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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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schuld und auf den Taubenflug als haruspicium bezogen. Einen
Unzelmann machen,
sich verstellen, einem etwas vorlügen, ur-
sprünglich Huzzelmann (von huzzeln, husseln, quälen, verspot-
ten, vgl. Hutz Th. III, S. 103, Note 1, sowie Schmid, a. a. O.,
S. 293), hier auf eine berühmte Theaterpersönlichkeit bezogen, wie
solche Bezeichnungen in der englischen Gaunersprache eine beson-
dere Abtheilung, rhyming slang, ausmachen, wovon bereits Th. III,
S. 127 die Rede gewesen ist.

Zimmermann's Wörterbuch ist ein ehrenvolles Zeugniß seiner
hellen Auffassung und geistvollen Ausbeutung der in seiner amt-
lichen Praxis gemachten reichen Erfahrungen. Bescheiden hat er
in der Ueberschrift das Werkchen nur auf die berliner Gauner-
sprache beschränkt; doch ist es für jeden deutschen Polizeimann
interessant und belehrend, und, obschon Zimmermann nichts weniger
als linguistisches Studium und kritisches Geschick zeigt und obfchon
das Wörterbuch an Umfang nur gering ist, unbestreitbar das beste
Gaunerwörterbuch, welches bisjetzt in Preußen zum Vorschein ge-
kommen ist und mit welchem die Wörterbücher von Falkenberg und
Thiele, geschweige denn die ihrer unwissenden Epigonen an inne-
rer Wahrheit, Unbefangenheit und Abrundung lange nicht den
Vergleich aushalten.



Neununddreißigstes Kapitel.
gg) Die rotwelschen Epigonen.

So vereinzelt alle bisher angeführten geschichtlichen Urkunden
der Gaunersprache dastehen, so kann man doch aus ihrer Folge
und aus ihrer Gesammtheit schon von der ersten Urkunde an die
Gaunersprache als eine eigenthümliche fertige Ausdrucksweise der
weitverbreiteten verbrecherischen Genossenschaft erkennen, welche mit
ungemeiner Behendigkeit und Freiheit durch das gesammte Volk
zu schlüpfen und dasselbe mit seinem Leben und Verkehr, mit sei-
ner Sitte und Sprache erschöpfend auszubeuten verstand. Diese

ſchuld und auf den Taubenflug als haruspicium bezogen. Einen
Unzelmann machen,
ſich verſtellen, einem etwas vorlügen, ur-
ſprünglich Huzzelmann (von huzzeln, huſſeln, quälen, verſpot-
ten, vgl. Hutz Th. III, S. 103, Note 1, ſowie Schmid, a. a. O.,
S. 293), hier auf eine berühmte Theaterperſönlichkeit bezogen, wie
ſolche Bezeichnungen in der engliſchen Gaunerſprache eine beſon-
dere Abtheilung, rhyming slang, ausmachen, wovon bereits Th. III,
S. 127 die Rede geweſen iſt.

Zimmermann’s Wörterbuch iſt ein ehrenvolles Zeugniß ſeiner
hellen Auffaſſung und geiſtvollen Ausbeutung der in ſeiner amt-
lichen Praxis gemachten reichen Erfahrungen. Beſcheiden hat er
in der Ueberſchrift das Werkchen nur auf die berliner Gauner-
ſprache beſchränkt; doch iſt es für jeden deutſchen Polizeimann
intereſſant und belehrend, und, obſchon Zimmermann nichts weniger
als linguiſtiſches Studium und kritiſches Geſchick zeigt und obfchon
das Wörterbuch an Umfang nur gering iſt, unbeſtreitbar das beſte
Gaunerwörterbuch, welches bisjetzt in Preußen zum Vorſchein ge-
kommen iſt und mit welchem die Wörterbücher von Falkenberg und
Thiele, geſchweige denn die ihrer unwiſſenden Epigonen an inne-
rer Wahrheit, Unbefangenheit und Abrundung lange nicht den
Vergleich aushalten.



Neununddreißigſtes Kapitel.
gg) Die rotwelſchen Epigonen.

So vereinzelt alle bisher angeführten geſchichtlichen Urkunden
der Gaunerſprache daſtehen, ſo kann man doch aus ihrer Folge
und aus ihrer Geſammtheit ſchon von der erſten Urkunde an die
Gaunerſprache als eine eigenthümliche fertige Ausdrucksweiſe der
weitverbreiteten verbrecheriſchen Genoſſenſchaft erkennen, welche mit
ungemeiner Behendigkeit und Freiheit durch das geſammte Volk
zu ſchlüpfen und daſſelbe mit ſeinem Leben und Verkehr, mit ſei-
ner Sitte und Sprache erſchöpfend auszubeuten verſtand. Dieſe

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[267/0279] ſchuld und auf den Taubenflug als haruspicium bezogen. Einen Unzelmann machen, ſich verſtellen, einem etwas vorlügen, ur- ſprünglich Huzzelmann (von huzzeln, huſſeln, quälen, verſpot- ten, vgl. Hutz Th. III, S. 103, Note 1, ſowie Schmid, a. a. O., S. 293), hier auf eine berühmte Theaterperſönlichkeit bezogen, wie ſolche Bezeichnungen in der engliſchen Gaunerſprache eine beſon- dere Abtheilung, rhyming slang, ausmachen, wovon bereits Th. III, S. 127 die Rede geweſen iſt. Zimmermann’s Wörterbuch iſt ein ehrenvolles Zeugniß ſeiner hellen Auffaſſung und geiſtvollen Ausbeutung der in ſeiner amt- lichen Praxis gemachten reichen Erfahrungen. Beſcheiden hat er in der Ueberſchrift das Werkchen nur auf die berliner Gauner- ſprache beſchränkt; doch iſt es für jeden deutſchen Polizeimann intereſſant und belehrend, und, obſchon Zimmermann nichts weniger als linguiſtiſches Studium und kritiſches Geſchick zeigt und obfchon das Wörterbuch an Umfang nur gering iſt, unbeſtreitbar das beſte Gaunerwörterbuch, welches bisjetzt in Preußen zum Vorſchein ge- kommen iſt und mit welchem die Wörterbücher von Falkenberg und Thiele, geſchweige denn die ihrer unwiſſenden Epigonen an inne- rer Wahrheit, Unbefangenheit und Abrundung lange nicht den Vergleich aushalten. Neununddreißigſtes Kapitel. gg) Die rotwelſchen Epigonen. So vereinzelt alle bisher angeführten geſchichtlichen Urkunden der Gaunerſprache daſtehen, ſo kann man doch aus ihrer Folge und aus ihrer Geſammtheit ſchon von der erſten Urkunde an die Gaunerſprache als eine eigenthümliche fertige Ausdrucksweiſe der weitverbreiteten verbrecheriſchen Genoſſenſchaft erkennen, welche mit ungemeiner Behendigkeit und Freiheit durch das geſammte Volk zu ſchlüpfen und daſſelbe mit ſeinem Leben und Verkehr, mit ſei- ner Sitte und Sprache erſchöpfend auszubeuten verſtand. Dieſe

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/279>, abgerufen am 29.04.2024.