueberraschung harrt seiner, wenn sich ihm, statt der erwarteten Unbilde, eine, wo die Natur es erlaubt, wohlangebaute Gegend, jede billige Anforderung befriedigende Gasthöfe, eine thätige, den Künsten des Friedens zurückgegebene Bevölkerung und aus der Asche stolz emporsteigende Prachtgebäude darbieten. &#x2013; Der Reisende hat die Wahl, entweder in dem Zeitraum von nur 48 Stunden von Madrid bis an die französische Gränze (Irun) zu eilen, und zu diesem Behuf die dreimal wöchentlich abgehende Mallepost zu nehmen, in welcher neben dem Courier drei Reisende Platz haben, oder, falls er einen weniger raschen Blick auf das Land zu werfen wünscht, sich für die Diligence oder für die sogenannten Caleseros zu entscheiden. Beide gehen ebenfalls dreimal wöchentlich von Madrid nach Bayonne, und von hier dorthin zurück, so daß seit Anfang dieses Monats eine tägliche Gelegenheit stattfindet. Ein Platz in dem Coupé der Diligence kostet von Madrid bis hier, alle Trinkgelder einbegriffen, 24 Piaster, wobei der Reisende jedoch nur 24 Pfund Gepäck frei hat. Die Preise für das, was unterwegs verzehrt wird, sind &#x2013; für Spanien &#x2013; nicht übertrieben; auch kann man durch den Conducteur Alles vermittelst einer runden Summe abmachen lassen, und selbst in den kleinsten Städtchen Castiliens (in Buitrago, Aranda) findet man silberne Gabel und Löffel und so vortreffliches Brod, wie in keinem andern Lande Europa's. Die Diligence ist mit acht Maulthieren bespannt, die häufig gewechselt werden und den Weg rasch zurücklegen. Um 10 Uhr Vormittags verläßt man Madrid, und schläft Abends einige Stunden in Buitrago; dann übersteigt man die Somosierra und erreicht am folgenden Abend Burgos, am dritten Vitoria, am vierten Astigarraga (zwischen Hernani und Oyarzun) und am fünften Vormittags Bayonne.</p><lb/>
          <p>Die einzigen Spuren des überstandenen Kriegs, auf die man in Castilien stößt, bestehen in einigen sogenannten Forts, welche übrigens nichts Anderes sind, als mit Schießscharten versehene Häuser. Zwei Meilen vor Burgos kamen wir (Sonntags) durch ein Dorf, an dessen Eingang etwa 20 Soldaten schlagfertig aufgestellt waren, während die übrigen Truppen ihre Flinten zur Seite gesetzt hatten und in frohen Tänzen den Reizen der Dorfschönen huldigten. Ein zerlumpter Kerl stand unterdessen auf dem platten Dache der Kirche, um die Bewegungen einer Faction, deren Annäherung man befürchtete, zu beobachten.</p><lb/>
          <p>Sobald man diesseits des Ebro die Provinz Alava betritt, erblickt man in den Feldern zahlreiche Arbeiter, an deren Woynas man die dem Frieden zurückgegebenen Carlistischen Krieger erkennt. Auch stößt man auf Paare von Bewaffneten, welche unter dem Namen von Miñonez de Alava ausgerüstet sind, um über die Sicherheit der Heerstraße zu wachen, mit deren Ausbesserung andere, die Spuren durchgemachter Feldzüge tragende Arbeiter beschäftigt sind. In Vitoria, wo sich lange Zeit hindurch das Hauptquartier einer ganzen Armee befand, besteht jetzt die Besatzung nur aus 2 Bataillonen und einiger Artillerie, und fast wünschen die Einwohner die Gräuel des Kriegs zurück, die ihnen zur ergiebigen Quelle des Wohlstandes geworden sind.</p><lb/>
