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Allgemeine Zeitung. Nr. 147. Augsburg, 26. Mai 1840.

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den Truppen der Königin verschlossenes Heiligthum, und wenn mancher im Kampfe gefallen ist, so überrascht doch den Reisenden der Anblick einer zahlreichen, mannhaften und aufblühenden Bevölkerung. Mit Neid blickt der aus dem Innern des Landes herankommende Spanier auf den Wohlstand dieser Provinzen, die ihm die heilsame Lehre geben, daß treues Bewahren erprobter Einrichtungen und angestammter Sitte ein Volk gegen alle Stürme der Zeiten schützt, während die trügerischen Luftgebilde der modernen Weltverbesserer nur die Keime der Auflösung und Zerrüttung in sich tragen. Ueberall in Guipuscoa hörte ich die Einwohner noch von dem "Könige" reden, in Ausdrücken, welche die Achtung vor dem Unglück zu wiederholen verbietet.

Diesseits Tolosa werden die Gefühle des Reisenden durch den Unwillen getrübt, welchen der Anblick der Trümmer verbrannter Kirchen und Häuser in Urnieta, Andoain, Hernani erregt, ein sprechendes Denkmal, welches die englische Schutzmacht sich hier gesetzt hat. - Die französische Regierung läßt die spanische Gränze auf eine Weise bewachen, welche den Reisenden im höchsten Grade lästig fällt; von Irun bis Bayonne wurde mir der Paß nicht weniger als fünfmal abgefordert, und hier selbst werden Personen, die man für Spanier hält, durch die Gendarmen auf offener Straße angehalten. Einige junge Leute aus Bayonne, denen es einfiel, mit der Kopfbedeckung einer rothen Woyna auszugehen, wurden sogleich verhaftet und erst nach strenger Untersuchung wieder entlassen. Dabei unterläßt jedoch die französische Gewinnsucht nicht, aus der Leichtgläubigkeit der Fremden Vortheil zu ziehen. In einem Laden bot man mir Lanzen und Säbel, die von Zumalacarregui und Andern herrühren sollten, zu hohen Preisen an, und endlich wurde sogar ein Pelzrock hervorgeholt, welchen, wie der Verkäufer sagte, der Prätendent bestellt, jedoch nicht abgeholt hatte. Uebrigens hat man alle Carlistischen Notabilitäten von hier nach dem nördlichen Frankreich geschickt, und nur im Innern der Citadelle wird der bekannte Navarrese Marichalar und ein anderes Mitglied der ersten Carlistischen Junta festgehalten, weil sie erneuerte Versuche gemacht hatten, in Navarra einzudringen. Ich traf beide diesen Morgen auf den Wällen der Citadelle, wo der Commandant selbst sie spazieren führte.

Lembke.

Die Resultate des Landtags in Ungarn.

