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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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9 -- hell,
10 -- schwarz,
11 -- schwarzja,
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12 -- schwarznein,
13 -- schwarzschön,
14 -- schwarzwild, u. s. w.

Dagegen werden die Zahlen nach zwanzig noch farbiger:

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20 -- gelb,
30 -- roth,
40 -- blau,
50 -- grün,
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60 -- weiß,
70 -- grau,
80 -- braun,
90 -- g'färbt!
100 dagegen ist Hans und
1000 Hansel.

Verliert man sich dabei in Beispiele, wie zur Bezeichnung
des Lebensalters, so wird ein Grüner plötzlich weiß, dann erst
grau, dann braun, und wenn es sehr hoch kommt, g'färbt.
Das schlichte, correcte Einmaleins bringt eine furchtbare Revolu-
tion in die Theorie der Farben, und die christliche Jahreszahl 1861
ist: Hansel klein Hans weiß ja!

Wenn man bei von Train nur mit immer steigender eigen-
thümlicher Verlegenheit auf jeder Seite die Ueberzeugung gewinnt,
daß er sich auf ein Feld gewagt hat, auf welchem er bei jedem
Schritte strauchelt, so kann man doch nicht anders, als diesen
octroyirten Beitrag zur Gaunerlinguistik reinweg für den barsten
Galimatias erklären, zu welchem die Gaunersprache sich noch
niemals herbeigelassen hat und welcher allem möglichen Unsinn
Thor und Thür in die Gaunersprache öffnen muß, um alles
sprachliche Verständniß aufzuheben und dafür in der That völlig
unartikulirte Laute zu substituiren.

Wirft man den Blick zurück auf die ganze unheimliche Er-
scheinung, welche nur aus platter Unwissenheit und bodenlosem
Aberglauben entsprungen war und länger als zwei Jahrhunderte
in den Köpfen vieler Gelehrten spukte: so muß man über den in-
nern Wucher und die dämonische Gewalt der Erscheinung staunen,
daß bei der offenliegenden Sinnlosigkeit der Erscheinung doch eine
solche Methode des baren Unsinns aufkommen konnte, wie sie bei
Aepinus so erschreckend frei und unbefangen sogar dem methodi-
schen Unterricht der Jugend sich aufdrängte. Der Triumph des

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9 — hell,
10 — ſchwarz,
11 — ſchwarzja,
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12 — ſchwarznein,
13 — ſchwarzſchön,
14 — ſchwarzwild, u. ſ. w.

Dagegen werden die Zahlen nach zwanzig noch farbiger:

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20 — gelb,
30 — roth,
40 — blau,
50 — grün,
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60 — weiß,
70 — grau,
80 — braun,
90 — g’färbt!
100 dagegen iſt Hans und
1000 Hanſel.

Verliert man ſich dabei in Beiſpiele, wie zur Bezeichnung
des Lebensalters, ſo wird ein Grüner plötzlich weiß, dann erſt
grau, dann braun, und wenn es ſehr hoch kommt, g’färbt.
Das ſchlichte, correcte Einmaleins bringt eine furchtbare Revolu-
tion in die Theorie der Farben, und die chriſtliche Jahreszahl 1861
iſt: Hanſel klein Hans weiß ja!

Wenn man bei von Train nur mit immer ſteigender eigen-
thümlicher Verlegenheit auf jeder Seite die Ueberzeugung gewinnt,
daß er ſich auf ein Feld gewagt hat, auf welchem er bei jedem
Schritte ſtrauchelt, ſo kann man doch nicht anders, als dieſen
octroyirten Beitrag zur Gaunerlinguiſtik reinweg für den barſten
Galimatias erklären, zu welchem die Gaunerſprache ſich noch
niemals herbeigelaſſen hat und welcher allem möglichen Unſinn
Thor und Thür in die Gaunerſprache öffnen muß, um alles
ſprachliche Verſtändniß aufzuheben und dafür in der That völlig
unartikulirte Laute zu ſubſtituiren.

Wirft man den Blick zurück auf die ganze unheimliche Er-
ſcheinung, welche nur aus platter Unwiſſenheit und bodenloſem
Aberglauben entſprungen war und länger als zwei Jahrhunderte
in den Köpfen vieler Gelehrten ſpukte: ſo muß man über den in-
nern Wucher und die dämoniſche Gewalt der Erſcheinung ſtaunen,
daß bei der offenliegenden Sinnloſigkeit der Erſcheinung doch eine
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[192/0226] 9 — hell, 10 — ſchwarz, 11 — ſchwarzja, 12 — ſchwarznein, 13 — ſchwarzſchön, 14 — ſchwarzwild, u. ſ. w. Dagegen werden die Zahlen nach zwanzig noch farbiger: 20 — gelb, 30 — roth, 40 — blau, 50 — grün, 60 — weiß, 70 — grau, 80 — braun, 90 — g’färbt! 100 dagegen iſt Hans und 1000 Hanſel. Verliert man ſich dabei in Beiſpiele, wie zur Bezeichnung des Lebensalters, ſo wird ein Grüner plötzlich weiß, dann erſt grau, dann braun, und wenn es ſehr hoch kommt, g’färbt. Das ſchlichte, correcte Einmaleins bringt eine furchtbare Revolu- tion in die Theorie der Farben, und die chriſtliche Jahreszahl 1861 iſt: Hanſel klein Hans weiß ja! Wenn man bei von Train nur mit immer ſteigender eigen- thümlicher Verlegenheit auf jeder Seite die Ueberzeugung gewinnt, daß er ſich auf ein Feld gewagt hat, auf welchem er bei jedem Schritte ſtrauchelt, ſo kann man doch nicht anders, als dieſen octroyirten Beitrag zur Gaunerlinguiſtik reinweg für den barſten Galimatias erklären, zu welchem die Gaunerſprache ſich noch niemals herbeigelaſſen hat und welcher allem möglichen Unſinn Thor und Thür in die Gaunerſprache öffnen muß, um alles ſprachliche Verſtändniß aufzuheben und dafür in der That völlig unartikulirte Laute zu ſubſtituiren. Wirft man den Blick zurück auf die ganze unheimliche Er- ſcheinung, welche nur aus platter Unwiſſenheit und bodenloſem Aberglauben entſprungen war und länger als zwei Jahrhunderte in den Köpfen vieler Gelehrten ſpukte: ſo muß man über den in- nern Wucher und die dämoniſche Gewalt der Erſcheinung ſtaunen, daß bei der offenliegenden Sinnloſigkeit der Erſcheinung doch eine ſolche Methode des baren Unſinns aufkommen konnte, wie ſie bei Aepinus ſo erſchreckend frei und unbefangen ſogar dem methodi- ſchen Unterricht der Jugend ſich aufdrängte. Der Triumph des

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/226>, abgerufen am 30.04.2024.