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[1170/0010] Weg von der Hauptstadt Spaniens über Burgos und durch die baskischen Provinzen nach Bayonne führt, zu durchwandern hat. In Spanien, dem Lande der Täuschungen und der Widersprüche, war er darauf gefaßt, Elend und Entvölkerung zu finden, wo ein sechsjähriger Bürgerkrieg hauste; er bestieg die Diligence in Madrid mit dem unangenehmen Vorgefühl, seine bewegliche Habe unterwegs den Freibeutern der Landstraße abtreten zu müssen, um wenigstens sein körperliches Daseyn erhalten zu können. Welche freudige Ueberraschung harrt seiner, wenn sich ihm, statt der erwarteten Unbilde, eine, wo die Natur es erlaubt, wohlangebaute Gegend, jede billige Anforderung befriedigende Gasthöfe, eine thätige, den Künsten des Friedens zurückgegebene Bevölkerung und aus der Asche stolz emporsteigende Prachtgebäude darbieten. – Der Reisende hat die Wahl, entweder in dem Zeitraum von nur 48 Stunden von Madrid bis an die französische Gränze (Irun) zu eilen, und zu diesem Behuf die dreimal wöchentlich abgehende Mallepost zu nehmen, in welcher neben dem Courier drei Reisende Platz haben, oder, falls er einen weniger raschen Blick auf das Land zu werfen wünscht, sich für die Diligence oder für die sogenannten Caleseros zu entscheiden. Beide gehen ebenfalls dreimal wöchentlich von Madrid nach Bayonne, und von hier dorthin zurück, so daß seit Anfang dieses Monats eine tägliche Gelegenheit stattfindet. Ein Platz in dem Coupé der Diligence kostet von Madrid bis hier, alle Trinkgelder einbegriffen, 24 Piaster, wobei der Reisende jedoch nur 24 Pfund Gepäck frei hat. Die Preise für das, was unterwegs verzehrt wird, sind – für Spanien – nicht übertrieben; auch kann man durch den Conducteur Alles vermittelst einer runden Summe abmachen lassen, und selbst in den kleinsten Städtchen Castiliens (in Buitrago, Aranda) findet man silberne Gabel und Löffel und so vortreffliches Brod, wie in keinem andern Lande Europa's. Die Diligence ist mit acht Maulthieren bespannt, die häufig gewechselt werden und den Weg rasch zurücklegen. Um 10 Uhr Vormittags verläßt man Madrid, und schläft Abends einige Stunden in Buitrago; dann übersteigt man die Somosierra und erreicht am folgenden Abend Burgos, am dritten Vitoria, am vierten Astigarraga (zwischen Hernani und Oyarzun) und am fünften Vormittags Bayonne. Die einzigen Spuren des überstandenen Kriegs, auf die man in Castilien stößt, bestehen in einigen sogenannten Forts, welche übrigens nichts Anderes sind, als mit Schießscharten versehene Häuser. Zwei Meilen vor Burgos kamen wir (Sonntags) durch ein Dorf, an dessen Eingang etwa 20 Soldaten schlagfertig aufgestellt waren, während die übrigen Truppen ihre Flinten zur Seite gesetzt hatten und in frohen Tänzen den Reizen der Dorfschönen huldigten. Ein zerlumpter Kerl stand unterdessen auf dem platten Dache der Kirche, um die Bewegungen einer Faction, deren Annäherung man befürchtete, zu beobachten. Sobald man diesseits des Ebro die Provinz Alava betritt, erblickt man in den Feldern zahlreiche Arbeiter, an deren Woynas man die dem Frieden zurückgegebenen Carlistischen Krieger erkennt. Auch stößt man auf Paare von Bewaffneten, welche unter dem Namen von Miñonez de Alava ausgerüstet sind, um über die Sicherheit der Heerstraße zu wachen, mit deren Ausbesserung andere, die Spuren durchgemachter Feldzüge tragende Arbeiter beschäftigt sind. In Vitoria, wo sich lange Zeit hindurch das Hauptquartier einer ganzen Armee befand, besteht jetzt die Besatzung nur aus 2 Bataillonen und einiger Artillerie, und fast wünschen die Einwohner die Gräuel des Kriegs zurück, die ihnen zur ergiebigen Quelle des Wohlstandes geworden sind. Beim Eintritt in die Provinz Guipuscoa stößt man auf die Trümmer verbrannter Häuser, um deren Besitz, als den Schlüssel der sich bei Ulibarri Gamboa eröffnenden Gebirgspässe, mehr als ein blutiger Kampf gefochten wurde. Man zeigte uns den Schutthaufen, wo nach dem Gefecht auf