Am 13 Mai ward in Preßburg im überfüllten Saale des Primatialpalastes den Gesetzen die königliche Sanction unter endlosem Jubel ertheilt. Wie gewaltig verschieden war das Ende dieses so oft verkannten Landtags von dem der früheren, wo gewöhnlich die Parteien im letzten Augenblicke sich schroff entgegenstehend, einander mit Vorwürfen überhäuften, wo man nur heftige Protestationen hörte, wo die Besiegten ihre Zahl durch die Heftigkeit ihrer Reden zu ersetzen suchten, und ihr letztes Wort das Land zu immer sich erneuernder Agitation aufrief! Von allem diesem sah man jetzt nichts; freudig strahlten alle Augen, denn Regierung und Land standen sich nicht mehr gegenüber, der Parteikampf hatte aufgehört. - Dieses schöne Ende des stürmischen Landtags, dieses Vertrauen, das von allen Seiten sich entgegenkam, diese Zufriedenheit Aller, hat für Ungarn nicht bloß eine momentane Wichtigkeit, es ist zugleich eine Bürgschaft, daß in den nächsten drei Jahren die Agitation sich legt; denn der Landtag hat in Ungarn immer eine doppelte Bedeutung, und dieß ist es, worauf auswärtige Beobachter so wenig Rücksicht nehmen, und daher so leicht irre werden an seinem Gange; er ist in einigen Fragen der Ausdruck, in andern der Führer der öffentlichen Meinung, und der Impuls, den er gibt, verbreitet sich wie ein elektrischer Schlag bei der Nation. Bei einem Volk, das aus Jahrhunderte langem Schlaf erwacht, welches das Unbehagliche seiner, den Ideen und Bedürfnissen einer längst entschwundenen Zeit angepaßten Stellung fühlt, das die Erfahrungen der übrigen europäischen Völker nicht mitgemacht hat, das den Fortschritt wünscht, und den Weg nicht genau kennt, auf dem es ihm entgegen gehen soll, bleibt in Ermangelung der freien Presse nur die freie Discussion bei dem Landtag und den Municipalversammlungen übrig, um die Ideen zu wecken, auszutauschen, und ins Leben zu führen. Darum ist der Ton der Landtagsdebatten so heftig, denn die Stimme muß laut seyn, wenn sie hinausklingen soll aus dem Sitzungssaale und Widerhall finden in dem Herzen des Volkes - darum dreht sich die Discussion so lange um Theorien, denn sind diese einmal als Grundlage festgestellt, so erhebt sich rasch darauf das Gebäude der Gesetze, und unvermuthet steht es fertig da zur Ueberraschung derer, die es stets vergessen, daß die Theorie zu der Ausführung in demselben Verhältnisse stehe, wie der Kopf zu der Hand. Dieß geschah auch bei diesem Landtag - während heftig über Rede- und Wahlfreiheit, über Recrutenstellung und Contribution debattirt wurde, arbeiteten Deputationen emsig am Wechselrecht und an den Handelsgesetzen, an Feldpolizei und dem Erbrecht der Unterthanen, und als der Landtag sich seinem Ende nahte, fanden sich alle diese Gesetze fertig, scheinbar ein Werk der letzten Monate, während sie doch bald nach dem Anfang des Landtags iniziirt waren. Die Regierung aber förderte diesen Fortschritt, sie gab den meisten Gesetzesvorschlägen ihre Zustimmung, und machte durch ihren Gnadenact die Vorstellungen der Ständetafel verstummen. So wurden die Bande des Vertrauens gefestet, der stürmische Landtag nahm ein friedliches Ende, und fünfundfünfzig Gesetze, die hauptsächlich die Agriculturinteressen, die Belebung des Handels und der Industrie, und die festere Begründung der Nationalität bezwecken, sind die Frucht dieser schönen Eintracht.

Das wichtigste dieser Gesetze ist unstreitig der nachträgliche Urbarialartikel, und bei diesem der §. 10, der die Möglichkeit der Ablösung der bäuerlichen Lasten und Frohnen ausspricht. Schon lange ehe dieses Gesetz gebracht war, hatten sich einige Flecken freigekauft, und auch dadurch gezeigt, daß der Zustand der Unterthanen in Ungarn nicht stationär bleiben könne, daß auch diese Classe einer größern Freiheit fähig und würdig sey, daß auch die letzte Spur der Knechtschaft bei ihr verwischt werden müsse; doch waren diese Ortschaften endlosen Processen und Angriffen von Seite der Familien ihrer ehemaligen Grundherren ausgesetzt, und die Ablösung und der Freikauf einzelner Unterthanen war nicht im Gebrauch. Durch das gegenwärtige Gesetz wird nun jede solche Befreiung unumstößlich, dem Unterthan ist ein neuer Sporn zur Thätigkeit gegeben, er hat nun eine Hoffnung mehr, die ihn erheben kann, und der Grund ist gelegt zu einer neuen Classe von freien Landesbewohnern, von kleinen Besitzern, die, wie es das Beispiel anderer Länder zeigt, die beste Bürgschaft des ruhigen Fortschrittes und der gesetzlichen Ordnung sind. Lange zögerte die Regierung diese Maaßregel zu bewilligen, um der Aviticität nicht nahe zu treten, doch als sie sich endlich überzeugte, daß das Land fest darauf bestehe, stimmte auch sie bei, und erregte jenen Enthusiasmus, den ich früher erwähnte - wir aber fühlten es, daß wir jenen Fluch von uns abwälzen, den unsere Vorfahren vor dreihundert Jahren auf das Land herabbeschworen, als sie 1547 es reuig anerkannten, das Unglück, das auf Ungarn laste, sey die gerechte Strafe Gottes wegen der Bedrückung des Bauern,

