Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

sichtig, ohne Farbe, Geruch und Geschmack, unschul¬
dig wie frisches Quellwasser, ein Verläumdungsgift,
eine aqua tofana -- ich verstehe das so gut als
einer. Aber nein, ich will die Kerls todt schlagen,
am hellen Tage und vor Aller Augen; denn Alle sol¬
len es wissen, und sie selbst, daß sie von meiner
Hand gefallen. Wie? wenn ein dummer Bauerlüm¬
mel mir in der Schlacht gegenüber steht, der gar
nicht weiß, wo er sich befindet, nicht weiß, woher
er gekommen, wohin er geht, für was, für wen er
streitet -- soll ich ihn schonen, weil er dumm ist?
Er gilt seinen Mann und seine Kugel trifft so gut,
als kenne er ihr Ziel. Darum schlage ich ihn zu
Boden. Soll ich ihm verächtlich den Rücken wenden,
daß er mich von hinten treffe? Fein thun mit sol¬
chen plumpen Thieren, unter Scherz und Lachen
Kirschkerne schnellen gegen solche Elephanten -- es
ist lächerlich. Sie spüren es gar nicht. Oder
glauben Sie vielleicht, daß Alle die Plumpheit,
die Roheit, die Gemeinheit meiner Gegner fühl¬
ten? Glauben sie das nicht. Nicht einmal die
bessern Alle. Ich habe das erfahren. Ein wohl¬
meinender Freund brachte mir das Blatt aus Stutt¬
gart; ich las es in seiner Gegenwart und ergötzte
mich unter lautem Lachen an dem Fischweiberwitze
einer deutschen Hofzeitung. Aber der Freund be¬
merkte mit bedenklichem Gesichte: ja es bleibt doch

ſichtig, ohne Farbe, Geruch und Geſchmack, unſchul¬
dig wie friſches Quellwaſſer, ein Verläumdungsgift,
eine aqua tofana — ich verſtehe das ſo gut als
einer. Aber nein, ich will die Kerls todt ſchlagen,
am hellen Tage und vor Aller Augen; denn Alle ſol¬
len es wiſſen, und ſie ſelbſt, daß ſie von meiner
Hand gefallen. Wie? wenn ein dummer Bauerlüm¬
mel mir in der Schlacht gegenüber ſteht, der gar
nicht weiß, wo er ſich befindet, nicht weiß, woher
er gekommen, wohin er geht, für was, für wen er
ſtreitet — ſoll ich ihn ſchonen, weil er dumm iſt?
Er gilt ſeinen Mann und ſeine Kugel trifft ſo gut,
als kenne er ihr Ziel. Darum ſchlage ich ihn zu
Boden. Soll ich ihm verächtlich den Rücken wenden,
daß er mich von hinten treffe? Fein thun mit ſol¬
chen plumpen Thieren, unter Scherz und Lachen
Kirſchkerne ſchnellen gegen ſolche Elephanten — es
iſt lächerlich. Sie ſpüren es gar nicht. Oder
glauben Sie vielleicht, daß Alle die Plumpheit,
die Roheit, die Gemeinheit meiner Gegner fühl¬
ten? Glauben ſie das nicht. Nicht einmal die
beſſern Alle. Ich habe das erfahren. Ein wohl¬
meinender Freund brachte mir das Blatt aus Stutt¬
gart; ich las es in ſeiner Gegenwart und ergötzte
mich unter lautem Lachen an dem Fiſchweiberwitze
einer deutſchen Hofzeitung. Aber der Freund be¬
merkte mit bedenklichem Geſichte: ja es bleibt doch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0130" n="116"/>
&#x017F;ichtig, ohne Farbe, Geruch und Ge&#x017F;chmack, un&#x017F;chul¬<lb/>
dig wie fri&#x017F;ches Quellwa&#x017F;&#x017F;er, ein Verläumdungsgift,<lb/>
eine <hi rendition="#aq">aqua tofana</hi> &#x2014; ich ver&#x017F;tehe das &#x017F;o gut als<lb/>
