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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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der olympischen Götter frei, ich wählte nicht Jupi¬
ters königliche Blitze, nicht Dianens ferntreffenden
Pfeil, nicht Merkurs Rednerlist, nicht Apollo's Leier,
nicht das Lächeln der Grazien, nicht Aphroditens
Zauberblick, nicht Amors Schelmerei -- ich wählte
mir nur die Keule des Herkules und Sylens groben
Spaß. Sie schrieben mir neulich, es sey meiner un¬
würdig, wie ich mich gegen Robert und Pittschaft
ausgesprochen. Freilich ist es meiner unwürdig:
aber es ist ganz meiner würdig, in solcher Zeit nicht
an meine Würde zu denken. Sind es Worte, die
man braucht in diesen Tagen der Entscheidung?
Soll ich daran denken, wie Leute von Geschmack
über meine Schreibart urtheilen, was Weiber von
meiner Aesthetik halten? Wenn ich Ruhe, Blut und
Leben an die Sache des Vaterlandes wage, soll ich
ängstlich besorgt sein, mir meine Kleider nicht zu
verunreinigen? Wenn die Feinde der Freiheit im
Kothe lagern, soll ich fern bleiben und sie nicht an¬
greifen, um meine Stiefel nicht zu beschmutzen?
Wenn es darauf ankömmt, von den feinsten Worten
ein Filigran zu flechten, ein Drathnetz für Mücken¬
seelen -- ich verstehe das so gut als einer. Wenn
es darauf ankömmt, eine Satire zu spitzen, so spitz,
das sie durch die Pore eines Glases dringt -- ich
verstehe das so gut als einer. Wenn es darauf an¬
kömmt, ein Gift zu mischen, klar, hell, rein, durch¬

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der olympiſchen Götter frei, ich wählte nicht Jupi¬
ters königliche Blitze, nicht Dianens ferntreffenden
Pfeil, nicht Merkurs Rednerliſt, nicht Apollo's Leier,
nicht das Lächeln der Grazien, nicht Aphroditens
Zauberblick, nicht Amors Schelmerei — ich wählte
mir nur die Keule des Herkules und Sylens groben
Spaß. Sie ſchrieben mir neulich, es ſey meiner un¬
würdig, wie ich mich gegen Robert und Pittſchaft
ausgeſprochen. Freilich iſt es meiner unwürdig:
aber es iſt ganz meiner würdig, in ſolcher Zeit nicht
an meine Würde zu denken. Sind es Worte, die
man braucht in dieſen Tagen der Entſcheidung?
Soll ich daran denken, wie Leute von Geſchmack
über meine Schreibart urtheilen, was Weiber von
meiner Aeſthetik halten? Wenn ich Ruhe, Blut und
Leben an die Sache des Vaterlandes wage, ſoll ich
ängſtlich beſorgt ſein, mir meine Kleider nicht zu
verunreinigen? Wenn die Feinde der Freiheit im
Kothe lagern, ſoll ich fern bleiben und ſie nicht an¬
greifen, um meine Stiefel nicht zu beſchmutzen?
Wenn es darauf ankömmt, von den feinſten Worten
ein Filigran zu flechten, ein Drathnetz für Mücken¬
ſeelen — ich verſtehe das ſo gut als einer. Wenn
es darauf ankömmt, eine Satire zu ſpitzen, ſo ſpitz,
das ſie durch die Pore eines Glaſes dringt — ich
verſtehe das ſo gut als einer. Wenn es darauf an¬
kömmt, ein Gift zu miſchen, klar, hell, rein, durch¬

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[115/0129] der olympiſchen Götter frei, ich wählte nicht Jupi¬ ters königliche Blitze, nicht Dianens ferntreffenden Pfeil, nicht Merkurs Rednerliſt, nicht Apollo's Leier, nicht das Lächeln der Grazien, nicht Aphroditens Zauberblick, nicht Amors Schelmerei — ich wählte mir nur die Keule des Herkules und Sylens groben Spaß. Sie ſchrieben mir neulich, es ſey meiner un¬ würdig, wie ich mich gegen Robert und Pittſchaft ausgeſprochen. Freilich iſt es meiner unwürdig: aber es iſt ganz meiner würdig, in ſolcher Zeit nicht an meine Würde zu denken. Sind es Worte, die man braucht in dieſen Tagen der Entſcheidung? Soll ich daran denken, wie Leute von Geſchmack über meine Schreibart urtheilen, was Weiber von meiner Aeſthetik halten? Wenn ich Ruhe, Blut und Leben an die Sache des Vaterlandes wage, ſoll ich ängſtlich beſorgt ſein, mir meine Kleider nicht zu verunreinigen? Wenn die Feinde der Freiheit im Kothe lagern, ſoll ich fern bleiben und ſie nicht an¬ greifen, um meine Stiefel nicht zu beſchmutzen? Wenn es darauf ankömmt, von den feinſten Worten ein Filigran zu flechten, ein Drathnetz für Mücken¬ ſeelen — ich verſtehe das ſo gut als einer. Wenn es darauf ankömmt, eine Satire zu ſpitzen, ſo ſpitz, das ſie durch die Pore eines Glaſes dringt — ich verſtehe das ſo gut als einer. Wenn es darauf an¬ kömmt, ein Gift zu miſchen, klar, hell, rein, durch¬ 8*

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/129>, abgerufen am 27.04.2024.