den Truppen der Königin verschlossenes Heiligthum, und wenn mancher im Kampfe gefallen ist, so überrascht doch den Reisenden der Anblick einer zahlreichen, mannhaften und aufblühenden Bevölkerung. Mit Neid blickt der aus dem Innern des Landes herankommende Spanier auf den Wohlstand dieser Provinzen, die ihm die heilsame Lehre geben, daß treues Bewahren erprobter Einrichtungen und angestammter Sitte ein Volk gegen alle Stürme der Zeiten schützt, während die trügerischen Luftgebilde der modernen Weltverbesserer nur die Keime der Auflösung und Zerrüttung in sich tragen. Ueberall in Guipuscoa hörte ich die Einwohner noch von dem „Könige“ reden, in Ausdrücken, welche die Achtung vor dem Unglück zu wiederholen verbietet.

Diesseits Tolosa werden die Gefühle des Reisenden durch den Unwillen getrübt, welchen der Anblick der Trümmer verbrannter Kirchen und Häuser in Urnieta, Andoain, Hernani erregt, ein sprechendes Denkmal, welches die englische Schutzmacht sich hier gesetzt hat. – Die französische Regierung läßt die spanische Gränze auf eine Weise bewachen, welche den Reisenden im höchsten Grade lästig fällt; von Irun bis Bayonne wurde mir der Paß nicht weniger als fünfmal abgefordert, und hier selbst werden Personen, die man für Spanier hält, durch die Gendarmen auf offener Straße angehalten. Einige junge Leute aus Bayonne, denen es einfiel, mit der Kopfbedeckung einer rothen Woyna auszugehen, wurden sogleich verhaftet und erst nach strenger Untersuchung wieder entlassen. Dabei unterläßt jedoch die französische Gewinnsucht nicht, aus der Leichtgläubigkeit der Fremden Vortheil zu ziehen. In einem Laden bot man mir Lanzen und Säbel, die von Zumalacarregui und Andern herrühren sollten, zu hohen Preisen an, und endlich wurde sogar ein Pelzrock hervorgeholt, welchen, wie der Verkäufer sagte, der Prätendent bestellt, jedoch nicht abgeholt hatte. Uebrigens hat man alle Carlistischen Notabilitäten von hier nach dem nördlichen Frankreich geschickt, und nur im Innern der Citadelle wird der bekannte Navarrese Marichalar und ein anderes Mitglied der ersten Carlistischen Junta festgehalten, weil sie erneuerte Versuche gemacht hatten, in Navarra einzudringen. Ich traf beide diesen Morgen auf den Wällen der Citadelle, wo der Commandant selbst sie spazieren führte.

Lembke.

Die Resultate des Landtags in Ungarn.

