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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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der andern eine eigenmächtige sinnlose Wortbildnerei, an welcher,
bei dem Mangel einer reellen Kenntniß der Gaunersprache und ihrer
Kritik, die übelste Eitelkeit, Unwissenheit und Verwegenheit gleichen
Antheil haben und welche meistentheils eine so kecke Mystification wie
das berüchtigte "Jägerlatein", theilweise aber auch der noch mehr
psychologisch als linguistisch merkwürdige Ausdruck einer auf Sprach-
forschung gerichteten Jdiosynkrasie ist, an welcher z. B. von Train's
wunderbares "Chochemer Loschen" unheilbar leidet. Man kann
die weitläufige Anführung und Kritik dieser zahlreichen rotwelschen
Epigonen wol füglich unterlassen, da man sie schon auf den ersten
Blick an den consequent wiedergegebenen Druck-, Verständniß-
und grammatischen Fehlern ihrer literarischen Quellen erkennt, aus
denen weit bestimmter die Sünde des ersten Setzers als das Ge-
heimniß des Gaunerthums offenbar wird. Ohnehin hat Thiele
nach seiner Weise einzelne dieser Epigonen die Musterung passiren
lassen, womit es denn sein Bewenden haben mag, ohne Thiele's
Kritik selbst gut zu heißen. Denn es wäre ungerecht zu verken-
nen, daß unter der vielen Spreu nicht auch manche gute Körner
gefunden werden könnten, und jedenfalls sind die wenn auch im-
mer nur mit sehr großer Vorsicht zu gebrauchenden Wörterbücher
von J. C. F. C. Sommer (hinter S. A. Krafft's "Juristisch-
praktischem Wörterbuch". Erlangen 1821), von J. G. Krünitz
("Encyklopädie", CXXVIII, 26 fg.) und von R. Fröhlich ("Die
gefährlichen Klassen Wiens". Wien 1851), obschon nur Compila-
tionen, anerkennenswerthe Ausnahmen.



Vierzigstes Kapitel.
2) Die grammatische Bearbeitung.
a) Einleitung.

Wenn man auch aus der Gesammtheit der in historischer
Reihenfolge bisher aufgeführten gaunersprachlichen Erscheinungen
allerdings eine stets fortschreitende und zwar immer auch den Wan-

der andern eine eigenmächtige ſinnloſe Wortbildnerei, an welcher,
bei dem Mangel einer reellen Kenntniß der Gaunerſprache und ihrer
Kritik, die übelſte Eitelkeit, Unwiſſenheit und Verwegenheit gleichen
Antheil haben und welche meiſtentheils eine ſo kecke Myſtification wie
das berüchtigte „Jägerlatein“, theilweiſe aber auch der noch mehr
pſychologiſch als linguiſtiſch merkwürdige Ausdruck einer auf Sprach-
forſchung gerichteten Jdioſynkraſie iſt, an welcher z. B. von Train’s
wunderbares „Chochemer Loſchen“ unheilbar leidet. Man kann
die weitläufige Anführung und Kritik dieſer zahlreichen rotwelſchen
Epigonen wol füglich unterlaſſen, da man ſie ſchon auf den erſten
Blick an den conſequent wiedergegebenen Druck-, Verſtändniß-
und grammatiſchen Fehlern ihrer literariſchen Quellen erkennt, aus
denen weit beſtimmter die Sünde des erſten Setzers als das Ge-
heimniß des Gaunerthums offenbar wird. Ohnehin hat Thiele
nach ſeiner Weiſe einzelne dieſer Epigonen die Muſterung paſſiren
laſſen, womit es denn ſein Bewenden haben mag, ohne Thiele’s
Kritik ſelbſt gut zu heißen. Denn es wäre ungerecht zu verken-
nen, daß unter der vielen Spreu nicht auch manche gute Körner
gefunden werden könnten, und jedenfalls ſind die wenn auch im-
mer nur mit ſehr großer Vorſicht zu gebrauchenden Wörterbücher
von J. C. F. C. Sommer (hinter S. A. Krafft’s „Juriſtiſch-
praktiſchem Wörterbuch“. Erlangen 1821), von J. G. Krünitz
(„Encyklopädie“, CXXVIII, 26 fg.) und von R. Fröhlich („Die
gefährlichen Klaſſen Wiens“. Wien 1851), obſchon nur Compila-
tionen, anerkennenswerthe Ausnahmen.



Vierzigſtes Kapitel.
2) Die grammatiſche Bearbeitung.
a) Einleitung.

Wenn man auch aus der Geſammtheit der in hiſtoriſcher
Reihenfolge bisher aufgeführten gaunerſprachlichen Erſcheinungen
allerdings eine ſtets fortſchreitende und zwar immer auch den Wan-

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[269/0281] der andern eine eigenmächtige ſinnloſe Wortbildnerei, an welcher, bei dem Mangel einer reellen Kenntniß der Gaunerſprache und ihrer Kritik, die übelſte Eitelkeit, Unwiſſenheit und Verwegenheit gleichen Antheil haben und welche meiſtentheils eine ſo kecke Myſtification wie das berüchtigte „Jägerlatein“, theilweiſe aber auch der noch mehr pſychologiſch als linguiſtiſch merkwürdige Ausdruck einer auf Sprach- forſchung gerichteten Jdioſynkraſie iſt, an welcher z. B. von Train’s wunderbares „Chochemer Loſchen“ unheilbar leidet. Man kann die weitläufige Anführung und Kritik dieſer zahlreichen rotwelſchen Epigonen wol füglich unterlaſſen, da man ſie ſchon auf den erſten Blick an den conſequent wiedergegebenen Druck-, Verſtändniß- und grammatiſchen Fehlern ihrer literariſchen Quellen erkennt, aus denen weit beſtimmter die Sünde des erſten Setzers als das Ge- heimniß des Gaunerthums offenbar wird. Ohnehin hat Thiele nach ſeiner Weiſe einzelne dieſer Epigonen die Muſterung paſſiren laſſen, womit es denn ſein Bewenden haben mag, ohne Thiele’s Kritik ſelbſt gut zu heißen. Denn es wäre ungerecht zu verken- nen, daß unter der vielen Spreu nicht auch manche gute Körner gefunden werden könnten, und jedenfalls ſind die wenn auch im- mer nur mit ſehr großer Vorſicht zu gebrauchenden Wörterbücher von J. C. F. C. Sommer (hinter S. A. Krafft’s „Juriſtiſch- praktiſchem Wörterbuch“. Erlangen 1821), von J. G. Krünitz („Encyklopädie“, CXXVIII, 26 fg.) und von R. Fröhlich („Die gefährlichen Klaſſen Wiens“. Wien 1851), obſchon nur Compila- tionen, anerkennenswerthe Ausnahmen. Vierzigſtes Kapitel. 2) Die grammatiſche Bearbeitung. a) Einleitung. Wenn man auch aus der Geſammtheit der in hiſtoriſcher Reihenfolge bisher aufgeführten gaunerſprachlichen Erſcheinungen allerdings eine ſtets fortſchreitende und zwar immer auch den Wan-

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/281>, abgerufen am 28.04.2024.