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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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ein Spiel! Figaro in den besten Jahren -- die
Weiber zum Besten zu haben, und dick. Ich weiß
nicht, ob Lablache so ist von Natur oder ob er sich
durch Kunst so gemacht. Aber gewiß, mit dieser
Gestalt muß sich ein Figaro ausstatten. Ja nicht
flink, ja nicht jung, sich ja nicht zu schön gemacht,
wie es alle die Andern waren, die ich noch gesehen.
Wie ist es möglich fröhlich zu seyn, so lange man
den Weibern gefährlich ist? Wer Ruhe stören kann,
dem kann man sie auch stören. Das Fett der gu¬
ten Laune umgab diesen Figaro von allen Seiten,
beschützte ihn, und ließ keine feindliche Minute durch.
Sie hätten den Spitzbuben sehen sollen mit seinen
Augen! Er hätte bis auf die Augen das ganze Ge¬
sicht verhüllen, er hätte kein Glied zu bewegen brau¬
chen, und man hätte ihn doch verstanden. Wenn er
Rosinen, den Grafen, den Alten ansah, wußte man
vorher, was diese sagen würden: man erkannte es
aus Figaro's Gesicht, der sie durchschaute und uns
sein Errathen errathen ließ. Welch unvergleichliche
Mimik! Seine Worte waren eigentlich nur die Vo¬
kale, zu welchen seine Bewegungen die Consonanten
fügten. Und der Gesang! Schnell, leicht und
glänzend wie Seifenblasen, stiegen ihm die Töne
aus der Brust. Und Rosine! -- ich bin verliebt,
verliebt, verliebt: Schön ist sie gar nicht, bis auf
die Augen. Aber diese wonnesüße Schelmerei, dieses

ein Spiel! Figaro in den beſten Jahren — die
Weiber zum Beſten zu haben, und dick. Ich weiß
nicht, ob Lablache ſo iſt von Natur oder ob er ſich
durch Kunſt ſo gemacht. Aber gewiß, mit dieſer
Geſtalt muß ſich ein Figaro ausſtatten. Ja nicht
flink, ja nicht jung, ſich ja nicht zu ſchön gemacht,
wie es alle die Andern waren, die ich noch geſehen.
Wie iſt es möglich fröhlich zu ſeyn, ſo lange man
den Weibern gefährlich iſt? Wer Ruhe ſtören kann,
dem kann man ſie auch ſtören. Das Fett der gu¬
ten Laune umgab dieſen Figaro von allen Seiten,
beſchützte ihn, und ließ keine feindliche Minute durch.
Sie hätten den Spitzbuben ſehen ſollen mit ſeinen
Augen! Er hätte bis auf die Augen das ganze Ge¬
ſicht verhüllen, er hätte kein Glied zu bewegen brau¬
chen, und man hätte ihn doch verſtanden. Wenn er
Roſinen, den Grafen, den Alten anſah, wußte man
vorher, was dieſe ſagen würden: man erkannte es
aus Figaro's Geſicht, der ſie durchſchaute und uns
ſein Errathen errathen ließ. Welch unvergleichliche
Mimik! Seine Worte waren eigentlich nur die Vo¬
kale, zu welchen ſeine Bewegungen die Conſonanten
fügten. Und der Geſang! Schnell, leicht und
glänzend wie Seifenblaſen, ſtiegen ihm die Töne
aus der Bruſt. Und Roſine! — ich bin verliebt,
verliebt, verliebt: Schön iſt ſie gar nicht, bis auf
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[199/0213] ein Spiel! Figaro in den beſten Jahren — die Weiber zum Beſten zu haben, und dick. Ich weiß nicht, ob Lablache ſo iſt von Natur oder ob er ſich durch Kunſt ſo gemacht. Aber gewiß, mit dieſer Geſtalt muß ſich ein Figaro ausſtatten. Ja nicht flink, ja nicht jung, ſich ja nicht zu ſchön gemacht, wie es alle die Andern waren, die ich noch geſehen. Wie iſt es möglich fröhlich zu ſeyn, ſo lange man den Weibern gefährlich iſt? Wer Ruhe ſtören kann, dem kann man ſie auch ſtören. Das Fett der gu¬ ten Laune umgab dieſen Figaro von allen Seiten, beſchützte ihn, und ließ keine feindliche Minute durch. Sie hätten den Spitzbuben ſehen ſollen mit ſeinen Augen! Er hätte bis auf die Augen das ganze Ge¬ ſicht verhüllen, er hätte kein Glied zu bewegen brau¬ chen, und man hätte ihn doch verſtanden. Wenn er Roſinen, den Grafen, den Alten anſah, wußte man vorher, was dieſe ſagen würden: man erkannte es aus Figaro's Geſicht, der ſie durchſchaute und uns ſein Errathen errathen ließ. Welch unvergleichliche Mimik! Seine Worte waren eigentlich nur die Vo¬ kale, zu welchen ſeine Bewegungen die Conſonanten fügten. Und der Geſang! Schnell, leicht und glänzend wie Seifenblaſen, ſtiegen ihm die Töne aus der Bruſt. Und Roſine! — ich bin verliebt, verliebt, verliebt: Schön iſt ſie gar nicht, bis auf die Augen. Aber dieſe wonneſüße Schelmerei, dieſes

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/213>, abgerufen am 28.04.2024.