Am 13 Mai ward in Preßburg im überfüllten Saale des Primatialpalastes den Gesetzen die königliche Sanction unter endlosem Jubel ertheilt. Wie gewaltig verschieden war das Ende dieses so oft verkannten Landtags von dem der früheren, wo gewöhnlich die Parteien im letzten Augenblicke sich schroff entgegenstehend, einander mit Vorwürfen überhäuften, wo man nur heftige Protestationen hörte, wo die Besiegten ihre Zahl durch die Heftigkeit ihrer Reden zu ersetzen suchten, und ihr letztes Wort das Land zu immer sich erneuernder Agitation aufrief! Von allem diesem sah man jetzt nichts; freudig strahlten alle Augen, denn Regierung und Land standen sich nicht mehr gegenüber, der Parteikampf hatte aufgehört. – Dieses schöne Ende des stürmischen Landtags, dieses Vertrauen, das von allen Seiten sich entgegenkam, diese Zufriedenheit Aller, hat für Ungarn nicht bloß eine momentane Wichtigkeit, es ist zugleich eine Bürgschaft, daß in den nächsten drei Jahren die Agitation sich legt; denn der Landtag hat in Ungarn immer eine doppelte Bedeutung, und dieß ist es, worauf auswärtige Beobachter so wenig Rücksicht nehmen, und daher so leicht irre werden an seinem Gange; er ist in einigen Fragen der Ausdruck, in andern der Führer der öffentlichen Meinung, und der Impuls, den er gibt, verbreitet sich wie ein elektrischer Schlag bei der Nation. Bei einem Volk, das aus Jahrhunderte langem Schlaf erwacht, welches das Unbehagliche seiner, den Ideen und Bedürfnissen einer längst entschwundenen Zeit angepaßten Stellung fühlt, das die Erfahrungen der übrigen europäischen Völker nicht mitgemacht hat, das den Fortschritt wünscht, und den Weg nicht genau kennt, auf dem es ihm entgegen gehen soll, bleibt in Ermangelung der freien Presse nur die freie Discussion bei dem Landtag und den Municipalversammlungen übrig, um die Ideen zu wecken, auszutauschen, und ins Leben zu führen. Darum ist der Ton der Landtagsdebatten so heftig, denn die Stimme muß laut seyn, wenn sie hinausklingen soll aus dem Sitzungssaale und Widerhall finden in dem Herzen des Volkes – darum dreht sich die Discussion so lange um Theorien, denn sind diese einmal als Grundlage festgestellt, so erhebt sich rasch darauf das Gebäude der Gesetze, und unvermuthet steht es fertig da zur Ueberraschung derer, die es stets vergessen, daß die Theorie zu der Ausführung in demselben Verhältnisse stehe, wie der Kopf zu der Hand. Dieß geschah auch bei diesem Landtag – während heftig über Rede- und Wahlfreiheit, über Recrutenstellung und Contribution debattirt wurde, arbeiteten Deputationen emsig am Wechselrecht und an den Handelsgesetzen, an Feldpolizei und dem Erbrecht der Unterthanen, und als der Landtag sich seinem Ende nahte, fanden sich alle diese Gesetze fertig, scheinbar ein Werk der letzten Monate, während sie doch bald nach dem Anfang des Landtags iniziirt waren. Die Regierung aber förderte diesen Fortschritt, sie gab den meisten Gesetzesvorschlägen ihre Zustimmung, und machte durch ihren Gnadenact die Vorstellungen der Ständetafel verstummen. So wurden die Bande des Vertrauens gefestet, der stürmische Landtag nahm ein friedliches Ende, und fünfundfünfzig Gesetze, die hauptsächlich die Agriculturinteressen, die Belebung des Handels und der Industrie, und die festere Begründung der Nationalität bezwecken, sind die Frucht dieser schönen Eintracht.

Das wichtigste dieser Gesetze ist unstreitig der nachträgliche Urbarialartikel, und bei diesem der §. 10, der die Möglichkeit der Ablösung der bäuerlichen Lasten und Frohnen ausspricht. Schon lange ehe dieses Gesetz gebracht war, hatten sich einige Flecken freigekauft, und auch dadurch gezeigt, daß der Zustand der Unterthanen in Ungarn nicht stationär bleiben könne, daß auch diese Classe einer größern Freiheit fähig und würdig sey, daß auch die letzte Spur der Knechtschaft bei ihr verwischt werden müsse; doch waren diese Ortschaften endlosen Processen und Angriffen von Seite der Familien ihrer ehemaligen Grundherren ausgesetzt, und die Ablösung und der Freikauf einzelner Unterthanen war nicht im Gebrauch. Durch das gegenwärtige Gesetz wird nun jede solche Befreiung unumstößlich, dem Unterthan ist ein neuer Sporn zur Thätigkeit gegeben, er hat nun eine Hoffnung mehr, die ihn erheben kann, und der Grund ist gelegt zu einer neuen Classe von freien Landesbewohnern, von kleinen Besitzern, die, wie es das Beispiel anderer Länder zeigt, die beste Bürgschaft des ruhigen Fortschrittes und der gesetzlichen Ordnung sind. Lange zögerte die Regierung diese Maaßregel zu bewilligen, um der Aviticität nicht nahe zu treten, doch als sie sich endlich überzeugte, daß das Land fest darauf bestehe, stimmte auch sie bei, und erregte jenen Enthusiasmus, den ich früher erwähnte – wir aber fühlten es, daß wir jenen Fluch von uns abwälzen, den unsere Vorfahren vor dreihundert Jahren auf das Land herabbeschworen, als sie 1547 es reuig anerkannten, das Unglück, das auf Ungarn laste, sey die gerechte Strafe Gottes wegen der Bedrückung des Bauern,

