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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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der Menschheit besser hüten, als tröstende Vorspiegelungen,
die, wenn sie nichtig verwehen, mit um so härterem Fall den
bedrohen, der auf sie sich stützen zu können wähnte. Auch
hier wird an die Stelle des Meinen und Scheinen, der trüge-
rischen Glaubensschwankungen*), dann der deutlich klare Aus-
spruch des Wissens treten, dem jedesmal erreichten Stufen-
grade gemäss. Für solch naturwissenschaftliche Durchbildung
der Psychologie in der Wissenschaft vom Menschen hat die
Ethnologie das Material zu beschaffen, -- und rasch**) mög-
lich, ehe zu spät dafür auf immer (wie es droht).

*) In den Disputationen unter den Sung verwerfen die Confucianisten
die Vorspiegelungen von Himmel und Hölle, da die Uebung des Guten
aus dem Pflichtgefühl hervortreiben müsse, wogegen die Buddhisten den
Hoffnungsanker in der Zukunft nicht fahren lassen wollten. Da dieser jedoch
in eschatologischen Ausmalungen der Phantasie, die ausserhalb der Be-
meisterungen durch verständliches Denken fallen, keinen zuverlässigen Halt
finden dürfte, hat er im Bewusstsein eigenen Selbstinteresses zu haften,
in der Ueberzeugung, dass geistige Gesundheit, als in sich harmonisch,
mit den allgemeinen Harmonien des rings umrauschenden Sphärengesang's
im Einklang bleiben wird, im jeglichen Daseins-Momente, für den die Zeit,
als planetarische Kategorien-Auffassung, sich annullirt (wie das Räumliche
im Psychischen an sich).
**) Die Schöpfung der vergänglichen (als dritten) Welt oder Savalo-
kadhatu geht aus von der zweiten, im zweiten Dhyana beginnend und im
ersten (dem Sitz der Brahma parichadyas, der Brahma purohitas und der
Mahabrahmas) seine Vollendung erhaltend, (aus Brahma's Logos). Die in
Hinwendung zum Nam-dhamma befreiten Gedanken, stossen bei Neu-Ord-
nung der Dhatu, in der Gravitation der Rupa nach abwärts, auf die
gröberen Elemente und versinken wiederum, durch Ate bethört, in's Dunkel
der Awidya. Freilich lassen sich die Megga weiter verfolgen bis zum
vierten oder fünften Dhyana, an die Gestade des zur Vollkommenheit
führenden Thoda-Stromes, aber vor dem Nirvriti kein Heil, denn selbst
über den Akanishta-Himmel hinaus, in die Arupa-Höhen sogar, verfolgt
die Kharma oder Kamma (während im energischeren Sinne der Hellenen
Zeus pater der presba Dios thugater seine strafende Hand fühlen liess,
als tous theous epinissetai ate, und über ihr Grab des heiligen Ilium ge-
baut wurde, das freilich seinem Schicksal nicht entging). Als Buddha die
ersten seiner Erlösungsworte den frommen Büsserpaare Vaisali's zu Gute
kommen lassen wollte, hörte er zu seinem Bedauern, von ihrem gerade
am Tage zuvor erfolgten Tode, erkennend, dass sie nach der Arupa-Welt

der Menschheit besser hüten, als tröstende Vorspiegelungen,
die, wenn sie nichtig verwehen, mit um so härterem Fall den
bedrohen, der auf sie sich stützen zu können wähnte. Auch
hier wird an die Stelle des Meinen und Scheinen, der trüge-
rischen Glaubensschwankungen*), dann der deutlich klare Aus-
spruch des Wissens treten, dem jedesmal erreichten Stufen-
grade gemäss. Für solch naturwissenschaftliche Durchbildung
der Psychologie in der Wissenschaft vom Menschen hat die
Ethnologie das Material zu beschaffen, — und rasch**) mög-
lich, ehe zu spät dafür auf immer (wie es droht).

