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Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

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hatte, den irrenden Ritter in der Ferne, dem sie viel zu
hoch stand, als daß er auch nur unziemlich an sie zu
denken gewagt hätte. Das ist nicht ersetzt worden.
Fidelis. Sie wünschen sich einen platonischen Ehe-
bruch?
Eva (lebhaft zustimmend). Ja das wär's! Das wünscht
sich doch jede Frau! (Tonwechsel; nun wieder ganz gewöhn-
lich plappernd; sehr rasch.)
Das heißt, wünscht? Was
wissen denn die meisten, was sie sich wünschen, sie tappen
eben so zu und dann tappen sie hinein, das heißt, sie
tappen gar nicht, sie werden getappt, es wünscht sich's
ja keine, die Schuld hat doch immer der Mann, denn
eine Frau, die sich dazu nicht geradezu gezwungen sieht,
die würde nie -- das heißt, nie? Die meisten Frauen
sind ja so dumm, bei denen ist alles möglich.
Fidelis (nachdenklich geworden). Wenn sich eine Frau
nicht geradezu dazu gezwungen sieht? Das scheint mir
vielleicht doch ein bißchen viel gesagt.
Eva (lebhaft). Gezwungen, glauben Sie mir! Das
heißt, es kann ja manchmal schon auch ein ganz leiser
Zwang, nicht wahr? (Lacht.) Aber eigentlich will die
Frau das nicht! Sie wünscht sich's vielleicht, das ist was
anderes, aber sie will es nicht. Wir alle, wie wir da sind,
möchten euch treu bleiben! (Tonwechsel; nun wieder sehr
heftig und erbittert.)
Man soll aber nur nicht, ein Mann
darf aber doch nicht glauben, das muß so sein! Und diese
Grandezza, mit der es als ein schuldiger Tribut hinge-
nommen wird -- also das hat für mich etwas direkt Auf-
reizendes! Aber alle Männer sind so! Ich muß mich
oft zurückhalten, um mancher Frau nicht zu sagen: Zei-
hatte, den irrenden Ritter in der Ferne, dem ſie viel zu
hoch ſtand, als daß er auch nur unziemlich an ſie zu
denken gewagt hätte. Das iſt nicht erſetzt worden.
Fidelis. Sie wünſchen ſich einen platoniſchen Ehe-
bruch?
Eva (lebhaft zuſtimmend). Ja das wär's! Das wünſcht
ſich doch jede Frau! (Tonwechſel; nun wieder ganz gewoͤhn-
lich plappernd; ſehr raſch.)
Das heißt, wünſcht? Was
wiſſen denn die meiſten, was ſie ſich wünſchen, ſie tappen
eben ſo zu und dann tappen ſie hinein, das heißt, ſie
tappen gar nicht, ſie werden getappt, es wünſcht ſich's
ja keine, die Schuld hat doch immer der Mann, denn
eine Frau, die ſich dazu nicht geradezu gezwungen ſieht,
die würde nie — das heißt, nie? Die meiſten Frauen
ſind ja ſo dumm, bei denen iſt alles möglich.
Fidelis (nachdenklich geworden). Wenn ſich eine Frau
nicht geradezu dazu gezwungen ſieht? Das ſcheint mir
vielleicht doch ein bißchen viel geſagt.
Eva (lebhaft). Gezwungen, glauben Sie mir! Das
heißt, es kann ja manchmal ſchon auch ein ganz leiſer
Zwang, nicht wahr? (Lacht.) Aber eigentlich will die
Frau das nicht! Sie wünſcht ſich's vielleicht, das iſt was
anderes, aber ſie will es nicht. Wir alle, wie wir da ſind,
möchten euch treu bleiben! (Tonwechſel; nun wieder ſehr
heftig und erbittert.)
Man ſoll aber nur nicht, ein Mann
darf aber doch nicht glauben, das muß ſo ſein! Und dieſe
Grandezza, mit der es als ein ſchuldiger Tribut hinge-
nommen wird — alſo das hat für mich etwas direkt Auf-
reizendes! Aber alle Männer ſind ſo! Ich muß mich
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[80/0086] hatte, den irrenden Ritter in der Ferne, dem ſie viel zu hoch ſtand, als daß er auch nur unziemlich an ſie zu denken gewagt hätte. Das iſt nicht erſetzt worden. Fidelis. Sie wünſchen ſich einen platoniſchen Ehe- bruch? Eva (lebhaft zuſtimmend). Ja das wär's! Das wünſcht ſich doch jede Frau! (Tonwechſel; nun wieder ganz gewoͤhn- lich plappernd; ſehr raſch.) Das heißt, wünſcht? Was wiſſen denn die meiſten, was ſie ſich wünſchen, ſie tappen eben ſo zu und dann tappen ſie hinein, das heißt, ſie tappen gar nicht, ſie werden getappt, es wünſcht ſich's ja keine, die Schuld hat doch immer der Mann, denn eine Frau, die ſich dazu nicht geradezu gezwungen ſieht, die würde nie — das heißt, nie? Die meiſten Frauen ſind ja ſo dumm, bei denen iſt alles möglich. Fidelis (nachdenklich geworden). Wenn ſich eine Frau nicht geradezu dazu gezwungen ſieht? Das ſcheint mir vielleicht doch ein bißchen viel geſagt. Eva (lebhaft). Gezwungen, glauben Sie mir! Das heißt, es kann ja manchmal ſchon auch ein ganz leiſer Zwang, nicht wahr? (Lacht.) Aber eigentlich will die Frau das nicht! Sie wünſcht ſich's vielleicht, das iſt was anderes, aber ſie will es nicht. Wir alle, wie wir da ſind, möchten euch treu bleiben! (Tonwechſel; nun wieder ſehr heftig und erbittert.) Man ſoll aber nur nicht, ein Mann darf aber doch nicht glauben, das muß ſo ſein! Und dieſe Grandezza, mit der es als ein ſchuldiger Tribut hinge- nommen wird — alſo das hat für mich etwas direkt Auf- reizendes! Aber alle Männer ſind ſo! Ich muß mich oft zurückhalten, um mancher Frau nicht zu ſagen: Zei-

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Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/86>, abgerufen am 29.04.2024.