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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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zulässige Strafe für Vollendung, Versuch und Fahrlässigkeit
erschöpft. -- Ob Jemand 100 Menschen getödtet hat, oder
nur 50, muß für die Bestrafung einerlei sein. Es ist das
eine nothwendige Consequenz des Princips der Straf-
zumessung.

Die Verbrechen stehen nach der Größe der durch sie
verletzten Rechte in einem bestimmten Verhältnisse zu einander.
Hiernach müssen sich auch die Strafgrößen richten; sie müssen
den nämlichen Abstand von einander haben, wie die Ver-
brechen unter sich. Wenn nun auch die Kraft des Menschen
zur Begehung von Verbrechen eine unendliche ist, so ist
doch die Möglichkeit der Bestrafung eine endliche -- beschränkt
durch die Endlichkeit der menschlichen Güter, welche durch die
Bestrafung getroffen werden können. Sollte Jemand auch
zweimal den Tod verdient haben, so kann er seinen Kopf
doch nur einmal verlieren, und nur einmal auf Lebenszeit
eingesperrt werden, wenn er auch zwei mit dieser Strafart
bedrohte Verbrechen begangen hat. Wenn nun für eine
unberechenbar große Anzahl todeswürdiger oder mit lebens-
länglicher Freiheitsstrafe bedrohter Verbrechen doch nur ein-
mal die Todesstrafe oder lebenslängliche Freiheitsstrafe zum
Vollzuge gebracht werden kann, so darf für eine noch so
große Anzahl von Verbrechen der nächst niederen Gattung
nicht gleichfalls auf diese Strafen erkannt werden. Man
würde andernfalls aussprechen, daß die in der größtmöglichsten
Anzahl der schwersten Verbrechen gelegene Verschuldung nicht
schwerer sei, als die Verschuldung, welche die größtmöglichste
Anzahl von Verbrechen der geringeren Kategorie enthalte,
und hiermit geradezu den Unterschied in der Gattung zwischen
den schwersten und leichteren Verbrechen aufheben. Man
sieht sich darum genöthigt, die für die größtmöglichste Anzahl
von Verbrechen der nächst geringeren Gattung nach den

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zuläſſige Strafe für Vollendung, Verſuch und Fahrläſſigkeit
erſchöpft. — Ob Jemand 100 Menſchen getödtet hat, oder
nur 50, muß für die Beſtrafung einerlei ſein. Es iſt das
eine nothwendige Conſequenz des Princips der Straf-
zumeſſung.

Die Verbrechen ſtehen nach der Größe der durch ſie
verletzten Rechte in einem beſtimmten Verhältniſſe zu einander.
Hiernach müſſen ſich auch die Strafgrößen richten; ſie müſſen
den nämlichen Abſtand von einander haben, wie die Ver-
brechen unter ſich. Wenn nun auch die Kraft des Menſchen
zur Begehung von Verbrechen eine unendliche iſt, ſo iſt
doch die Möglichkeit der Beſtrafung eine endliche — beſchränkt
durch die Endlichkeit der menſchlichen Güter, welche durch die
Beſtrafung getroffen werden können. Sollte Jemand auch
zweimal den Tod verdient haben, ſo kann er ſeinen Kopf
doch nur einmal verlieren, und nur einmal auf Lebenszeit
eingeſperrt werden, wenn er auch zwei mit dieſer Strafart
bedrohte Verbrechen begangen hat. Wenn nun für eine
unberechenbar große Anzahl todeswürdiger oder mit lebens-
länglicher Freiheitsſtrafe bedrohter Verbrechen doch nur ein-
mal die Todesſtrafe oder lebenslängliche Freiheitsſtrafe zum
Vollzuge gebracht werden kann, ſo darf für eine noch ſo
große Anzahl von Verbrechen der nächſt niederen Gattung
nicht gleichfalls auf dieſe Strafen erkannt werden. Man
würde andernfalls ausſprechen, daß die in der größtmöglichſten
Anzahl der ſchwerſten Verbrechen gelegene Verſchuldung nicht
ſchwerer ſei, als die Verſchuldung, welche die größtmöglichſte
Anzahl von Verbrechen der geringeren Kategorie enthalte,
und hiermit geradezu den Unterſchied in der Gattung zwiſchen
den ſchwerſten und leichteren Verbrechen aufheben. Man
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[51/0055] zuläſſige Strafe für Vollendung, Verſuch und Fahrläſſigkeit erſchöpft. — Ob Jemand 100 Menſchen getödtet hat, oder nur 50, muß für die Beſtrafung einerlei ſein. Es iſt das eine nothwendige Conſequenz des Princips der Straf- zumeſſung. Die Verbrechen ſtehen nach der Größe der durch ſie verletzten Rechte in einem beſtimmten Verhältniſſe zu einander. Hiernach müſſen ſich auch die Strafgrößen richten; ſie müſſen den nämlichen Abſtand von einander haben, wie die Ver- brechen unter ſich. Wenn nun auch die Kraft des Menſchen zur Begehung von Verbrechen eine unendliche iſt, ſo iſt doch die Möglichkeit der Beſtrafung eine endliche — beſchränkt durch die Endlichkeit der menſchlichen Güter, welche durch die Beſtrafung getroffen werden können. Sollte Jemand auch zweimal den Tod verdient haben, ſo kann er ſeinen Kopf doch nur einmal verlieren, und nur einmal auf Lebenszeit eingeſperrt werden, wenn er auch zwei mit dieſer Strafart bedrohte Verbrechen begangen hat. Wenn nun für eine unberechenbar große Anzahl todeswürdiger oder mit lebens- länglicher Freiheitsſtrafe bedrohter Verbrechen doch nur ein- mal die Todesſtrafe oder lebenslängliche Freiheitsſtrafe zum Vollzuge gebracht werden kann, ſo darf für eine noch ſo große Anzahl von Verbrechen der nächſt niederen Gattung nicht gleichfalls auf dieſe Strafen erkannt werden. Man würde andernfalls ausſprechen, daß die in der größtmöglichſten Anzahl der ſchwerſten Verbrechen gelegene Verſchuldung nicht ſchwerer ſei, als die Verſchuldung, welche die größtmöglichſte Anzahl von Verbrechen der geringeren Kategorie enthalte, und hiermit geradezu den Unterſchied in der Gattung zwiſchen den ſchwerſten und leichteren Verbrechen aufheben. Man ſieht ſich darum genöthigt, die für die größtmöglichſte Anzahl von Verbrechen der nächſt geringeren Gattung nach den 4*

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/55>, abgerufen am 29.04.2024.