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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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anderen von mehreren objectiv gleichwerthigen Wirksamkeiten
ein besonderer objectiver Charakter beigelegt werden könne,
und es würde dann ein Verbrechen mehrere Haupthandlungen
enthalten können. Es würden deren drei sein, wenn das Feuer
in der Erwartung, es werde sich ohne weiteres Zuthun entwickeln,
angelegt, dann aber zur Herbeiführung der nöthigen Zugluft
das Scheuerthor geöffnet, und endlich, um noch sicherer zu gehen,
auch noch in den Brandstoff hineingeblasen worden war, bis
die Flamme hervorschlug. -- Jm zweiten Falle würde aller-
dings der Erfolg nur eine Haupthandlung umfassen und die-
selbe von allen übrigen, den Erfolg constituirenden, Handlungen
unterschieden sein. Aber nur formell. Hat A den Brand-
stoff angelegt in der Erwartung, daß das Feuer ohne weiteres
Zuthun sich entwickeln werde, dann B, unabhängig von A,
die Thüre geöffnet, um den Brandstoff anzufachen, und kommt
jetzt erst das Feuer zum Ausbruch, so würde nicht A sondern
allein B die Haupthandlung ausgeführt haben. Gewiß aber
wird man nicht behaupten wollen, A habe zur Herbeiführung
des Erfolgs weniger beigetragen als B. Ebenso wird, im
Falle der Versuch durch einen Unzurechnungsfähigen oder
Naturcausalismus zur Vollendung geführt worden war, hierin
keine bedeutungsvollere Wirksamkeit erkannt werden können,
als in der vorausgegangenen verbrecherischen Thätigkeit, --
Hätte die Haupthandlung wirklich einen objectiv von der
Nebenhandlung verschiedenen Charakter, so würde, wenn sie
von dem Thäter als solche nicht erkannt worden war, ein
unlösbarer Widerstreit zwischen Wille und Wirksamkeit ent-
stehen. Als Nebenhandlung würde sie wegen ihrer charak-
teristischen Verschiedenheit von derselben nicht zugerechnet
werden können; aber auch nicht als Haupthandlung, weil sie
der Thäter als solche nicht gewollt hatte. Bei den fort-
dauernden Verbrechen endlich müßten alle Handlungen, durch

anderen von mehreren objectiv gleichwerthigen Wirkſamkeiten
ein beſonderer objectiver Charakter beigelegt werden könne,
und es würde dann ein Verbrechen mehrere Haupthandlungen
enthalten können. Es würden deren drei ſein, wenn das Feuer
in der Erwartung, es werde ſich ohne weiteres Zuthun entwickeln,
angelegt, dann aber zur Herbeiführung der nöthigen Zugluft
das Scheuerthor geöffnet, und endlich, um noch ſicherer zu gehen,
auch noch in den Brandſtoff hineingeblaſen worden war, bis
die Flamme hervorſchlug. — Jm zweiten Falle würde aller-
dings der Erfolg nur eine Haupthandlung umfaſſen und die-
ſelbe von allen übrigen, den Erfolg conſtituirenden, Handlungen
unterſchieden ſein. Aber nur formell. Hat A den Brand-
ſtoff angelegt in der Erwartung, daß das Feuer ohne weiteres
Zuthun ſich entwickeln werde, dann B, unabhängig von A,
die Thüre geöffnet, um den Brandſtoff anzufachen, und kommt
jetzt erſt das Feuer zum Ausbruch, ſo würde nicht A ſondern
allein B die Haupthandlung ausgeführt haben. Gewiß aber
wird man nicht behaupten wollen, A habe zur Herbeiführung
des Erfolgs weniger beigetragen als B. Ebenſo wird, im
Falle der Verſuch durch einen Unzurechnungsfähigen oder
Naturcauſalismus zur Vollendung geführt worden war, hierin
keine bedeutungsvollere Wirkſamkeit erkannt werden können,
als in der vorausgegangenen verbrecheriſchen Thätigkeit, —
Hätte die Haupthandlung wirklich einen objectiv von der
Nebenhandlung verſchiedenen Charakter, ſo würde, wenn ſie
von dem Thäter als ſolche nicht erkannt worden war, ein
unlösbarer Widerſtreit zwiſchen Wille und Wirkſamkeit ent-
ſtehen. Als Nebenhandlung würde ſie wegen ihrer charak-
teriſtiſchen Verſchiedenheit von derſelben nicht zugerechnet
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[103/0107] anderen von mehreren objectiv gleichwerthigen Wirkſamkeiten ein beſonderer objectiver Charakter beigelegt werden könne, und es würde dann ein Verbrechen mehrere Haupthandlungen enthalten können. Es würden deren drei ſein, wenn das Feuer in der Erwartung, es werde ſich ohne weiteres Zuthun entwickeln, angelegt, dann aber zur Herbeiführung der nöthigen Zugluft das Scheuerthor geöffnet, und endlich, um noch ſicherer zu gehen, auch noch in den Brandſtoff hineingeblaſen worden war, bis die Flamme hervorſchlug. — Jm zweiten Falle würde aller- dings der Erfolg nur eine Haupthandlung umfaſſen und die- ſelbe von allen übrigen, den Erfolg conſtituirenden, Handlungen unterſchieden ſein. Aber nur formell. Hat A den Brand- ſtoff angelegt in der Erwartung, daß das Feuer ohne weiteres Zuthun ſich entwickeln werde, dann B, unabhängig von A, die Thüre geöffnet, um den Brandſtoff anzufachen, und kommt jetzt erſt das Feuer zum Ausbruch, ſo würde nicht A ſondern allein B die Haupthandlung ausgeführt haben. Gewiß aber wird man nicht behaupten wollen, A habe zur Herbeiführung des Erfolgs weniger beigetragen als B. Ebenſo wird, im Falle der Verſuch durch einen Unzurechnungsfähigen oder Naturcauſalismus zur Vollendung geführt worden war, hierin keine bedeutungsvollere Wirkſamkeit erkannt werden können, als in der vorausgegangenen verbrecheriſchen Thätigkeit, — Hätte die Haupthandlung wirklich einen objectiv von der Nebenhandlung verſchiedenen Charakter, ſo würde, wenn ſie von dem Thäter als ſolche nicht erkannt worden war, ein unlösbarer Widerſtreit zwiſchen Wille und Wirkſamkeit ent- ſtehen. Als Nebenhandlung würde ſie wegen ihrer charak- teriſtiſchen Verſchiedenheit von derſelben nicht zugerechnet werden können; aber auch nicht als Haupthandlung, weil ſie der Thäter als ſolche nicht gewollt hatte. Bei den fort- dauernden Verbrechen endlich müßten alle Handlungen, durch

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/107>, abgerufen am 28.04.2024.