*) In den Disputationen unter den Sung verwerfen die Confucianisten
die Vorspiegelungen von Himmel und Hölle, da die Uebung des Guten
aus dem Pflichtgefühl hervortreiben müsse, wogegen die Buddhisten den
Hoffnungsanker in der Zukunft nicht fahren lassen wollten. Da dieser jedoch
in eschatologischen Ausmalungen der Phantasie, die ausserhalb der Be-
meisterungen durch verständliches Denken fallen, keinen zuverlässigen Halt
finden dürfte, hat er im Bewusstsein eigenen Selbstinteresses zu haften,
in der Ueberzeugung, dass geistige Gesundheit, als in sich harmonisch,
mit den allgemeinen Harmonien des rings umrauschenden Sphärengesang’s
im Einklang bleiben wird, im jeglichen Daseins-Momente, für den die Zeit,
als planetarische Kategorien-Auffassung, sich annullirt (wie das Räumliche
im Psychischen an sich).
**) Die Schöpfung der vergänglichen (als dritten) Welt oder Savalo-
kadhatu geht aus von der zweiten, im zweiten Dhyana beginnend und im
ersten (dem Sitz der Brahma parichadyas, der Brahma purohitas und der
Mahabrahmas) seine Vollendung erhaltend, (aus Brahma’s Logos). Die in
Hinwendung zum Nam-dhamma befreiten Gedanken, stossen bei Neu-Ord-
nung der Dhatu, in der Gravitation der Rupa nach abwärts, auf die
gröberen Elemente und versinken wiederum, durch Ate bethört, in’s Dunkel
der Awidya. Freilich lassen sich die Megga weiter verfolgen bis zum
vierten oder fünften Dhyana, an die Gestade des zur Vollkommenheit
führenden Thoda-Stromes, aber vor dem Nirvriti kein Heil, denn selbst
über den Akanishta-Himmel hinaus, in die Arupa-Höhen sogar, verfolgt
die Kharma oder Kamma (während im energischeren Sinne der Hellenen
Ζεῦς πατήρ der πρέσβα Διός ϑυγάτηρ seine strafende Hand fühlen liess,
als τούς ϑεούς έπινίσσεται ἄτη, und über ihr Grab des heiligen Ilium ge-
baut wurde, das freilich seinem Schicksal nicht entging). Als Buddha die
ersten seiner Erlösungsworte den frommen Büsserpaare Vaisali’s zu Gute
kommen lassen wollte, hörte er zu seinem Bedauern, von ihrem gerade
am Tage zuvor erfolgten Tode, erkennend, dass sie nach der Arupa-Welt
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[139/0173] der Menschheit besser hüten, als tröstende Vorspiegelungen, die, wenn sie nichtig verwehen, mit um so härterem Fall den bedrohen, der auf sie sich stützen zu können wähnte. Auch hier wird an die Stelle des Meinen und Scheinen, der trüge- rischen Glaubensschwankungen *), dann der deutlich klare Aus- spruch des Wissens treten, dem jedesmal erreichten Stufen- grade gemäss. Für solch naturwissenschaftliche Durchbildung der Psychologie in der Wissenschaft vom Menschen hat die Ethnologie das Material zu beschaffen, — und rasch **) mög- lich, ehe zu spät dafür auf immer (wie es droht). *) In den Disputationen unter den Sung verwerfen die Confucianisten die Vorspiegelungen von Himmel und Hölle, da die Uebung des Guten aus dem Pflichtgefühl hervortreiben müsse, wogegen die Buddhisten den Hoffnungsanker in der Zukunft nicht fahren lassen wollten. Da dieser jedoch in eschatologischen Ausmalungen der Phantasie, die ausserhalb der Be- meisterungen durch verständliches Denken fallen, keinen zuverlässigen Halt finden dürfte, hat er im Bewusstsein eigenen Selbstinteresses zu haften, in der Ueberzeugung, dass geistige Gesundheit, als in sich harmonisch, mit den allgemeinen Harmonien des rings umrauschenden Sphärengesang’s im Einklang bleiben wird, im jeglichen Daseins-Momente, für den die Zeit, als planetarische Kategorien-Auffassung, sich annullirt (wie das Räumliche im Psychischen an sich). **) Die Schöpfung der vergänglichen (als dritten) Welt oder Savalo- kadhatu geht aus von der zweiten, im zweiten Dhyana beginnend und im ersten (dem Sitz der Brahma parichadyas, der Brahma purohitas und der Mahabrahmas) seine Vollendung erhaltend, (aus Brahma’s Logos). Die in Hinwendung zum Nam-dhamma befreiten Gedanken, stossen bei Neu-Ord- nung der Dhatu, in der Gravitation der Rupa nach abwärts, auf die gröberen Elemente und versinken wiederum, durch Ate bethört, in’s Dunkel der Awidya. Freilich lassen sich die Megga weiter verfolgen bis zum vierten oder fünften Dhyana, an die Gestade des zur Vollkommenheit führenden Thoda-Stromes, aber vor dem Nirvriti kein Heil, denn selbst über den Akanishta-Himmel hinaus, in die Arupa-Höhen sogar, verfolgt die Kharma oder Kamma (während im energischeren Sinne der Hellenen Ζεῦς πατήρ der πρέσβα Διός ϑυγάτηρ seine strafende Hand fühlen liess, als τούς ϑεούς έπινίσσεται ἄτη, und über ihr Grab des heiligen Ilium ge- baut wurde, das freilich seinem Schicksal nicht entging). Als Buddha die ersten seiner Erlösungsworte den frommen Büsserpaare Vaisali’s zu Gute kommen lassen wollte, hörte er zu seinem Bedauern, von ihrem gerade am Tage zuvor erfolgten Tode, erkennend, dass sie nach der Arupa-Welt

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/173>, abgerufen am 27.04.2024.