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[1171/0011] den Truppen der Königin verschlossenes Heiligthum, und wenn mancher im Kampfe gefallen ist, so überrascht doch den Reisenden der Anblick einer zahlreichen, mannhaften und aufblühenden Bevölkerung. Mit Neid blickt der aus dem Innern des Landes herankommende Spanier auf den Wohlstand dieser Provinzen, die ihm die heilsame Lehre geben, daß treues Bewahren erprobter Einrichtungen und angestammter Sitte ein Volk gegen alle Stürme der Zeiten schützt, während die trügerischen Luftgebilde der modernen Weltverbesserer nur die Keime der Auflösung und Zerrüttung in sich tragen. Ueberall in Guipuscoa hörte ich die Einwohner noch von dem „Könige“ reden, in Ausdrücken, welche die Achtung vor dem Unglück zu wiederholen verbietet. Diesseits Tolosa werden die Gefühle des Reisenden durch den Unwillen getrübt, welchen der Anblick der Trümmer verbrannter Kirchen und Häuser in Urnieta, Andoain, Hernani erregt, ein sprechendes Denkmal, welches die englische Schutzmacht sich hier gesetzt hat. – Die französische Regierung läßt die spanische Gränze auf eine Weise bewachen, welche den Reisenden im höchsten Grade lästig fällt; von Irun bis Bayonne wurde mir der Paß nicht weniger als fünfmal abgefordert, und hier selbst werden Personen, die man für Spanier hält, durch die Gendarmen auf offener Straße angehalten. Einige junge Leute aus Bayonne, denen es einfiel, mit der Kopfbedeckung einer rothen Woyna auszugehen, wurden sogleich verhaftet und erst nach strenger Untersuchung wieder entlassen. Dabei unterläßt jedoch die französische Gewinnsucht nicht, aus der Leichtgläubigkeit der Fremden Vortheil zu ziehen. In einem Laden bot man mir Lanzen und Säbel, die von Zumalacarregui und Andern herrühren sollten, zu hohen Preisen an, und endlich wurde sogar ein Pelzrock hervorgeholt, welchen, wie der Verkäufer sagte, der Prätendent bestellt, jedoch nicht abgeholt hatte. Uebrigens hat man alle Carlistischen Notabilitäten von hier nach dem nördlichen Frankreich geschickt, und nur im Innern der Citadelle wird der bekannte Navarrese Marichalar und ein anderes Mitglied der ersten Carlistischen Junta festgehalten, weil sie erneuerte Versuche gemacht hatten, in Navarra einzudringen. Ich traf beide diesen Morgen auf den Wällen der Citadelle, wo der Commandant selbst sie spazieren führte. Lembke. Die Resultate des Landtags in Ungarn. Am 13 Mai ward in Preßburg im überfüllten Saale des Primatialpalastes den Gesetzen die königliche Sanction unter endlosem Jubel ertheilt. Wie gewaltig verschieden war das Ende dieses so oft verkannten Landtags von dem der früheren, wo gewöhnlich die Parteien im letzten Augenblicke sich schroff entgegenstehend, einander mit Vorwürfen überhäuften, wo man nur heftige Protestationen hörte, wo die Besiegten ihre Zahl durch die Heftigkeit ihrer Reden zu ersetzen suchten, und ihr letztes Wort das Land zu immer sich erneuernder Agitation aufrief! Von allem diesem sah man jetzt nichts; freudig strahlten alle Augen, denn Regierung und Land standen sich nicht mehr gegenüber, der Parteikampf hatte aufgehört. – Dieses schöne Ende des stürmischen Landtags, dieses Vertrauen, das von allen Seiten sich entgegenkam, diese Zufriedenheit Aller, hat für Ungarn nicht bloß eine momentane Wichtigkeit, es ist zugleich eine Bürgschaft, daß in den nächsten drei Jahren die Agitation sich legt; denn der Landtag hat in Ungarn immer eine doppelte Bedeutung, und dieß ist es, worauf auswärtige Beobachter so wenig Rücksicht nehmen, und daher so leicht irre werden an seinem Gange; er ist in einigen Fragen der Ausdruck, in andern der Führer der öffentlichen Meinung, und der Impuls, den er gibt, verbreitet sich wie ein elektrischer Schlag bei der Nation. Bei einem Volk, das aus Jahrhunderte langem