einer. Aber nein, ich will die Kerls todt &#x017F;chlagen,<lb/>
am hellen Tage und vor Aller Augen; denn Alle &#x017F;ol¬<lb/>
len es wi&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t, daß &#x017F;ie von meiner<lb/>
Hand gefallen. Wie? wenn ein dummer Bauerlüm¬<lb/>
mel mir in der Schlacht gegenüber &#x017F;teht, der gar<lb/>
nicht weiß, wo er &#x017F;ich befindet, nicht weiß, woher<lb/>
er gekommen, wohin er geht, für was, für wen er<lb/>
&#x017F;treitet &#x2014; &#x017F;oll ich ihn &#x017F;chonen, weil er dumm i&#x017F;t?<lb/>
Er gilt &#x017F;einen Mann und &#x017F;eine Kugel trifft &#x017F;o gut,<lb/>
als kenne er ihr Ziel. Darum &#x017F;chlage ich ihn zu<lb/>
Boden. Soll ich ihm verächtlich den Rücken wenden,<lb/>
daß er mich von hinten treffe? Fein thun mit &#x017F;ol¬<lb/>
chen plumpen Thieren, unter Scherz und Lachen<lb/>
Kir&#x017F;chkerne &#x017F;chnellen gegen &#x017F;olche Elephanten &#x2014; es<lb/>
i&#x017F;t lächerlich. Sie &#x017F;püren es gar nicht. Oder<lb/>
glauben Sie vielleicht, daß Alle die Plumpheit,<lb/>
die Roheit, die Gemeinheit meiner Gegner fühl¬<lb/>
ten? Glauben &#x017F;ie das nicht. Nicht einmal die<lb/>
be&#x017F;&#x017F;ern Alle. Ich habe das erfahren. Ein wohl¬<lb/>
meinender Freund brachte mir das Blatt aus Stutt¬<lb/>
gart; ich las es in &#x017F;einer Gegenwart und ergötzte<lb/>
mich unter lautem Lachen an dem Fi&#x017F;chweiberwitze<lb/>
einer deut&#x017F;chen <choice><sic>Hofzeitnng</sic><corr>Hofzeitung</corr></choice>. Aber der Freund be¬<lb/>
merkte mit bedenklichem Ge&#x017F;ichte: ja es bleibt doch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0130] ſichtig, ohne Farbe, Geruch und Geſchmack, unſchul¬ dig wie friſches Quellwaſſer, ein Verläumdungsgift, eine aqua tofana — ich verſtehe das ſo gut als einer. Aber nein, ich will die Kerls todt ſchlagen, am hellen Tage und vor Aller Augen; denn Alle ſol¬ len es wiſſen, und ſie ſelbſt, daß ſie von meiner Hand gefallen. Wie? wenn ein dummer Bauerlüm¬ mel mir in der Schlacht gegenüber ſteht, der gar nicht weiß, wo er ſich befindet, nicht weiß, woher er gekommen, wohin er geht, für was, für wen er ſtreitet — ſoll ich ihn ſchonen, weil er dumm iſt? Er gilt ſeinen Mann und ſeine Kugel trifft ſo gut, als kenne er ihr Ziel. Darum ſchlage ich ihn zu Boden. Soll ich ihm verächtlich den Rücken wenden, daß er mich von hinten treffe? Fein thun mit ſol¬ chen plumpen Thieren, unter Scherz und Lachen Kirſchkerne ſchnellen gegen ſolche Elephanten — es iſt lächerlich. Sie ſpüren es gar nicht. Oder glauben Sie vielleicht, daß Alle die Plumpheit, die Roheit, die Gemeinheit meiner Gegner fühl¬ ten? Glauben ſie das nicht. Nicht einmal die beſſern Alle. Ich habe das erfahren. Ein wohl¬ meinender Freund brachte mir das Blatt aus Stutt¬ gart; ich las es in ſeiner Gegenwart und ergötzte mich unter lautem Lachen an dem Fiſchweiberwitze einer deutſchen Hofzeitung. Aber der Freund be¬ merkte mit bedenklichem Geſichte: ja es bleibt doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/130
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/130>, abgerufen am 27.04.2024.