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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Armsüßer.

Die bisher besprochenen, beim Oeffnen der Klappen zunächst in die Augen fallenden Theile
sind von zwei dünnen Mantelblättern umhüllt, welche sich eng an die Klappen auschmiegen und
dieselben absondern. Jn gefäßartigen Ausweitungen dieser Blätter liegen auch Fortpflanzungs-
organe,
welche von höchster Einfachheit sind. Die Geschlechter sind getrennt und in einigen
Fällen an der verschiedenen Form der Schale zu erkennen. Es bleiben nur noch einige Worte
über das Oeffnen und Schließen der Klappen zu sagen übrig. Es wurde schon angegeben,
daß den Brachiopoden durchweg das elastische Band fehlt, welches bei den Muschelthieren
den Schließmuskeln entgegenwirkt. Bei den Brachiopoden geschieht sowohl das Schließen
wie das Oeffnen der Klappen durch Muskeln, welche jedoch eine zu minutiöse Beschreibung
verlangen, als daß wir darauf specieller eingehen könnten. Uebrigens verweise ich unten auf
Thecidium.

Durch die Form und den Bau, wovon wir ausgegangen sind, wird also im Allgemeinen
die Familie der Terebratuliden charakterisirt, deren Gattungen sich besonders durch Form und Aus-
dehnung jener innern Schleife (auch wohl Arm- und Brachialapparat genannt) aus einander
halten lassen. Auf meiner norwegischen Reise (1850) hatte ich Gelegenheit mir mehrere Gat-
tungen mit dem Schleppnetz lebend vom Meeresgrunde zu verschaffen. Besonders reich an
Terebratula vitrea und Terabratulina eaput serpentis erwies sich der einige Meilen unterhalb
Hammerfest liegende Oerfjord. Meine kurz darauf veröffentlichten mikroskopischen Beobachtungen
sind später durch die Mittheilungen des Herrn Barett über die Lebensweise der letztgenannten
Art vervollständigt worden. Er sagt darüber: "Diese Art zeigt sich öfter, als irgend eine andre
und streckt auch ihre Cirren weiter heraus; sie fand sich überall (an der norwegischen Küste) in
geringer Anzahl, 30 bis 150 Faden tief, oft an Oculinen, einer Coralle, befestigt. Die Cirren
auf dem aufsteigenden Theile der Arme sind kürzer als auf dem absteigenden Theile derselben.
Die Cirren waren fast fortwährend in Bewegung, und oft bemerkte man, daß sie kleine Theilchen
in den an ihrer Basis befindlichen Kanal leiteten. Jn ein Gefäß mit Seewasser gebracht, öffneten
sie allmälig ihre Klappen. Jndividuen, welche an fremden Gegenstände haftend geblieben waren,
offenbarten eine merkwürdige Fähigkeit und Disposition, sich auf ihrem Stielmuskel zu bewegen.
Abgelöste Exemplare konnten hin und her bewegt werden, ohne daß hierdurch das Thier veranlaßt
worden wäre, seine Klappen zu schließen. Wurden einzelne der hervorgestreckten Cirren berührt,
so zogen sie sich sogleich zurück, und das Gehäuse schnappte zu, öffnete sich jedoch bald darauf
wieder. Sind die Arme zurückgezogen, so sind die Cirren nach einwärts gebogen, öffnet sich
jedoch die Schale, so sieht man die Cirren sich aufbiegen und gerade werden; oft bemerkt man
jedoch, daß das Thier vor dem Oeffnen einige wenige Cirren hervorstreckt und hin und her
bewegt, gleichsam um zu prüfen, ob keine Gefahr drohe. Nur bei einer Gelegenheit wurde eine
Strömung bemerkt, welche zwischen den beiden Reihen von Cirren sich hinein bewegte. Jch hatte
versucht, das Dasein von Strömungen festzustellen, indem ich mit einem Pinsel kleine Mengen
von Jndigo in das Wasser, welches das Thier umgab, brachte; dreimal wurde es mit Gewalt
hineingezogen, und man sah dabei Theilchen von Jndigo durch den Kanal an der Basis der
Cirren in der Richtung des Mundes dahin gleiten". Wir brauchen kaum zu wiederholen, daß
diese Strömungen durch die unsichtbaren Flimmerhärchen erregt werden.