den Höhen von Arlaban eine Menge verwundeter Engländer in den Flammen umkam. Aber nur die äußern Gränzen von Guipuscoa sind mit diesen blutigen Spuren bezeichnet; das Innere gleicht einem Garten, auf dessen lieblichen Gefilden die Segnungen des Friedens Jahre lang geruht zu haben scheinen. Bei kaum anbrechendem Tage, unter herabströmendem Regen, fanden wir die Einwohner, Weiber wie Männer, an den Bergrücken vertheilt, die Früchte des Feldes einsammelnd und freundlich die Vorüberziehenden grüßend. Die Versuche einiger ausgewanderten Carlisten, mit bewaffneter Hand von Frankreich aus in Navarra und Guipuscoa aufs neue einzudringen, hatten die Behörde des Landes, die in Azpeitia residirende Provincialdeputation, veranlaßt, ein Corps von 400 Mann unter der Benennung von Miñones de Guipuscoa auszurüsten, die ein förmliches Treibjagen gegen die Eindringlinge anstellen. Sie sind aus den Tapfersten der aufgelösten Carlistischen Bataillone ausgesucht, tragen ihre alte Uniform und Waffen und flößen durch ihr wildes Ansehen den Reisenden, welche sie bis an die Gränze geleiten, einen Schrecken ein, der sich jedoch, sobald man ein Gespräch mit ihnen eröffnet, in die höchste Theilnahme und unbedingtes Zutrauen umwandelt. Jeder von ihnen erhält von der Provinz täglich 6 Realen und ein freiwilliges Geschenk von den Reisenden. Der unsere Bedeckung befehligende Chef, Don Hilarion, war Brigadier gewesen, und so berühmt durch seine Tapferkeit, daß, den Versicherungen seiner Untergebenen zufolge, zehn Mann es nicht wagen würden, es mit ihm allein aufzunehmen. Unfern von Vergara zeigte er mir die Stellungen, welche die gegenseitigen Truppen einnahmen, als die berühmte Umarmung stattfand, und in dem alterthümlichen Schlosse von Berueta den Balcon, von welchem herab Espartero die vorüberziehenden Krieger begrüßte. Während wir die Engpässe von Descarga, wo Zumalacarregui seinen ersten glänzenden Sieg erfocht, hinanfuhren, entwarf mir Hilarion ein höchst anziehendes Gemälde von dem Zustande des Landes, dessen sämmtliche Züge das Gepräge der Wahrheit trugen. An verschiedenen Stellen des Weges, so wie in Mondragon, Villareal, Villafranca trafen wir kleinere Abtheilungen von Linientruppen unter dem Gewehr, und als wir in Tolosa ankamen, war so eben der mit den Waffen in der Hand zurückgekehrte Carlistenchef Vicaña erschossen worden. Zwei andere Carlistische Officiere, die mit ihm in Verbindung gestanden hatten, wurden unter einer Bedeckung von 12 Soldaten auf die Galeeren abgeführt; in ihren bleichen Zügen waren die Spuren der Todesangst, welche sie überstanden, deutlich zu lesen. Nicht die entfernteste Möglichkeit des Gelingens neuer Versuche, den Bürgerkrieg in jenen Provinzen zu entflammen, ist vorhanden; überall betrachten die Einwohner die zurückkehrenden Eindringlinge als ihre gefährlichsten Feinde, und erblicken in der wiederhergestellten Verbindung mit den übrigen Provinzen, in den zahlreichen Reisenden, welche täglich das Land durchziehen, in der ihnen zugesicherten Aufrechthaltung ihrer volksthümlichen Einrichtungen, das sicherste Mittel, den durch den Krieg erschütterten Wohlstand wiederherzustellen. Gelitten hat derselbe, jedoch weniger als man erwarten sollte. Während die übrigen Provinzen Spaniens die ganze Last des Kriegs und alle Uebel einer ungeordneten Verwaltung zu tragen hatten, blieben die Wohnsitze der Basken und Navarresen ein

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 147. Augsburg, 26. Mai 1840, S. 1170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_147_18400526/10>, abgerufen am 28.04.2024.