Schlaf erwacht, welches das Unbehagliche seiner, den Ideen und Bedürfnissen einer längst entschwundenen Zeit angepaßten Stellung fühlt, das die Erfahrungen der übrigen europäischen Völker nicht mitgemacht hat, das den Fortschritt wünscht, und den Weg nicht genau kennt, auf dem es ihm entgegen gehen soll, bleibt in Ermangelung der freien Presse nur die freie Discussion bei dem Landtag und den Municipalversammlungen übrig, um die Ideen zu wecken, auszutauschen, und ins Leben zu führen. Darum ist der Ton der Landtagsdebatten so heftig, denn die Stimme muß laut seyn, wenn sie hinausklingen soll aus dem Sitzungssaale und Widerhall finden in dem Herzen des Volkes – darum dreht sich die Discussion so lange um Theorien, denn sind diese einmal als Grundlage festgestellt, so erhebt sich rasch darauf das Gebäude der Gesetze, und unvermuthet steht es fertig da zur Ueberraschung derer, die es stets vergessen, daß die Theorie zu der Ausführung in demselben Verhältnisse stehe, wie der Kopf zu der Hand. Dieß geschah auch bei diesem Landtag – während heftig über Rede- und Wahlfreiheit, über Recrutenstellung und Contribution debattirt wurde, arbeiteten Deputationen emsig am Wechselrecht und an den Handelsgesetzen, an Feldpolizei und dem Erbrecht der Unterthanen, und als der Landtag sich seinem Ende nahte, fanden sich alle diese Gesetze fertig, scheinbar ein Werk der letzten Monate, während sie doch bald nach dem Anfang des Landtags iniziirt waren. Die Regierung aber förderte diesen Fortschritt, sie gab den meisten Gesetzesvorschlägen ihre Zustimmung, und machte durch ihren Gnadenact die Vorstellungen der Ständetafel verstummen. So wurden die Bande des Vertrauens gefestet, der stürmische Landtag nahm ein friedliches Ende, und fünfundfünfzig Gesetze, die hauptsächlich die Agriculturinteressen, die Belebung des Handels und der Industrie, und die festere Begründung der Nationalität bezwecken, sind die Frucht dieser schönen Eintracht. Das wichtigste dieser Gesetze ist unstreitig der nachträgliche Urbarialartikel, und bei diesem der §. 10, der die Möglichkeit der Ablösung der bäuerlichen Lasten und Frohnen ausspricht. Schon lange ehe dieses Gesetz gebracht war, hatten sich einige Flecken freigekauft, und auch dadurch gezeigt, daß der Zustand der Unterthanen in Ungarn nicht stationär bleiben könne, daß auch diese Classe einer größern Freiheit fähig und würdig sey, daß auch die letzte Spur der Knechtschaft bei ihr verwischt werden müsse; doch waren diese Ortschaften endlosen Processen und Angriffen von Seite der Familien ihrer ehemaligen Grundherren ausgesetzt, und die Ablösung und der Freikauf einzelner Unterthanen war nicht im Gebrauch. Durch das gegenwärtige Gesetz wird nun jede solche Befreiung unumstößlich, dem Unterthan ist ein neuer Sporn zur Thätigkeit gegeben, er hat nun eine Hoffnung mehr, die ihn erheben kann, und der Grund ist gelegt zu einer neuen Classe von freien Landesbewohnern, von kleinen Besitzern, die, wie es das Beispiel anderer Länder zeigt, die beste Bürgschaft des ruhigen Fortschrittes und der gesetzlichen Ordnung sind. Lange zögerte die Regierung diese Maaßregel zu bewilligen, um der Aviticität nicht nahe zu treten, doch als sie sich endlich überzeugte, daß das Land fest darauf bestehe, stimmte auch sie bei, und erregte jenen Enthusiasmus, den ich früher erwähnte – wir aber fühlten es, daß wir jenen Fluch von uns abwälzen, den unsere Vorfahren vor dreihundert Jahren auf das Land herabbeschworen, als sie 1547 es reuig anerkannten, das Unglück, das auf Ungarn laste, sey die gerechte Strafe Gottes wegen der Bedrückung des Bauern,

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 147. Augsburg, 26. Mai 1840, S. 1171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_147_18400526/11>, abgerufen am 28.04.2024.