Auch über eine andere Terebratel der nordischen Küste, Waldheimia eranium berichtet
Barett: "Sie fand sich mehrere Male zwischen den Vigton-Jnseln und dem Nordkap in 25 bis
150 Faden Tiefe, an Steine, Balanen u. a. befestigt. Sie gehört zu den Terebratuliden mit
langer Schleise, und die Mundanhänge sind an dieses kalkige Skelet so befestigt, daß sie unfähig
sind, sich zu bewegen, es sei denn an ihren spiral eingerollten Enden. Man hat vermuthet,
daß diese an einander gefügten Spiralenden aufgerollt werden könnten, etwa wie der Rüssel
eines Schmetterlings, aber ich habe nie etwas dergleichen beobachtet. Diese Art ist lebhafter, als
Terebratulina caput serpentis, bewegt sich oft auf dem Haftmuskel und ist auch leichter alarmirt.

Armſüßer.

Die bisher beſprochenen, beim Oeffnen der Klappen zunächſt in die Augen fallenden Theile
ſind von zwei dünnen Mantelblättern umhüllt, welche ſich eng an die Klappen auſchmiegen und
dieſelben abſondern. Jn gefäßartigen Ausweitungen dieſer Blätter liegen auch Fortpflanzungs-
organe,
welche von höchſter Einfachheit ſind. Die Geſchlechter ſind getrennt und in einigen
Fällen an der verſchiedenen Form der Schale zu erkennen. Es bleiben nur noch einige Worte
über das Oeffnen und Schließen der Klappen zu ſagen übrig. Es wurde ſchon angegeben,
daß den Brachiopoden durchweg das elaſtiſche Band fehlt, welches bei den Muſchelthieren
den Schließmuskeln entgegenwirkt. Bei den Brachiopoden geſchieht ſowohl das Schließen
wie das Oeffnen der Klappen durch Muskeln, welche jedoch eine zu minutiöſe Beſchreibung
verlangen, als daß wir darauf ſpecieller eingehen könnten. Uebrigens verweiſe ich unten auf
Thecidium.

Durch die Form und den Bau, wovon wir ausgegangen ſind, wird alſo im Allgemeinen
die Familie der Terebratuliden charakteriſirt, deren Gattungen ſich beſonders durch Form und Aus-
dehnung jener innern Schleife (auch wohl Arm- und Brachialapparat genannt) aus einander
halten laſſen. Auf meiner norwegiſchen Reiſe (1850) hatte ich Gelegenheit mir mehrere Gat-
tungen mit dem Schleppnetz lebend vom Meeresgrunde zu verſchaffen. Beſonders reich an
Terebratula vitrea und Terabratulina eaput serpentis erwies ſich der einige Meilen unterhalb
Hammerfeſt liegende Oerfjord. Meine kurz darauf veröffentlichten mikroſkopiſchen Beobachtungen
ſind ſpäter durch die Mittheilungen des Herrn Barett über die Lebensweiſe der letztgenannten
Art vervollſtändigt worden. Er ſagt darüber: „Dieſe Art zeigt ſich öfter, als irgend eine andre
und ſtreckt auch ihre Cirren weiter heraus; ſie fand ſich überall (an der norwegiſchen Küſte) in
geringer Anzahl, 30 bis 150 Faden tief, oft an Oculinen, einer Coralle, befeſtigt. Die Cirren
auf dem aufſteigenden Theile der Arme ſind kürzer als auf dem abſteigenden Theile derſelben.
Die Cirren waren faſt fortwährend in Bewegung, und oft bemerkte man, daß ſie kleine Theilchen
in den an ihrer Baſis befindlichen Kanal leiteten. Jn ein Gefäß mit Seewaſſer gebracht, öffneten
ſie allmälig ihre Klappen. Jndividuen, welche an fremden Gegenſtände haftend geblieben waren,
offenbarten eine merkwürdige Fähigkeit und Dispoſition, ſich auf ihrem Stielmuskel zu bewegen.
Abgelöſte Exemplare konnten hin und her bewegt werden, ohne daß hierdurch das Thier veranlaßt
worden wäre, ſeine Klappen zu ſchließen. Wurden einzelne der hervorgeſtreckten Cirren berührt,
ſo zogen ſie ſich ſogleich zurück, und das Gehäuſe ſchnappte zu, öffnete ſich jedoch bald darauf
wieder. Sind die Arme zurückgezogen, ſo ſind die Cirren nach einwärts gebogen, öffnet ſich
jedoch die Schale, ſo ſieht man die Cirren ſich aufbiegen und gerade werden; oft bemerkt man
jedoch, daß das Thier vor dem Oeffnen einige wenige Cirren hervorſtreckt und hin und her
bewegt, gleichſam um zu prüfen, ob keine Gefahr drohe. Nur bei einer Gelegenheit wurde eine
Strömung bemerkt, welche zwiſchen den beiden Reihen von Cirren ſich hinein bewegte. Jch hatte
verſucht, das Daſein von Strömungen feſtzuſtellen, indem ich mit einem Pinſel kleine Mengen
von Jndigo in das Waſſer, welches das Thier umgab, brachte; dreimal wurde es mit Gewalt
hineingezogen, und man ſah dabei Theilchen von Jndigo durch den Kanal an der Baſis der
Cirren in der Richtung des Mundes dahin gleiten“. Wir brauchen kaum zu wiederholen, daß
dieſe Strömungen durch die unſichtbaren Flimmerhärchen erregt werden.

Auch über eine andere Terebratel der nordiſchen Küſte, Waldheimia eranium berichtet
Barett: „Sie fand ſich mehrere Male zwiſchen den Vigton-Jnſeln und dem Nordkap in 25 bis
150 Faden Tiefe, an Steine, Balanen u. a. befeſtigt. Sie gehört zu den Terebratuliden mit
langer Schleiſe, und die Mundanhänge ſind an dieſes kalkige Skelet ſo befeſtigt, daß ſie unfähig
ſind, ſich zu bewegen, es ſei denn an ihren ſpiral eingerollten Enden. Man hat vermuthet,
daß dieſe an einander gefügten Spiralenden aufgerollt werden könnten, etwa wie der Rüſſel
eines Schmetterlings, aber ich habe nie etwas dergleichen beobachtet. Dieſe Art iſt lebhafter, als
Terebratulina caput serpentis, bewegt ſich oft auf dem Haftmuskel und iſt auch leichter alarmirt.

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[960/1008] Armſüßer. Die bisher beſprochenen, beim Oeffnen der Klappen zunächſt in die Augen fallenden Theile ſind von zwei dünnen Mantelblättern umhüllt, welche ſich eng an die Klappen auſchmiegen und dieſelben abſondern. Jn gefäßartigen Ausweitungen dieſer Blätter liegen auch Fortpflanzungs- organe, welche von höchſter Einfachheit ſind. Die Geſchlechter ſind getrennt und in einigen Fällen an der verſchiedenen Form der Schale zu erkennen. Es bleiben nur noch einige Worte über das Oeffnen und Schließen der Klappen zu ſagen übrig. Es wurde ſchon angegeben, daß den Brachiopoden durchweg das elaſtiſche Band fehlt, welches bei den Muſchelthieren den Schließmuskeln entgegenwirkt. Bei den Brachiopoden geſchieht ſowohl das Schließen wie das Oeffnen der Klappen durch Muskeln, welche jedoch eine zu minutiöſe Beſchreibung verlangen, als daß wir darauf ſpecieller eingehen könnten. Uebrigens verweiſe ich unten auf Thecidium. Durch die Form und den Bau, wovon wir ausgegangen ſind, wird alſo im Allgemeinen die Familie der Terebratuliden charakteriſirt, deren Gattungen ſich beſonders durch Form und Aus- dehnung jener innern Schleife (auch wohl Arm- und Brachialapparat genannt) aus einander halten laſſen. Auf meiner norwegiſchen Reiſe (1850) hatte ich Gelegenheit mir mehrere Gat- tungen mit dem Schleppnetz lebend vom Meeresgrunde zu verſchaffen. Beſonders reich an Terebratula vitrea und Terabratulina eaput serpentis erwies ſich der einige Meilen unterhalb Hammerfeſt liegende Oerfjord. Meine kurz darauf veröffentlichten mikroſkopiſchen Beobachtungen ſind ſpäter durch die Mittheilungen des Herrn Barett über die Lebensweiſe der letztgenannten Art vervollſtändigt worden. Er ſagt darüber: „Dieſe Art zeigt ſich öfter, als irgend eine andre und ſtreckt auch ihre Cirren weiter heraus; ſie fand ſich überall (an der norwegiſchen Küſte) in geringer Anzahl, 30 bis 150 Faden tief, oft an Oculinen, einer Coralle, befeſtigt. Die Cirren auf dem aufſteigenden Theile der Arme ſind kürzer als auf dem abſteigenden Theile derſelben. Die Cirren waren faſt fortwährend in Bewegung, und oft bemerkte man, daß ſie kleine Theilchen in den an ihrer Baſis befindlichen Kanal leiteten. Jn ein Gefäß mit Seewaſſer gebracht, öffneten ſie allmälig ihre Klappen. Jndividuen, welche an fremden Gegenſtände haftend geblieben waren, offenbarten eine merkwürdige Fähigkeit und Dispoſition, ſich auf ihrem Stielmuskel zu bewegen. Abgelöſte Exemplare konnten hin und her bewegt werden, ohne daß hierdurch das Thier veranlaßt worden wäre, ſeine Klappen zu ſchließen. Wurden einzelne der hervorgeſtreckten Cirren berührt, ſo zogen ſie ſich ſogleich zurück, und das Gehäuſe ſchnappte zu, öffnete ſich jedoch bald darauf wieder. Sind die Arme zurückgezogen, ſo ſind die Cirren nach einwärts gebogen, öffnet ſich jedoch die Schale, ſo ſieht man die Cirren ſich aufbiegen und gerade werden; oft bemerkt man jedoch, daß das Thier vor dem Oeffnen einige wenige Cirren hervorſtreckt und hin und her bewegt, gleichſam um zu prüfen, ob keine Gefahr drohe. Nur bei einer Gelegenheit wurde eine Strömung bemerkt, welche zwiſchen den beiden Reihen von Cirren ſich hinein bewegte. Jch hatte verſucht, das Daſein von Strömungen feſtzuſtellen, indem ich mit einem Pinſel kleine Mengen von Jndigo in das Waſſer, welches das Thier umgab, brachte; dreimal wurde es mit Gewalt hineingezogen, und man ſah dabei Theilchen von Jndigo durch den Kanal an der Baſis der Cirren in der Richtung des Mundes dahin gleiten“. Wir brauchen kaum zu wiederholen, daß dieſe Strömungen durch die unſichtbaren Flimmerhärchen erregt werden. Auch über eine andere Terebratel der nordiſchen Küſte, Waldheimia eranium berichtet Barett: „Sie fand ſich mehrere Male zwiſchen den Vigton-Jnſeln und dem Nordkap in 25 bis 150 Faden Tiefe, an Steine, Balanen u. a. befeſtigt. Sie gehört zu den Terebratuliden mit langer Schleiſe, und die Mundanhänge ſind an dieſes kalkige Skelet ſo befeſtigt, daß ſie unfähig ſind, ſich zu bewegen, es ſei denn an ihren ſpiral eingerollten Enden. Man hat vermuthet, daß dieſe an einander gefügten Spiralenden aufgerollt werden könnten, etwa wie der Rüſſel eines Schmetterlings, aber ich habe nie etwas dergleichen beobachtet. Dieſe Art iſt lebhafter, als Terebratulina caput serpentis, bewegt ſich oft auf dem Haftmuskel und iſt auch leichter alarmirt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 960. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1008>, abgerufen am 02.05.2024.